24/7 - Das Interview
24/7 ist ein provokant-poetischer Film über die Angst vor uns selbst, die Angst, uns selbst zu begegnen im Spiegel unserer Leidenschaften im Spannungsfeld einer tabusetzenden und doppelmoralischen Gesellschaft: 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche - die Passion des Lebens. Dies ist ein Interview mit Marina Anna Eich (Darstellerin von Eva), Mira Gittner (Darstellerin von Lady Maria) und Roland Reber (Regie).
Ein Blogbeitrag von Engelchen und Nubes.
Info: Veröffentlicht am 29.09.2006 in der Rubrik Gefragt.
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Ein Interview mit Marina Anna Eich (Darstellerin von Eva), Mira Gittner (Darstellerin von Lady Maria) und Roland Reber (Regie)
() Seid ihr schon vor den Planungen von 24/7 mit BDSM in Berührung gekommen?
Mira Gittner:
Als sich abzeichnete, dass ich die Rolle der Lady Maria übernehmen werde, wollte ich vor Beginn der Dreharbeiten meine ganz persönlichen Erfahrungen machen, da ich mit der BDSM-Szene zuvor noch nicht in Berührung gekommen bin.
Ich wollte die Atmosphäre spüren und so habe ich ein paar Nächte in einem Studio als Gast-Domina assistiert. Für mich war es spannend, die Möglichkeit zu bekommen, in Bereiche der mir unbekannten Welt der BDSM-Szene einzutauchen und ich empfand die Atmosphäre als sehr poetisch, friedlich und zutiefst kommunikativ.
Marina Anna Eich:
Nein. Das Einzigste, was ich kannte, war das, was man im Fernsehen sieht. Ich habe mir vor den Recherchen zum Film ehrlich gesagt auch keine tiefer gehenden Gedanken über das Thema gemacht. ›SM‹ war mir als Wort ein Begriff, ›BDSM‹ habe ich zuvor allerdings noch nicht gehört.
Roland Reber:
Nein. Vor den Dreharbeiten war SM für mich nur ein Begriff den ich aus der Literatur oder aus Filmen kannte.
Gab es während den Dreharbeiten Situationen, in denen es zu tiefgründig, nachdenklich wurde, die eines Timeouts bedurften, um sie zu reflektieren? Entstanden Szenen, die letztendlich ›rausgeschnitten wurden?
Marina Anna Eich:
Sehr berührt hat mich meine erste Begegnung mit einer SM-Session. Während einer Drehpause im Studio bat uns eine Domina, als Zuschauer bei ihrem Gast anwesend zu sein. ‹Er mag Zuschauer sehr gerne!› Ein attraktiver Mann lag festgebunden auf einem Gynäkologenstuhl und wurde behutsam von der Domina ‹verarztet›. Ich sah Dinge, die ich früher, wenn sie mir erzählt worden wären, schlichtweg als ‹brutal› und ‹unglaublich› abgestempelt hätte. Die Atmosphäre war sehr poetisch und das Zusammenspiel von Domina und Gast mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Zärtlichkeit versehen. Diese erste Konfrontation mit einer SM-Session hat mich sehr bewegt und fasziniert. Ich stellte fest, dass SM weitaus mehr ist, als ‹Peitschen schwingen›. Dass die Bandbreite von SM so groß ist, hätte ich früher auch nie vermutet. Im Laufe unserer Drehzeit entstanden viele Szenen, die letztendlich ‹rausgeschnitten wurden, sonst wäre ein Epos daraus geworden.
Roland Reber:
Mich macht jeder Drehtag bei jedem Film nachdenklich. Das ist für mich normal. Ein Timeout habe ich nicht gebraucht. Ich fand die Drehtage im Studio eher meditativ-entspannend. Das mag eigenartig klingen, ist aber so. Es gibt sehr viele Szenen, die letztendlich nicht in den Film gekommen sind. Das hatte verschiedene Gründe. Der Film hätte dann zum Beispiel über drei Stunden gedauert. Es gab aber auch Szenen, die wir nicht in den Film aufgenommen haben, weil sie einen falschen Eindruck bei unvorbereiteten Zuschauern provoziert hätten.
Habt ihr wirklich einen Film über BDSM / BDSM-Szene gemacht? Oder habt ihr BDSM eher als Mittel benutzt, um besonders eindringliche, extreme Situationen herzustellen?
Mira Gittnter:
Wir haben einen Film über Menschen gemacht, die auf der Suche nach sich selbst, nach dem WARUM im Leben sind. Und in der Sexualität drückt sich diese Suche eben sehr deutlich aus. In ›24/7 THE PASSION OF LIFE‹ wird sich mit dieser Thematik auf intellektueller Ebene viel zu sehr auseinandergesetzt, als dass der Film als Mittel für eine bessere Einschaltquote im Sinne ›sex sells‹ gesehen werden kann.
Roland Reber:
Wir haben einen Film über Einsamkeit gemacht. Jeder Mensch ist im Grunde seines Seins alleine. Und er sucht einen Ausweg aus dem Alleinsein, und diese Suche nennt er Leben. Darüber spricht der Film. Es ist also kein Swinger- und auch kein BDSM-Film. Es ist ein Film über Menschen auf ihrer Suche.
Der Titel ›24/7‹ irritiert viele BDSMler. Für sie hat das Prinzip 24/7 eine eigene Bedeutung, die sich in eurem Film in Bezug auf BDSM nicht widerspiegelt. Warum habt ihr gerade diesen Titel gewählt?
Mira Gittner:
24/7 ist ja auch nicht der volle Titel des Films, der lautet ›24/7 THE PASSION OF LIFE‹, also 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche - also immer – die Passion des Lebens, die Geschichte des Leidens und Lebens, der Lust und der Leidenschaft, auf der sich der Mensch sein Leben lang – also 24/7 – befindet.
Roland Reber:
24/7 heißt für mich einfach IMMER. Und immer sind wir dem Leben ausgeliefert – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Und wir dienen einem System, einer Ordnung, die wir nicht mitentworfen haben, der wir nur meist sklavisch folgen – zwanghaft, freiwillig, selbstzensierend, wie auch immer.
Im Vorfeld wird in der BDSM-Szene lebhaft über den Film diskutiert: Man wirft euch vor, dass ihr das Thema verkannt hättet. Es wurde euch zum Beispiel der Vorwurf gemacht, ihr würdet zu wenig auf die private Szene eingehen. Wie geht ihr damit um?
Mira Gittner:
Der Film polarisiert, die einen fühlen sich authentisch dargestellt, die anderen verkannt. Dieser Film ist auch keine Dokumentation der BDSM-Szene, sei es privat oder professionell, oder der sexuellen Subkultur, sondern es ist ein Film über Menschen, und jeder davon ist individuell und lebt sein Leben und seine Sexualität individuell. Es ist unmöglich, das ganze Spektrum der menschlichen Sexualität aufzuzeigen, denn jeder lebt seine Sexualität einhundert Prozent individuell. Es gibt nicht DEN Swinger, DIE Domina, DEN BDSMer und so weiter, weil es nicht DEN Menschen gibt. Für uns war es wichtig, die jeweilige Atmosphäre authentisch wiederzugeben.
Marina Anna Eich:
Hätten wir ein oder zwei Beispiele aus der privaten Szene gewählt, würden diese auch nicht ausreichen, das Spektrum der Privat-Szene in einem Film widerzuspiegeln, und dann gäbe es auch sicherlich wieder Stimmen wie: ›Bei uns läuft das aber anders!‹. Wir einigten uns auf einen ›neutralen Ort‹, ein SM-Studio, wohl wissend, dass die private Szene weitaus größer ist als die professionelle.
Roland Reber:
Vielleicht haben diese Kritiker die Aussage des Filmes verkannt. Wie Marina sagt haben wir einen ›neutralen‹ Ort gesucht, real wie auch metaphorisch. Und haben uns deshalb für einen Projektsromraum entschieden – das SM-Studio.
Gab es bei der Suche nach Kinobetreibern auch Absagen aufgrund der Thematik?
Marina Anna Eich:
Verschiedene Kinobetreiber konnten mit der Thematik nichts anfangen. Einige fanden den Film ›zu hart‹, andere wiederum ›zu verklemmt‹, wieder andere wussten nicht, wie sie diese Thematik ihrem Publikum verkaufen sollten. Im Münchner Raum war es schwierig, ein Kino zu finden. Aber nicht nur in Bayern, wo ›24/7 THE PASSION OF LIFE‹ inzwischen in München, Nürnberg, Bamberg und Hof in die Kinos kommen wird.
Es erreichen uns viele Zuschaueranfragen aus dem Raum Hannover, weil der Film dort bis jetzt überhaupt nicht gespielt wird.
Letztendlich gab es aber über fünfundzwanzig Kinos, die in dem Film Potential sehen. Ihn spannend, die Thematik gut, politisch wichtig oder nachdenkenswert finden.
Wir werden sehen, in wie vielen Kinos und wie lange er letztendlich laufen wird. Die Nachfrage hinsichtlich der Zuschauer ist deutlich spürbar. Karten wurden bereits Wochen vor Start bestellt und es werden Busreisen zu einigen Kinos organisiert. Das freut uns natürlich sehr.
Könntet ihr euch vorstellen, das Thema BDSM in einem künftigen Film noch einmal aufzugreifen?
Marina Anna Eich:
Wir haben viele Projekte, die wir in naher Zukunft realisieren werden. So wird unser nächster Film zum Beispiel über ›Bewußtseinskontrolle‹ gehen. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass das Thema BDSM vielleicht in einem der nächsten Filme wieder angeschnitten wird.
Roland Reber:
Nicht in naher Zukunft, aber später gerne wieder. Der nächste Film ist ein hochpolitischer Wissenschaftskrimi um das Thema Mindcontrol. Viele haben uns gefragt: Warum macht ihr mit ›24/7 THE PASSION OF LIFE‹ einen Film über Perverse? All denen kann ich nur sagen: Schaut euch den Film über Bewußtseinskontrolle an und dann werdet ihr sehen, was wirklich pervers ist.
Danke für dieses Interview!
Hier findest Du Informationen zum Film: Link