Beste Ronja,
auch ich habe Deinen Text mit Genuss gelesen.
Du hast den Schwerpunkt auf die Stimmung und Valeries Ambivalenz in der Entscheidung gelegt.
Gelungen find ich die Rahmengeschichte; warum, hat Söldner schon geschrieben.
Auf die Bühne zu treten enthält eine Unausweichlichkeit und davor das Lampenfieber. Es ist wie ein Tunnelspiel, das unter Beobachtung stattfindet, und einen auf sich selbst zurückwirft. Während Valerie das Singen jedoch beherrscht, wagt sie sich im Wald auf Neuland vor. Die beiden Stränge laufen am Ende zusammen, weil sie sich am Ende der Aufführung entscheidet, Ansgar wiederzusehen. Somit hat die Geschichte einen Anfang und ein Ende für den Leser. Für Valerie ist es dagegen der Ausblick auf Kommendes.
Was nun folgt, ist keine Kritik, sondern ein paar Ideen, die ich zur Gestaltung Deiner Geschichte hatte. Das sind Geschmacksfragen, die jeder anders sehen mag. Ich teile sie dennoch mal mit:
Ich fand das Geschehen auf der Bühne sehr unmittelbar, obwohl dort gar nicht so viele Stimmungen beschrieben werden, und habe gesucht, worin sich die eingerahmte Haupthandlung darin unterscheidet. Es ist wohl das Präsens der Rahmenhandlung. Das Licht der Scheinwerfer … ich meine fast ihre Wärme zu spüren. Das Geschehen im Wald dagegen geht auf Distanz. Vielleicht, weil die Vergangenheitsform und die Erzählperspektive (3. Person, allwissend) Stimmungen benennt, aber nicht ausführt. An einigen Stellen fragte ich mich: Wie denkt Valerie?
Die Ästchen, die in ihre Knie drücken sind dagegen unmittelbar sinnlich und ich als Leser spüre deren Auswirkung auf die Stimmung, so dass sie selbst gar nicht mehr benannt werden muss. Vielleicht fällt mir das auch nur auf, weil sehr viele Stimmungen im Haupttext etikettiert werden. Eine echte Ambivalenz der Gefühle hat sich bei mir nicht eingestellt. Valeries Erregung dagegen ist wieder unmittelbar und bedarf gar keiner Gefühlsbenennungen.
Ich habe mir überlegt, wie es wäre, wenn auch der Hauptteil im Präsens stünde, oder in Ich-Form geschrieben. Bin aber noch nicht weitergekommen.
Ein Gefühl zu benennen ist eine „cold emotion“. Bei Angst funktioniert das noch ganz gut, weil sie so geläufig ist. Aber bei Sehnen? Zu sagen, jemand sei geil wirkt völlig ungeil. Das ist, als stünde auf einem T-Shirt die Aufschrift „T-Shirt“. Nein, da steht drauf: XXL, Baumwolle, Indien oder so.
Dass sich Valerie, mal alle Gefühligkeiten beiseite lassend, in einem Wald von einem Sadisten fesseln lässt, muss wahnsinnig hoch motiviert gewesen sein. Gegen alle Vernunft und Einwände klettert sie über den Zaun, der sich innerlich vor ihr auftut. Welches ihr Motiv das ist, hast Du umschifft in Deinem Text. Das ist okay. Man kann es sich denken. Und diese Unausgesprochenheit wirkt emotional stärker als vieles.
Ich komme nur darauf, weil sich diese 3. Person/allwissend als Erzähler in meinen Ohren immer antiquiert anhört, wie mit Stehkragen. (Aber ich nutze sie selbst auch, weil die subjektiven Erzählperspektiven gar nicht immer möglich sind).
Ich wünsche Dir weiterhin so gute Ideen wie in dieser Geschichte