Ich möchte nochmal konkret auf die Geschichte und die dazu geäußerten Kritiken eingehen.
Lanikas Kommentar hat schon vieles vorweg genommen, daher versuche ich mich auf die Unterschiede bzw. Ergänzungen zu beschränken.
Es wird kritisiert, dass die historische Rahmenhandlung Fehler beinhaltet, zeitlich nichts wirklich zusammenpasst. Stimmt, sachlich und vom fachlichen Standpunkt aus betrachtet absolut richtig.
Daher meine - rhetorische - Rückfrage dazu: inwieweit ist dieser unstimmige geschichtliche Kontext für genau diese, hier konkret vorliegende Geschichte überhaupt relevant und zu deren Beurteilung nützlich? Es handelt sich dabei um eine rein fiktive Erzählung aus einer imaginären Vergangenheit. Einer zurückliegenden Zeit, irgendwann, irgendwo, mit erdachten Figuren und Landschaften. Angelehnt an Rittergeschichten und inspiriert von mittelalterlichen Begebenheiten. Es ist keine Geschichtsdoku für Terra X, keine Drehbuchvorlage für die BBC, die mit nachprüfbaren historischen Fakten über real existierende Figuren und/oder tatsächlich geschehenen Ereignissen aufwarten muss.
Deswegen halte ich den angelegten Maßstab in diesem Fall und für diese Geschichte ungeeignet. Das erinnert mich an einen Produkttest von Stiftung Warentest neulich. Eine Zahnpasta, die ausdrücklich damit wirbt, kein Fluor zu enthalten, wurde im Vergleich mit herkömmlichen als mangelhaft und absolut nicht empfehlenswert eingestuft, weil sie kein Fluor enthält. Man mokierte sich über fehlende Inhaltsstoffe, weil man diese selber für unverzichtbar erachtet, obwohl das Fehlen in diesem Fall die Haupteigenschaft darstellt. Alles eine Frage des passenden Maßstabs.
Desweiteren wird eine „kindliche“ Sprache bemängelt und auf die Art Bezug genommen, wie Kinder Geschichten erzählen.
Stimmt ebenfalls. Völlig korrekt. Kinder erzählen einfach drauflos. Sie haben die Gabe, die vielen Erwachsenen mittlerweile abgeht, sich komplett in eine Fantasiewelt zu begeben, ohne dabei auf Logik oder gar naturwissenschaftliche Erkenntnisse Rücksicht zu nehmen.
In Märchen können Menschen ohne Hilfsmittel fliegen, Tiere sprechen und Dinge einfach so verschwinden oder auftauchen. Deswegen sind es Märchen. In Actionfilmen, häufig nichts anderes als moderne Märchen, passieren völlig absurde Dinge, die so wahrscheinlich sind, wie wenn bei der Explosion einer Druckerei ein Buch entstehen würde. Trotzdem sind sie für viele aufregend und unterhaltsam. Auch bei quietschenden Reifen auf Sandstrand.
Die meisten Helden erleben ihre Abenteuer in oft völlig hanebüchenen Plots. Ihre Erfinder, Schriftsteller, sind schlicht Fantasten und, wenn man so möchte, daher gerne auch mal Lügner. Ein Karl May hat vieles frei erfunden, Personen, deren Aussehen und Gepflogenheiten, Landschaften, usw. Tut das seinen Geschichten irgendeinen Abbruch? Sind die Romane eines Dan Brown weniger spannend, weil total unrealistisch, ja geradezu völlig abstrus? Es gäbe keine faszinierenden Sagen, keine fesselnden Grusel-/Horrorromane, wenn man solche Erzählungen nach den selben Kriterien wie Reportagen, Krimis oder anderen Stories aus der erlebbaren Wirklichkeit beurteilen würde. Wer mit den Fantasy-Genres, mit solcher Art von Erzählungen aber grundsätzlich nichts anfangen kann, den kümmert das natürlich nicht. Warum auch?
Daher die Frage, was hilft der Verweis auf vermeintliche oder tatsächliche Logikbrüche in diesem Zusammenhang? Ich geb’ ja zu, dass ich auch erstmal gedacht habe, wo kommt denn jetzt auf einmal das ganze Equipment her. Bis ich gegen Ende dann begriffen hatte, dass das alles von der Protagonistin eben vorbereitet, geschickt eingefädelt wurde, inclusive Ersatzklamotten. Und selbst die Decke, die der fürsorgliche Ritter holte - ich fragte mich auch zuerst „Woher?“ - könnte man erklären (vielleicht die Satteldecke). Aber wozu? Warum alles zerpflücken?
In den meisten Fällen geht es mir beim Lesen so, dass ich nicht unbedingt immer alles haarklein beschrieben bekommen möchte, sondern noch genügend Raum für eigene Fantasien brauche. Wobei dies aber von der Art der Geschichte abhängt und häufig auch schlicht stimmungsabhängig ist.
Zu dem vielleicht etwas langatmigen Anfang möchte ich noch sagen, dass man auch nicht immer gleich mit der Tür ins Haus fallen und sofort mit konkreten Handlungen loslegen muss. Nicht in jedem Fall ist etwas, nur weil „üblich“, auch immer das sinnvollste. Mir persönlich liegen ja bekanntlich epische Beschreibungen und deswegen ist für mich die vorangestellte ausführliche Darstellung von Land und Leuten ein gutes Mittel, mich gedanklich völlig in diese Traumwelt zu versetzen.
Man kann meiner Meinung nach nicht für alle Geschichten den gleichen Maßstab anlegen, da sie unterschiedlichsten Prinzipien folgen. Wenn ich beim Thema Bier zum Beispiel den Alkoholgehalt eines Bieres zum Maßstab mache und dabei dessen Vorhandensein als unerlässlich deklariere, fallen alle alkfreien Sorten raus. Für diese muss ich mir also einen neuen, adäquaten Maßstab suchen.