Nichts ahnend verschaffe ich mir einen Überblick über neue Beiträge hier im Schattenzeilen-Forum, bevor ich mich daran mache, meinen Schreibtisch aufzuräumen … Was für ein Timing!
Zwischen, unter, neben der Hardware aus Monitor, Tastatur, Miniboxen und Scanner:
Weihnachtskarten, die beschrieben werden wollen.
Duschgel, das ich schon seit Tagen mit nach unten ins Bad nehmen will.
Handcreme (liegt beinahe auf jedem Tisch hier im Haus).
Diverse CDs mit TV-Aufnahmen, DVD-Rohlinge.
Das Packband liegt da, seit ich vor drei Tagen eine Retouresendung zugeklebt habe
CDs mit Weihnachstmusik (Nils Landgren & Quadro Nuevo), die außer mir niemand hier im Haus hören mag (dafür ich, genau jetzt – Moment, bitte!).
Der Tan-Generator fürs E-Banking.
Karten für Rotkäppchen (das Lieblingsmärchen der Wölfin!) bei den Hanauer Märchenfestspielen für den kommenden Sommer, die mein Sohn und seine Freundin zu Weihnachten bekommen werden.
Die schwarze Fleecemütze, die ich heute (sehr) früh beim Morgenspaziergang (mit dem Jagdhund!) getragen habe (also auf dem Kopf, nicht in der Hand).
Ein Räucherstövchen mit einer Mischung aus Kräutern und Harzen, die mich schon auf Sonnenwende, Weihnachten und Raunächte einstimmen.
Natürlich Papierkram: Einkaufslisten, Kalenderblätter für 2016, einige bezahlte und eine unbezahlte Rechnung, Rezept für Zimtäpfel aus dem Ofen, Zahlungsbelege, zahnärzliches Bonusheft und vieles mehr.
Helferleins: Richtiges und gutes Deutsch aus dem Hause Duden, Spizter aus dem Hause Manufaktum, Kleber aus dem Hause Uhu und vieles mehr.
Persönlicher die Schreibtischunterlage mit ihren Bildern: geliebte Menschen und Tiere (Hund, Pferd, Wolf), Leuchttürme, eine alte Ansichtskarte von der Dortmunder Westfalenhalle mit Rosenterrasse, ein Bild vom heißgeliebten Stadion mit einer strahelnden 100 darüber, also auch schon sechs Jahre alt und (viel älter) eine Karte mit Unterschrift der preußischen Herzogin Viktoria Luise.
Blick nach links aus dem Fenster: Freundlich draußen, macht den Anblick des S-Bahnhofs aber auch nicht wirklich schöner.
Blick nach vorne (über den Bildschirm) auf die Regalwand mit Büchern, Büchern, Büchern; Krimis, Fußball, Schmöker, Wölfe, ein paar Klassiker, noch mehr Schmöker, ein paar Sachbücher, Verhaltenslehre, Geschichte, Staatsrecht) und Ordnern, dazwischen: alte Kuscheltiere, CDs, der stadionerbrobte Fanschal.
Blick nach rechts auf mein Schmuckstück, einen Kleiderschrank aus den 1930erJahren, in dem sich meine Lieblingsstücke befinden (solche, die ich überall trage, und solche, die … ).
Daneben das Bett, eher eine Liege, worauf sich der Jagdhund lümmelt.
Der Schreibtisch selbst hat weder große Schubladen noch gedrechselte Beine, wohl aber Geschichte (keine, die die Welt bewegt, aber meine persönliche), denn er begleitet mich seit über 40 Jahren. Hieran habe ich Schönschreibübungen für die Grundschule gemacht, mich auf das Abitur vorbereitet und durch das Studium gequält. Meine Tagebücher habe ich mit pubertierendem Genörgel über die Eltern, meiner Verzweiflung über die Stutenbissigkeit unter den Mitschülerinnen, meiner verliebten Sehnsucht nach dem ein oder anderen Mitschüler vollgeschrieben und meinem Zorn über Gott und die Welt vollgeschrieben.
Mittlerweile hat das eigene Kind seine eigene Pubertät durchlaufen, und ich weiß nicht, wo er sich ausgenörgelt hat. Stutenbissigkeit begegnet mir noch immer – und noch immer nicht nur im Reitstall. Die Verliebtheit in einen Mitschüler beruhte (der Glücksfall meines Lebens) auf Gegenseitigkeit und ist zu etwas Großartigem herangewachsen, bei dem die Verliebtheit noch immer aufblitzt. Zorn auf Gott? Eher nicht, meine Götter meinen es gut mit mir im Großen und Ganzen. Wohl aber Zorn (sehr aktuell) auf solche Menschen, die sich auf ihren Gott berufen, um die Weltherrschaft zu erlangen und/oder Unfrieden und Terror in der Welt zu verbreiten. Wut aber auch auf die, die hierfür jahrelang die Vorarbeit geleistet haben und uns nun mit in diesen Krieg ziehen.
Tagebuch schreibe ich nicht mehr.
Inzwischen habe ich an diesem Schreibtisch unzählige Glückwunschkarten, einige Beileidskarten, viele Emails und Forenbeiträge (nicht nur hier, aber hier wohl die meisten) geschrieben. Und auch die meisten meiner Geschichten sind hier verfasst worden. Entstanden sind sie an unterschiedlichen Orten und gleichzeitig immer am gleichen Ort, nämlich in meinem Kopf.
Inzwischen steht aktuell eine Teetasse hier, den habe ich mir gerade aus der Küche geholt und dafür das Duschgel ins Bad gebracht. Die Tasse ist rot, darauf sind weiße Punkte, die Bremer Stadtmusikanten und die Worte „Freunde auf ewig“; gefüllt ist sie mit einem weihnachtlichen Früchtetee mit Mandelstücken, Zimt und eben Früchten.
Lesen tue ich hier nicht (außer auf dem Bildschirm, wo Lesen dann häufig eben auch Lektorieren ist). Für das Lesen nur für mich und nur zum Vergnügen (was das Lektorieren zwar sein kann, aber nicht immer ist) hält das Haus andere Plätze bereit: Das geliebte Sofa oder den Ohrensessel mit Hocker direkt am Kamin, wo dann auch gerne mit der nicht durch die Lektüre besetzten, freien Hand das Klischee bedient und der Jagdhund gekrault wird. Im Bett konkurrieren die Bücher mit dem iPod und den Hörbüchern darauf. So bleiben die Hände schön warm (denn das Fenster ist Sommer wie Winter offen), ich kann das Licht löschen und wunderbar einschlafen, während ich mir Bücher vorlesen lasse, deren Spieldauer sich gleichzeitig vervielfacht, weil ich immer wieder zurückspringen muss.
Apropos hören: Nils Landgren musste nun Adele Platz machen, deren neues Album mich seit seinem Erscheinen begeistert.
Der Tee ist ausgetrunken.
Glühwein, lieber Söldner, wäre nur eine Option, wenn ich endlich ein überzeugendes Rezept dafür hätte, Noch kein Glühwein, den es fertig zu kaufen gibt, hat es geschafft, mich zu überzeugen. Also trinke ich mir den Fertig-Glühwein immer schön, indem ich ihn mit Obstbränden strecke, die man pur nicht trinken kann. Aber nicht um diese Uhrzeit.
Also warte ich noch, bis später das Feuer im Kamin an ist, und nehme dann einen Whisky, den Nachtasou schon ins Spiel gebracht hat, proste ihm ihn Gedanken und dankend dafür zu, dass er diesen wunderbaren Thread ins Leben gerufen hat.
Wölfin,
weil „Frauen schreiben überhaupt nicht“
PS: Eine letzte Frage muss erlaubt sein: Wo werden bei einem ärmellosen Bekleidungsstück die Ellenbogenschoner angenäht?