Bester Bergmann,
ich find wie poet auch, dass Du etwas flach geblieben bist *g. Okay, ein verdaddeltes Date mag ein netter Aufhänger für´s Aneinander-Vorbei-Leben sein. Ab wo ist Deine Position? Das hört sich dann an wie: Hilfe, ich bin zu dick, und daran ist die herumliegende Schokolade schuld.
Ich gehe mal vom Wort „Medium“ selbst aus. Ein Medium macht gar nichts. Schon gar nicht bestimmt es die Inhalte. Es ist wie die Brücke über einen Fluss, der zwei Ufer verbindet. Je nach Bauweise der Brücke können Züge, Fußgänger, Wasserrohre, u.ä. darüber geleitet werden. Ein Telefonkabel ist nicht sozial. Sozial wird ein Medium in schnoddriger Denkweise erst dadurch, von wem und wie es genutzt wird. Es kann also auch ´unsozial´ werden. Es ist ein Werkzeug, mehr nicht.
Dann wundert mich die aktuelle Aufregung, Facebook z.B. fördere Aggressivität. Stelle tausend Leute mehrere Wochen auf einen Marktplatz und irgendwann schlagen sie sich dort auch. Dafür ist weder der Marktplatz noch das Medium verantwortlich. Medien legen nur etwas offen, oder ermöglichen etwas, das schon da ist, oder schlummert. Das sind eventuell der zeitversetzte, entfernte und anononyme Austausch, der etwas offenbart, was sonst eher nicht aneinander gerät. Zum Beispiel dann nicht, wenn zwei Nachbarn, jeder in seiner Küche sitzend, übereinander lästern.
Die Welt ist ohne Medien nicht weniger sozial oder unsozial. Es wird nur sichtbarer.
Es war abzusehen, dass ´das Internet´, das so hehr und illusionär startete und über Jahre auch war, vergammelt. Schon Rom hat es mit Brot-und-Spiele vorgemacht. Desto ungestörter können die Lebensverhältnisse vom Spielfeldrand her eingerichtet werden. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine geschichtliche Binsenweisheit.
Ich bin aber kein Kulturpessimist. Meine Beobachtung ist, dass die aktuell junge Generation dem „Suchtcharakter“ der Medien weniger verfällt, das ist eher ein Phänomen der Übergangsgeneration. Die Jungen, die ich kenne, fahren lieber auf Live-Konzerte; nutzen Spotify nebenher; nutzen Whatsapp, Threema und Konsorten nur aus praktischen Gründen und treffen sich lieber. Die Epidemie-Zeiten haben das noch mal verdeutlicht.
Brot-und-Spiele wurden gespendet, von denen, die sich die Hände rieben. Das ist ein Schicht-Phänomen, wer wie womit seine Lebenszeit verbringt. Erschreckend find ich inzwischen die Selbst-Versklavung. Das stellt alle politischen Ideologien auf den Kopf und man kann alles vergessen, was in den letzten 150 auf diesen Gebieten erarbeitet worden ist. (Bis auf Nietzsche vielleicht *g, was gruselig genug ist.)
Was noch zu erwähnen ist, ist die technische Faszination. Wem wie mir das Kofferradio und die Kurzwelle noch einen Blick aus dem begrenzten Horizont eines ´Dorfes´ wie ein Fenster in die Welt war, mussten die neuen Medien anfangs wie ein Technik-Wunder erscheinen. Der Sammler-und-Jäger-Mentalität bin ich auch erlegen. Das betraf Ton+Bild bis zum Abwinken. Wie gesagt, das ist ein Phänomen der Übergangsgeneration, zu der ich gehöre.
Es bleibt aber reine Unterhaltung. Für Bildung braucht´s kein Excel, Powerpoint, E-learning und für Diskurs keine Medien, sondern nur Nähe, Stimme und Beziehung. Eine Vorlesung in Fleisch und Blut ist durch Youtube auch nicht ersetzbar, höchstens fürs Repetitorium oder so etwas. Ich glaub, da schmieren die Hersteller unsere Kulturbeamten. Pädagogen werden eventuell einfach nicht gefragt. Es gibt halt Bereiche, wo jeder meint, Bescheid zu wissen. Wenn Bildungsoffensiven sich in EDV-Ausstattungen erschöpfen, dann geht im Abendland tatsächlich die Sonne unter *g. Eine Fremdsprache, Mathematik oder ein Instrument zu erlernen macht Mühe, und das bleibt noch eine Weile so, da helfen auch keine noch so schnellen Prozessoren drüber hinweg.
Die Schattenzeilen gehören auch zu den sozialen Medien. Und auch daran erkennt man, dass nicht das Medium an sich darüber bestimmt, was wie läuft. Wie gesagt, Medien sind Brücken. Der Verkehr auf den Brücken ist ein ganz anderes Thema. Und da sind wir ja eigentlich frei zu entscheiden, Möglichkeiten zu gebrauchen, ohne in den Missbrauch abzugleiten. Ist wie bei Schokolade. Aber ein Date zu verdaddeln, das wäre schon oberdämlich, bester Hans, und reine Fiktion, das glaub ich Dir einfach nicht *lacht*