Tatsächlich empfinde ich diesen Text eher als autobiografischen Bericht oder tagebuchähnliche Selbstreflexion und weniger als Geschichte. Dennoch ist er interessant, denn er rührt an ein Grunddilemma erotischer Beziehungen: die Tatsache, dass die erotischen Bedürfnisse nie deckungsgleich sind, es also immer eine Form von Differenz zwischen den beiden gibt, auch in Bezug auf das Begehren. Die Frage ist nun: Was macht man mit dieser Differenz? Klammert man sie aus dem Liebesleben aus und einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner? Oder findet man den Mut, bislang verborgen gebliebene Geheimnisse auszusprechen und damit die Chance zu eröffnen, den gemeinsamen erotischen Erfahrungsraum zu erweitern?
Du erzählst nicht, wie genau der Dom von seiner Vorliebe für blonde Frauen gesprochen hat. Doch darin läge für mich der Schlüssel für das Verständnis der weiteren Handlung. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob er gegenüber seiner brünetten Freundin lang und breit davon schwärmt, wie sexy er blonde Frauen findet und wie sehr er auf blonde Haare steht und wie ihm nur schon der Gedanke an eine Blondine das Blut zwischen die Beine treibt (der Paartherapeut Arnold Retzer würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen: "Klappe halten und aufs Meer schauen - das hat schon so manche Beziehung gerettet!") - oder ob er die später beschriebene Fantasie schildert, dass seine geliebte Sub eine Blondine züchtigt, dominiert oder Sex mit ihr hat, eine Fantasie also, in der sie im Zentrum steht und die blonde Frau nur schmückendes Beiwerk ist.
Und ja, es ist eine Form von Reife, die erotischen Fantasien des Partners, die nicht uns selbst zum Ziel haben, mit Gelassenheit aufzunehmen. Es ist aber auch weise, dem anderen diese Fantasien nicht einfach um die Ohren zu schlagen. Wie gesagt: Du erzählst nicht, wie das Gespräch genau abgelaufen ist, von daher kann ich mir als Leserin dazu gar kein Urteil bilden. Doch so, wie du das Geschehen geschildert hast, wäre ich mir keinesfalls sicher, dass der Fehler allein bei ihr lag.