Eine Geschichte, die mich sehr stark berührt, ja wirklich aufgewühlt hat.
Entweder wird hier, zumindest in Teilen und dann wahrscheinlich verfremdet oder abgewandelt, eigenes Erleben beschrieben oder mit sehr viel Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen, mit einem Höchstmaß an Empathie für die Protagonisten deren Gefühlswelt wiedergegeben. Letztlich egal, man kann ja immer vortrefflich darüber philosophieren, wieviel Realität, wieviel Wahres, selbst Erlebtes und wieviel Fiktion in einer Geschichte steckt. Was aus der Erinnerung der Verfasser und was aus deren Phantasie entstammt. Darüber Auskunft geben könnten nur die Urheber der Geschichten, aber ich bin mir nicht sicher, ob man es denn tatsächlich wissen wollen würde.
Wie dem auch sei, für mich ist diese Erzählung mehr als eine nette Story.
Sehr viel von dem Gefühlschaos, das Mia durchlebt, kommt mir unheimlich bekannt vor.
Besonders die nachfolgend zitierten Auszüge sind fast 1:1 auf die Entwicklung, die Geschichte der Beziehung zwischen meinem Mann und mir übertragbar. Wir waren allerdings nicht bei professionellen Dominas. Ob deren Ratschläge, die über die korrekte Handhabung der „Werkzeuge“ hinausgehen, für SM in einer Liebesbeziehung das Richtige sind, wage ich grundsätzlich zu bezweifeln, aber das ist ein anderes Thema.
… Eher, dass ich nicht die geringste Ahnung von seinen Phantasien hatte und er auch nie die leiseste Andeutung gemacht hatte. Jedenfalls glaubte ich das, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir nie Gedanken über diesen Bereich seines Gefühlslebens gemacht. Ich habe seitdem immer wieder darüber nachgedacht. Besonders stellte sich mir die Frage, warum mein Mann mir nie etwas erzählt hatte. Ich kam zu dem Ergebnis, dass er sich entweder schämte, oder selbst nicht so genau wusste, ob oder wie sehr er Gefallen an dieser Art Sex hatte. Unser Liebesleben war und ist erfüllend für mich; und jetzt, jetzt weiß ich plötzlich nicht einmal mehr, ob es ihm auch so geht.
Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll, wie ich reagieren soll. Was genau ist es, was meinen Mann dazu treibt, so etwas erleben zu wollen? Vor allem, was will er noch, wohin steuern seine Phantasien? Womöglich will er mehr, viel mehr! Aber was? Wie passe ich da hinein? Oder bleibe ich außen vor? Warum hat er sich nur nicht getraut, mir davon zu erzählen?“
„Was ist es, was meinen Mann dazu treibt, sich schlagen zu lassen?
In ihrem Kopf toste ein Wirbelsturm aus verschiedensten Gedanken und Gefühlen. Sie wusste im Moment weder, was sie tun sollte, noch was sie tun wollte.
„Totale Kontrolle?“, dachte Mia bei sich. “So ein Unfug. Wir spielen miteinander, gemeinsam, und ich schenke ihm den Schmerz, den er sich so sehnlichst wünscht. Ich höre ihn schreien - Schmerzschreie, Lustschreie, ist da überhaupt noch ein Unterschied? Es macht ihn glücklich, und das ist es doch, was ich möchte.
Die plötzliche auftauchende Unsicherheit wird präzise beschrieben, die nagenden Selbstzweifel, die vielen Fragen, die man sich stellt, wenn man auf einmal der neuen Realität gegenüber steht, egal ob nun wie hier durch einen Zufallsfund oder ob durch bewusstes Outing, dass der Partner auf „so etwas“ steht, auf Etwas, das man bisher absolut nicht auf dem Schirm hatte.
Man hinterfragt alles bisher Gewesene, denkt darüber nach, was man falsch gemacht haben könnte, ob das, was bisher war, denn nicht genügte, ob der Sex, den man selbst als absolut befriedigend empfunden hatte, denn in Wirklichkeit nichts war gegen die heimlichen Träume des Partners. Obwohl man doch in dem festen Glauben war, dass es dem Partner ebenso ginge, die Enttäuschung darüber, dass ihm aber ganz offensichtlich dabei immer etwas gefehlt hat. So viele unerfüllte Wünsche. Wie man sich so täuschen konnte. Und was man jetzt mit den offenbarten Sehnsüchten anfangen soll. Wie soll es jetzt weitergehen?
Dazu kommt der dargestellte, ach so bekannte Widerstreit der Gefühle, dass man jemanden, den man liebt, weh tun soll - und ihm dabei doch Lust und Liebe schenkt:
Es erschien ihr falsch. Da stand ihr Mann, gefesselt, mit verbundenen Augen - und sie sollte ihn schlagen?
Sie liebkoste ihren Ehemann mit heftigen Schlägen und er reagierte so wunderbar auf sie.
Ja, und nun? Der Schlüsselsatz für mich lautet:
Sie betonte, dass es wichtig sei, miteinander zu reden
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Egal, ob nun autobiographisch oder reine Erfindung, dies ist eine Erzählung, die deutlich mehr beinhaltet als nur die allseits bekannte Beschreibung einer BDSM-Session oder den Besuch eines Domina-Studios. Selbst die Dominas haben eine menschliche, eine mitfühlende Seite. Damit ist für mich diese Geschichte eine der besten bisher gelesenen, ich würde gern mehr Sterne vergeben.