Mit drei Fragen möchte ich beginnen:
- Was ist Nähe? Ganz konkret: Wann fühlt Ihr Euch einem anderen Menschen nah?
- Ist NÄHE in Bezug auf Euer BDSM-Erleben ein besonderes Thema? Inwiefern?
- Sehnt Ihr Euch nach Nähe oder fürchtet Ihr sie? Ist SM und / oder DS für Euch ein Mittel, jemandem besonders nahezukommen? Oder ist es im Gegenteil eine Methode, Distanz zu wahren und Nähe eben nicht erleben zu müssen?
- Nähe ist an sich die Bezeichnung eines nur geringen Abstands, ursprünglich ein Begriff der physischen Welt. Bei dem man leicht sehen und sagen kann, was »nahe« beieinander steht und was eher ferne liegt.
Das haben wir aufs Zwischenmenschliche übertragen - und hier geraten die Bedeutungen schillernd. Die meisten verstehen Nähe als liebevolle Nähe, als vertrauensvolles Miteinander: das Gegenüber ist nicht Gegner, sondern Freund, Liebender, Schützender. Man fühlt sich nah, wo man sich zeigen kann, wie man gerade ist und nichts befürchten muss.
Für mich ist das Vertrauen eher der Rahmen, in dem Nähe stattfinden kann. Doch geht Nähe auch spontan, mit Fremden, ohne lange Vorgeschichte und sogar ohne Vertrauen: ein Blick, ein Erkennen, man weiß, man hat dasselbe im Kopf oder im Sinn. Flirten ist so ein Aufblitzen dieser Nähe: man hat einander als Begehrende erkannt.
Zwischenmenschliche Nähe ist für mich immer dann gegeben, wenn jeder vom Anderen weiß, was er oder sie gerade fühlt oder denkt - und man voneinander weiß, dass man es weiß.
Nähe und SM
In Bezug auf BDSM las ich in einer Selbstdarstellung mal den Satz »Du schlägst mich und mit jedem Schlag fühle ich mich Dir näher« - und war verwundert. Denn »Nähe« würde ich in einer solchen Szene nur erleben, solange das Schlagen kommunikativ ist, mir Top damit also etwas sagen oder zeigen will. Also so lange wir reden, uns einander herausfordern, eine lustvolle Kontroverse inszenieren. Werden die sinnlichen Eindrücke allerdings heftiger, dann gerät die personale Ebene eher aus dem Blick. Sub versinkt in den intensiven Empfindungen, konzentriert sich aufs Spüren und »Schmerz erotisieren« - und entfernt sich innerlich eher vom Gegenüber, wenn auch lustvoll.
Eine gute Session zeichnet sich für mich dadurch aus, dass Top zum einen meditative Phasen des »nach innen Gehens« zulässt, andrerseits Sub aber auch immer wieder zurückholt, wach macht, an sich erinnert. Ein Wechselspiel also, das die Aufmerksamkeit zwischen mehreren Dimensionen switchen lässt - wunderbar!
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11.11.2024 um 23:49 Uhr
Hallo Clu,
Du schreibst
„Doch geht Nähe auch spontan, mit Fremden, ohne lange Vorgeschichte und sogar ohne Vertrauen: ein Blick, ein Erkennen, man weiß, man hat dasselbe im Kopf oder im Sinn. Flirten ist so ein Aufblitzen dieser Nähe: man hat einander als Begehrende erkannt“
Das sehe ich nicht so. Die von Dir beschriebene Situation des Flirtens hat für mich absolut nichts mit Nähe zu tun. Man sieht, spürt vielleicht, dass man mit dem anderen in irgendeiner Weise möglicherweise auf gleicher Wellenlänge schwimmt, aber das ist nach meinem Dafürhalten keine Nähe, zumindest nicht für mich, so wie ich sie definiere.
In weiten Teilen bin ich bei dem Beitrag von Poet. Man kann alles irgendwie zerreden. Und weiß im Moment nicht so recht, ob Dein Beitrag tatsächlich konkrete Überlegungen, für mich auch beantwortbare Fragen beinhaltet und wenn ja, welche. Ich versuch’s trotzdem mal.
Ich lese viele Überlegungen, hin und her gewälzt, größtenteils nachvollziehbar, ja, viele wahre Worte und trotzdem kann ich so recht nichts damit anfangen. Man sagt von mir, hält mir teilweise auch vor, dass ich immer alles hinterfragen müsste. Dass ich alles planen müsse und mich nicht einfach so mal gehen lassen könnte. Daher kann ich solche Gedankengänge grundsätzlich schon irgendwie verstehen, glaube ich zumindest.
Du fragst:
„Was ist Nähe? Ganz konkret: Wann fühlt Ihr Euch einem anderen Menschen nah?“
Ich fühle mich meinem Partner immer nah, die Situationen variieren, aber es ist zum einen immer das gemeinsame Erleben von was auch immer, nicht nur SM, sondern auch der gemeinsame Urlaub, Konzerte, ein Theaterbesuch, ein Spaziergang, …..
Zum andern ist es die Sehnsucht nach ihm, wenn der Partner mal nicht da ist, auf Dienstreise zum Beispiel. Wir haben allerdings schon eine besondere Beziehung, so glauben wir zumindest. Wir kleben - so sagt unser Umfeld - seit mittlerweile 30Jahren aneinander, haben beruflich über viele Jahre dasselbe Büro geteilt, saßen uns gegenüber, 24/7 sozusagen an 52 Wochen im Jahr. Die allermeisten sagen, soviel Nähe könnten sie auf Dauer nicht ertragen. Wir schon, und daher taugen wir vielleicht auch nicht gerade als Paradebeispiel.
Du schreibst auch
„Wie kann, wenn man sich liebt, noch die nötige Distanz aufgebaut werden, um Sub ... zu behandeln, wie es zu einer gelingenden Session gehört“
Gegenfrage: Wieso benötige ich Distanz, um …? Ganz im Gegenteil. Da halte ich es 100%ig mit Volker: „Für mich ist Nähe besonders im Hinblick auf mein BDSM-Erleben sehr wichtig. …. Für mich ist es dann so etwas wie ein gemeinsames Erleben.“
Ich könnte niemals mit emotionaler Distanz, die man bspw. mit einem Fremden sozusagen automatisch hätte, eine SM-Session durchführen. Mein Gegenüber muss mir vertraut sein und gerade bei evtl. etwas heikleren Dingen brauche ich das unbedingte Vertrauen, dass meiner Meinung nach doch nur durch Nähe entstehen kann.
Die weiteren von Dir gestellten Fragen kann ich natürlich auch nur aus meiner Perspektive beantworten:
„Können erotisch dominante Menschen keine Nähe zulassen?"
Selbstverständlich schon. Siehe oben. Wenn es sich nicht nur um eine sogenannte Spielbeziehung handelt, wo man normalerweise keine tiefergehenden Gefühle zueinander hegt, ist die Nähe innerhalb der Beziehung nach meinem Dafürhalten einer der Grundpfeiler für ein gegenseitig befriedigendes Erlebnis. Nur wenn mein Partner sich voller Vertrauen hingeben und fallen lassen kann, wird es für ihn eine schöne Erfahrung. Und wenn ich sehe und höre, wie die Schmerzen, die ich ihm zufüge, seine Erregung und sein Verlangen nach mehr steigert, er sich mir völlig ausliefert, dann
„Ist zunehmende Nähe ein Problem für eine SM-Beziehung?“
eben keine Frage mehr, sondern ganz im Gegenteil Voraussetzung. Wenn man den Partner oder die Partnerin kennt, seine bzw. ihre Regungen sicher zu deuten weiß, schafft das die Basis für ein verbindendes Erlebnis.
Jemand, dem die Gefühle seines Gegenübers - weil zuviel Distanz vorhanden - im schlimmsten Fall völlig egal sind, den erkennbar negative Reaktionen nicht aufhalten, weil er sie nicht erkennt oder sogar entsprechende Signale absichtlich ignoriert, weil keine Beziehung, eben keine Nähe vorhanden, der oder die bewegt sich dann aber auch nicht mehr im BDSM-Bereich, sondern geht eher in die Richtung pathologischer Sadismus.
Daher ist für mich, für uns als Paar Distanz, in welcher Form und wobei auch immer, weder hilfreich geschweige denn "nötig".
An etlichen Stellen Deiner Ausführung schreibst Du Sätze wie z.B. "Nach meiner Erfahrung" und vergleichbares, berichtest also über Erlebnisse aus Deiner ganz persönlichen Vergangenheit und was diese für Auswirkungen auf Dein jetziges Erleben haben. Daran gibt es auch absolut nichts zu kritisieren.
Was mich dann aber dennoch an Deiner Ausführung irritiert, ist, dass Du trotzdem vieles so schreibst, als wären es objektive, völlig logische Herleitungen und daraus schlussfolgerst, dass diese nun für alle anderen genauso gültig seien, sein müssen. Formulierungen, die einen Absolutheitsanspruch beinhalten wie bspw.
"Viele negieren diesen Aspekt in Liebesbeziehungen, .... Das Gegenteil ist richtig:"
"ist es dann auch kein Problem mehr, die nötige Distanz aufzubauen"
implizieren, dass das von Dir gesagte für jede/n in derselben Situation - genauso angewendet - die einzig richtige Analyse und den einzigen wahren Weg darstellt. Und das stimmt einfach nicht. Es gilt für Dich, es gibt sicher etliche, die genauso empfinden und es lohnt sich sicher für alle, über Deine Worte nachzudenken. Aber es gibt auch nicht wenige, die völlig anders ticken, bei denen Du mit Deinen Erkenntnissen einfach nur daneben liegst und die damit schlicht nichts anfangen können.
Zu diesem Beitrag im Forum.