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Sockenpuppen

Neulich, Edwin und ich liefen Marathon, und dabei hatten wir ein wenig Zeit, plauderten im schnellen Dauerlauf bei einer Tasse Kaffee über Sockenpuppen. Edwin sagte mir, dass er schwer auf einer Internetzplattform zugange ist, wo sich viele Leute mit Namen wie Subbiedevie oder DomXXX tummeln. Er meinte, dass es wichtig wäre, sich von neuer Technik nicht abhängen zulassen, denn das hat Vorteile, weil er im Netz alles sein kann, was er will.

Ein Blogbeitrag von Hans Bergmann.

  • Info: Veröffentlicht am 28.10.2019 in der Rubrik Gedacht.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

  • Inhalt: Blogbeiträge bilden die Meinung der Autorin oder des Autors ab.

Neulich, Edwin und ich liefen Marathon, und dabei hatten wir ein wenig Zeit, plauderten im schnellen Dauerlauf bei einer Tasse Kaffee über Sockenpuppen, und Edwin, der zweiundneunzig Jahre alt ist, sagte mir, dass er schwer auf einer Internetzplattform, die sich Zentrale oder Club oder so ähnlich nennt, zugange ist, wo sich viele Leute mit Namen wie »Subbiedevie« oder »DomXXX« tummeln. Edwin meinte, dass es wichtig wäre, sich von neuer Technik nicht abhängen zulassen, auch in diesem Internetz nicht, denn das hat Vorteile, weil er im Netz alles sein kann, was er will, und das findet er stark, weil Frauke, die Angestellte im Haus, wo er betreut wohnt, immer Chefin spielt und sagt, dass er aufräumen soll, was Edwin abartig findet und aus Rache die Frauke versockenpuppt als knallharte »Herrin Xenia« auf der Internetzplattform gespiegelt hat, sozusagen in ihre Existenz schlüpfte und sie digital zum Leben erweckte. Nun brauchte aber die »Herrin Xenia« noch eine passende Ergänzung, was Edwin dazu bewegte, einen »Walter Wehrlos« zu basteln, der sich von »Herrin Xenia« runtermachen ließ und ihr unterwürfig nach dem Mund redete. Damit besaß Edwin zwei Sockenpuppen.

Das Problem, sagte Edwin, bestand nun darin, dass er mit seinen beiden Sockenpuppen am Ziel vorbeischoss, weil Frauke sowohl in seinem realen Leben, als auch im Internetz als »Herrin Xenia« weiterhin den Hut aufhatte und eigentlich wollte er ihr doch zeigen, was ein richtiger Kerl ist, und deshalb hat er sich als »Herr Kules« eine dritte Sockenpuppe mit dominanter Rolle geschaffen. Auf die Dominanz seines »Herr Kules« sprang »Herrin Xenia« aber nicht an, also brauchte er eine weitere, diesmal submissive Sockenpuppe für den »Herr Kules«, die er sich mit »Brava Folgsam« erfand. Dadurch besaß Edwin vier Sockenpuppen, die plötzlich Eigendynamik entwickelten, lebten, zu Edwins Entsetzen begannen, miteinander zu streiten. Er musste erneut eingreifen, indem er den »Korrektor« schuf, mit dem er seitdem vermittelnd auf seine anderen Sockenpuppen einwirkt.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Gelöscht.

15.03.2021 um 13:59 Uhr

Ja, Ironie ist auch ein Gestaltungsmittel. Kann bei diesem Thema leicht in Sarkasmus abrutschen. Erinnert mich irgendwie an die "Waschmaschinentragödie" von Stanislaw Lem

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16.12.2020 um 15:49 Uhr

Super! Ich hoffe, ich kann in dem Alter auch noch so mithalten, wenigstens Sockenpuppen technisch.

Habe herzhaft gelacht!

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Wodin

Autor. Förderer.

09.06.2020 um 02:30 Uhr

Danke Hans,

das mit den Sockenpuppen gefällt mir, auch wenn mir der Begriff erst nicht so ganz geläufig war und ich mal wieder Tante Google bemühen musste - ja, jetzt merkt wieder mal jeder, daß ich nicht mehr der Jüngste bin und nunmal schon erwachsen war als das Internet seinen Siegeszug begann.

Schon klar, auch ich verstecke mich hinter Wodin und agiere aus dem Hinterhalt und ja, woanders benutze ich auch andere Nicks. Und wer sucht, kann mich sogar anderswo als Wodin finden, doch vorsicht, nicht immer steckt der Gleiche dahinter. Aber auf ein und derselben Platform mit mehreren Zungen zu sprechen... warum? wozu? was hab ich davon?

Doch auch wenn es sich eigentlich nicht gehört, hier oder anderswo den Puppenspieler zu geben, seien wir uns zumindest bewusst, daß das einfach ein Teil der Realität im Interet ist und sich überall Sockenpuppen tummeln.

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hanne lotte

Autorin. Förderer.

22.01.2020 um 18:50 Uhr

War dass nicht Tucholsky, der fünf Pseudonyme hatte?

 

Und das schon Anfang des 20 Jhd. Es könnte sein, dass der gute Kurt damit der Erfinder der Sockenpuppe ist.

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Söldner

Autor. Korrektor.

22.01.2020 um 16:46 Uhr

Ich bin genau ein Mal. Das ist so in der realen Welt. Hier lebe ich eine Anzahl von Jahren und das war es. Klar, mein Name ist in der realen Welt auch nicht Söldner, hier geht es schon los mit der Sockenpuppenwahrhaftigkeit.

 

Wenn ich nun als mittelalter Mann dominanter Neigung ein Buch mit Geschichten aus der Sicht einer zwanzigjährigen Sub schreiben möchte, fragt mich der Verlag, ob ich noch alle Latten am Zaun habe. Die Stücke werden vom Leser bestenfalls als Fantasien eines kreativen, älteren Herren wahrgenommen. Das ist so, auch wenn ich in die Figur einsteige und sie authentisch darstelle. Geschichten einer zwanzigjährigen Sub schreibt eine zwanzigjährige Sub, oder eine ältere Sub im Rückblick. Also gibt es ein umgebautes Foto, einen netten Lebenslauf und die Sockenpuppe ist fertig.

 

Künstlerisch wird über Pseudonyme (Sockenpuppen) überhaupt nicht diskutiert (sh. Nachtasou - Teil des Deals). Unter Journalisten und Autoren ist das Praxis. Man muss damit nur umgehen können und nicht durcheinanderkommen, wenn man unter mehreren Pseudonymen schreibt.

 

Weg vom künstlerischen Bereich. Es gibt Sockenpuppen, die ich kritischer sehe, wie multiple Personen, die sich im Netz ausleben. Noch kritischer werte ich kommerzielle Existenzen, ein Beispiel sind alte Männer, die sich als Internetdomina ausgeben.

Übel empfinde ich Meinungsmache, bei denen Sockenpuppen mit demagogischen Zielen eingesetzt werden.

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Onmymind

Autorin.

22.01.2020 um 07:58 Uhr

Das hat mich jetzt wirklich amüsiert. Ich erspare mir den erhobenen Zeigefinger bez. Gefahr im Netz, denn wir sind mittlerweile bis zum Umfallen aufgeklärt worden. Ich fände den über 90jährige Marathonläufer und Multitasking-Lustspecht genial. Das nenne ich Gehirntraining! Nix da mit Demenz.

Meine Sockenpuppen sind übrigends im Kopf und die geben wirklich Gas. Dann muss ich sie manchmal in die Schublade legen, weil sonst mein Kopf implodiert. Nur Herr und Herrin Dom-Sockenpuppen streiten ständig um das Vorrecht, vier Subbie-Sockenpuppen benutzen zu dürfen. Die Subbie-Sockenpuppen liefern sich ebenfalls einen Zickenkrieg sondergleichen, bis Herr und Herrin Sockenpuppen wieder für Zucht und Ordnung sorgen.

Mann, da gehts zu in meiner Schublade! Unlängst musste eine Sockenpuppe gestopft werden. Wenn dann das Gekeife aus der Schublade zu auffällig wird, verschwinden sie wieder in meinem Kopf.

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Nachtasou

Autor. Korrektor.

29.10.2019 um 23:29 Uhr

Bester Hans,

aus dem ersten Impuls heraus hätte ich geantwortet:

Jedermanns Lebenszeit ist bemessen und zu knapp. Auf eine Sockensammlung zurückzublicken, ohne im eigenen Pelz unterwegs gewesen zu sein, käme mir wie Verschwendung und Kasperei vor.

Das Thema, Hans, ist abgenudelt und von gestern, glaub ich. Wie bei jeder neuen Technik ist die Erstgeneration auf die verführerischen Freiheiten reingefallen. Sie stirbt schon aus. Und die Nachfolgenden nutzen es einfach so, wofür es gemacht ist. Wie Auto- und Bahnfahren, Telefonieren und Telekinese *g.

 

Mein Nachgedanke: Auch beim Schreiben und beim Schauspiel lockt vielleicht weiterhin der Reiz, in Rollen zu schlüpfen, ganz einfach, weil die Phantasie immer wieder neu entdeckt wird. Aber dort ist das So-Als-Ob Teil des Deals und keine Vortäuschung. Das ist ein Unterschied wie zwischen Kunst und künstlich.

Deine Phantasie jedenfalls erinnert mich manchmal an Schaumwein. (Daumen hoch!)

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Hekate

Autorin.

28.10.2019 um 13:10 Uhr

Lustig geschrieben, Hans. Doch Sockenpuppen sind manipulativ. Hast du Sockenpuppen, bist du nicht einmal, sondern mehrfach in einem Forum. Du kannst mit Sockenpuppen Stimmung machen. Du kannst eigene Meinungen durch scheinbar verschiedene Nutzer stützen. Viel steht zum Thema unter Netzkultur bei der Wiki. Wer Sockenpuppen nötig hat, ist eine arme Socke. Gesellschaftlich durch die unsaubere Art seiner Meinungsmache, privat vermutlich durch eine leichte dissoziative Identitätsstörung.

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Tek Wolf

Autor. Förderer.

28.10.2019 um 09:24 Uhr

Also, lieber Puppenspieler, da hast du tief in die Spielzugkiste mit den Wortspielen gegriffen. Ein paar Mal habe ich herzhaft gelacht, ist dir gut gelungen. Ich fand es schön, aber von den Socken war ich nicht (nur um ein bisschen mitzuspielen). Meine Sockenpuppen oder lieber doch Marionetten, da sind nämlich Fäden im Spiel, tanzen auf der Bühne der Geschichten und das reicht mir. Aber auch beim BDSM-Vergnügen geht es ja viel um Rollen, Szenarien, ausprobieren. Und ja, vielleicht hast du recht, machen sich diese Hirngespinste auch ein wenig selbständig und üben Einfluss auf Beziehung und Charakter aus. Aber ist es nicht gerade das, was in einer durchkategorisierten und formatieren Welt einen gewissen Reiz ausmacht?

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