Manche Geschichten enthalten eine Perle, oder mehrere. Das macht alles andere verzeihlich.
Die eine Perle ist der Titel der Geschichte.
Die andere ist für mich dieser Satz: „Tot sein ist ja schon schlimm genug, da muss man ja nicht auch noch sterbenskrank aussehen.“ Der ist weniger schnoddrig als er sich anhört, sondern eine ganze Lebensphilosophie.
Sex und Tod sind sowieso das gleiche Thema, nur aus verschiedener Perspektive betrachtet, das passt schon. Auch die Berufswahl in der Story unterstreicht das überdeutlich.
Da wählt jemand einen klassischen Stoff und weiß, dass der Leser diesen Ballast in die Geschichte hineintragen wird. Er wird in eine Küche der Jetztzeit verpflanzt, die Personen heißen wie Du und ich und sind keine klassischen Helden. Sie müssen sich aber diesem Vergleich stellen, das hat die Autorin so gewollt. Sie reden nicht Hexameter-Deutsch, sondern schnoddrig (bis auf ein paar Stellen, die dann wie ein Versehen in der Sprachebenen-Wahl wirken, oder ist das beabsichtigt? Wer „kürt“ denn noch am Küchentisch mit Hängebrüsten unter dem halboffenen Mantel, außer er fährt Schlittschuh oder züchtet Hunde?).
Medusa war eine mächtige Frau, die unerkannt bleibt. Sie bringt dem Verderben, der daran rütteln will. Das ist dann die letzte Wahrnehmung im Leben. Danach erstarrt Mann zur Salzsäule. Die Halle ist schon voll von diesen gescheiterten Heroen. Einem gelingt es dann, indem er Medusa den Spiegel vorhält. Das überlebt nicht mal sie. Mehr braucht er gar nicht tun, das erledigt sich dann von selbst.
Ich hab mir überlegt, wie dieses Plot in der abgebrochenen Story von Mai weitergehen würde, wenn sie sich denn am Klassischen ausrichtete. Na, er setzt dieses schrille Früchten einfach wieder vor die Tür. Am besten nackt. Soll sie sehen, wie sie klarkommt mit ihren Waffen, wenn sie ins Leere stößt. Wenn er sich nichts aus ihr macht, sich hinter den Spiegel stellt, und aus Fremd- eine Eigengefährdung werden lässt.
Was auf den ersten Blick so überhaupt nicht ins Plot passt, ist ihr Masochismus, den sie „abruft“. Der Sadist als Opfer, oder blankes Werkzeug, das ist schon was Feines. Und hätte gar nicht eines klassischen Plots bedurft, sondern ist genug aus sich selbst heraus.
Das ist eine kräftige Geschichte. Ich bedaure nur eines: Dass sie sich nicht traut, selbst den Faden weiter zu spinnen. Manche Geschichten gewinnen, wenn sie an bestimmter Stelle abbrechen. Bei anderen bin ich sauer und fühl mich angefüttert und dann verhungert gelassen. So wie ich auch R.R. Martin sauer bin (nicht wegen des fehlenden Endes, kack drauf. Sondern wegen der handwerklichen Neugier, wie er die ungewöhnliche Gesamtkonstruktion wieder zusammenbringt, das war der einzige Grund, GoT zu lesen und kurz vor dem Ende zu verhungern).
Das Gegenüber dieser Leichen-Aufhübscherin ist ein Softie, also überhaupt nicht geeignet, daraus einen weitern Faden zu spinnen. Seine völlig unangemessene Handtätschelei diskreditiert die gesamte Männerwelt. Sie dagegen ist ein spannender Charakter. Aber fuck, fuck, fuck, fuck wieso bleibt sie sitzen und hat nicht mehr als Warnungen auf ihrer Platte? Sie stellt dann Forderungen, … aber vielleicht ist das ja der Fortlauf der Geschichte: Vielleicht ist das der Spiegel gewesen, an dem sie verbrannte: diese für sie so penetrierende Fürsorge.
Ja, spannend. Da kann ich mir einiges ausdenken.
Aber mehr hätte mich Mai´s Weiterdenken interessiert.
Absolut lesenswert. Keine Weihnachtsgeschichte. Und zu kurz.