Bestes hexlein,
von einer anderen Geschichte im Wettbewerb war ich persönlich so angetan, dass ich Deiner nicht mehr gerecht wurde, was mich jetzt beim Wiederlesen reut. Ich wehrte den morgendlichen Spaziergang ab, weil dies die düsterste Stunde des Tages ist, in denen Grübeln kurz vor Sonnenaufgang schmerzlich sein kann.
»Geschehen« ist ein Lebensspaziergang an der Kante entlang. Vor dem guten Ausgang liegt Arbeit. Inhaltlich ist zart beschrieben. Zart deshalb, weil all die blendenden, spektakulären Vorgänge nur angedeutet werden, aber der Kern einer borderlinigen Lebensbefindlichkeit gelungen beschrieben ist.
Anknüpfung zum BDSM: Nun ja, das wollen viele ja nicht gern hören, aber diese Neigung ist eben nicht »einfach nur da«, sondern erfüllt eine Rolle im inneren Haushalt. Das ist eine gänzlich andere Frage als die nach der Verursachung. Dies sauber voneinander abgekoppelt zu haben war der Garant, dass die Geschichte nicht selbstmitleidig wurde.
Reminiszenzen in Form alleiniger innerer Monologe als eigenständige Geschichte sind eine Gratwanderung. Entweder geraten sie zu dick aufgetragen oder im Ablauf zu dürftig, weil der Spannungsbogen wie eine Wäscheleine schlapp hängt. Innerhalb einer Geschichte haben sie ihren Platz. Oder als vorbereitender Arbeitsschritt zu einer Geschichte.
Mir gelingt dieser Übergang auch nicht. Dazu muss man Erzähler sein und nicht nur »Schreiber«. Erzähler sind viel seltener, während das Schreibenkönnen verbreitet ist. So wie nicht jeder Musikliebhaber oder Hausmusikant Komponist sein kann. Die Liebe zum Metier vereint doch alle irgendwie. Ohne einigermaßen geschulte Zuhörer blieben Kompositionen am Ende auch leeres Papier.
Kurz: Ich find die Story gehaltvoll, in der Ausführung als Vorarbeit. Das spüre ich daran, dass ich von der beschriebenen Person mehr wissen möchte als das, was sie denkt und erinnert.
Was mir an der gegebenen Ausführung gefällt, sind die dicht verwobenen Sprachbilder. Das ist fein, wie auf allen Ebenen Querverweise auf den Inhalt zu finden sind, und das zeigt, es steckt Arbeit drin.
Ich überlege, wie die Geschichte wirken würde, wenn Du einen echten inneren Monolog geschrieben hättest. Also so, wie Menschen wirklich denken; nicht mit verschachtelten Nebensätzen und Kommaregeln im Kopf. *g
Ich habe vor Jahrzehnten mal Laut-Denken-Protokolle ausgewertet, und glaube mir, da ist, wenn es ans Eingemachte geht, kaum ein einziger korrekter Satz im Kopf gebaut. Ist ja nur eine Idee, und eine völlig andere Form; die aber situativ, konkret und damit Handlung wäre, während es ansonsten in der Form eher Richtung Besinnungsaufsatz gerät (was Deiner nicht ist, bitte nicht falsch verstehen).
Du hast ein heißes Eisen angefasst. Im Rahmen von BDSM vielleicht eins der heißesten, und hast eine ganze Biografie »ankommen« lassen. Das stimmt am Ende so hoffnungsfroh, weil ein Scheitern im BDSM so schrecklich sein kann.
Für diesen Zaubertrank lieben Dank, Hexlein.