»Sockenpuppen« von Hans Bergmann
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»Sockenpuppen«
von Hans Bergmann
Neulich, Edwin und ich liefen Marathon, und dabei hatten wir ein wenig Zeit, plauderten im schnellen Dauerlauf bei einer Tasse Kaffee über Sockenpuppen. Edwin sagte mir, dass er schwer auf einer Internetzplattform zugange ist, wo sich viele Leute mit Namen wie Subbiedevie oder DomXXX tummeln. Er meinte, dass es wichtig wäre, sich von neuer Technik nicht abhängen zulassen, denn das hat Vorteile, weil er im Netz alles sein kann, was er will.
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Also, lieber Puppenspieler, da hast du tief in die Spielzugkiste mit den Wortspielen gegriffen. Ein paar Mal habe ich herzhaft gelacht, ist dir gut gelungen. Ich fand es schön, aber von den Socken war ich nicht (nur um ein bisschen mitzuspielen). Meine Sockenpuppen oder lieber doch Marionetten, da sind nämlich Fäden im Spiel, tanzen auf der Bühne der Geschichten und das reicht mir. Aber auch beim BDSM-Vergnügen geht es ja viel um Rollen, Szenarien, ausprobieren. Und ja, vielleicht hast du recht, machen sich diese Hirngespinste auch ein wenig selbständig und üben Einfluss auf Beziehung und Charakter aus. Aber ist es nicht gerade das, was in einer durchkategorisierten und formatieren Welt einen gewissen Reiz ausmacht?
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Lustig geschrieben, Hans. Doch Sockenpuppen sind manipulativ. Hast du Sockenpuppen, bist du nicht einmal, sondern mehrfach in einem Forum. Du kannst mit Sockenpuppen Stimmung machen. Du kannst eigene Meinungen durch scheinbar verschiedene Nutzer stützen. Viel steht zum Thema unter Netzkultur bei der Wiki. Wer Sockenpuppen nötig hat, ist eine arme Socke. Gesellschaftlich durch die unsaubere Art seiner Meinungsmache, privat vermutlich durch eine leichte dissoziative Identitätsstörung.
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Bester Hans,
aus dem ersten Impuls heraus hätte ich geantwortet:
Jedermanns Lebenszeit ist bemessen und zu knapp. Auf eine Sockensammlung zurückzublicken, ohne im eigenen Pelz unterwegs gewesen zu sein, käme mir wie Verschwendung und Kasperei vor.
Das Thema, Hans, ist abgenudelt und von gestern, glaub ich. Wie bei jeder neuen Technik ist die Erstgeneration auf die verführerischen Freiheiten reingefallen. Sie stirbt schon aus. Und die Nachfolgenden nutzen es einfach so, wofür es gemacht ist. Wie Auto- und Bahnfahren, Telefonieren und Telekinese *g.
Mein Nachgedanke: Auch beim Schreiben und beim Schauspiel lockt vielleicht weiterhin der Reiz, in Rollen zu schlüpfen, ganz einfach, weil die Phantasie immer wieder neu entdeckt wird. Aber dort ist das So-Als-Ob Teil des Deals und keine Vortäuschung. Das ist ein Unterschied wie zwischen Kunst und künstlich.
Deine Phantasie jedenfalls erinnert mich manchmal an Schaumwein. (Daumen hoch!)
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Das hat mich jetzt wirklich amüsiert. Ich erspare mir den erhobenen Zeigefinger bez. Gefahr im Netz, denn wir sind mittlerweile bis zum Umfallen aufgeklärt worden. Ich fände den über 90jährige Marathonläufer und Multitasking-Lustspecht genial. Das nenne ich Gehirntraining! Nix da mit Demenz.
Meine Sockenpuppen sind übrigends im Kopf und die geben wirklich Gas. Dann muss ich sie manchmal in die Schublade legen, weil sonst mein Kopf implodiert. Nur Herr und Herrin Dom-Sockenpuppen streiten ständig um das Vorrecht, vier Subbie-Sockenpuppen benutzen zu dürfen. Die Subbie-Sockenpuppen liefern sich ebenfalls einen Zickenkrieg sondergleichen, bis Herr und Herrin Sockenpuppen wieder für Zucht und Ordnung sorgen.
Mann, da gehts zu in meiner Schublade! Unlängst musste eine Sockenpuppe gestopft werden. Wenn dann das Gekeife aus der Schublade zu auffällig wird, verschwinden sie wieder in meinem Kopf.
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Ich bin genau ein Mal. Das ist so in der realen Welt. Hier lebe ich eine Anzahl von Jahren und das war es. Klar, mein Name ist in der realen Welt auch nicht Söldner, hier geht es schon los mit der Sockenpuppenwahrhaftigkeit.
Wenn ich nun als mittelalter Mann dominanter Neigung ein Buch mit Geschichten aus der Sicht einer zwanzigjährigen Sub schreiben möchte, fragt mich der Verlag, ob ich noch alle Latten am Zaun habe. Die Stücke werden vom Leser bestenfalls als Fantasien eines kreativen, älteren Herren wahrgenommen. Das ist so, auch wenn ich in die Figur einsteige und sie authentisch darstelle. Geschichten einer zwanzigjährigen Sub schreibt eine zwanzigjährige Sub, oder eine ältere Sub im Rückblick. Also gibt es ein umgebautes Foto, einen netten Lebenslauf und die Sockenpuppe ist fertig.
Künstlerisch wird über Pseudonyme (Sockenpuppen) überhaupt nicht diskutiert (sh. Nachtasou - Teil des Deals). Unter Journalisten und Autoren ist das Praxis. Man muss damit nur umgehen können und nicht durcheinanderkommen, wenn man unter mehreren Pseudonymen schreibt.
Weg vom künstlerischen Bereich. Es gibt Sockenpuppen, die ich kritischer sehe, wie multiple Personen, die sich im Netz ausleben. Noch kritischer werte ich kommerzielle Existenzen, ein Beispiel sind alte Männer, die sich als Internetdomina ausgeben.
Übel empfinde ich Meinungsmache, bei denen Sockenpuppen mit demagogischen Zielen eingesetzt werden.
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War dass nicht Tucholsky, der fünf Pseudonyme hatte?
Und das schon Anfang des 20 Jhd. Es könnte sein, dass der gute Kurt damit der Erfinder der Sockenpuppe ist.
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Danke Hans,
das mit den Sockenpuppen gefällt mir, auch wenn mir der Begriff erst nicht so ganz geläufig war und ich mal wieder Tante Google bemühen musste - ja, jetzt merkt wieder mal jeder, daß ich nicht mehr der Jüngste bin und nunmal schon erwachsen war als das Internet seinen Siegeszug begann.
Schon klar, auch ich verstecke mich hinter Wodin und agiere aus dem Hinterhalt und ja, woanders benutze ich auch andere Nicks. Und wer sucht, kann mich sogar anderswo als Wodin finden, doch vorsicht, nicht immer steckt der Gleiche dahinter. Aber auf ein und derselben Platform mit mehreren Zungen zu sprechen... warum? wozu? was hab ich davon?
Doch auch wenn es sich eigentlich nicht gehört, hier oder anderswo den Puppenspieler zu geben, seien wir uns zumindest bewusst, daß das einfach ein Teil der Realität im Interet ist und sich überall Sockenpuppen tummeln.
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Ja, Ironie ist auch ein Gestaltungsmittel. Kann bei diesem Thema leicht in Sarkasmus abrutschen. Erinnert mich irgendwie an die "Waschmaschinentragödie" von Stanislaw Lem
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