Bunte Wimpel flatterten im Morgenwind und silberne Trompeten ließen ihren schönen Ruf erschallen. Eine große Gesellschaft zog aus, ließ die hohen, schneeweißen Mauern der Königsburg hinter sich und wanderte unter Gesang, Gelächter und Musik in die Landschaft hinaus.
Der fröhliche Tross verbrachte den Vormittag damit, über blühende Wiesen zu streifen und erfreute sich an einem wunderbar blauen Himmel, über den eine nicht enden wollende Herde aus Schäfchenwolken segelte. Gegen Mittag beschlossen die Ausflügler sich niederzulassen. Diener und Knappen richteten Zelte auf, bauten mitgebrachte Tafeln zusammen und schmückten alles mit Bändern und Fahnen. Sodann genossen die Ritter und edlen Hofleute zusammen mit der Königsfamilie ein ausgiebiges Mahl. Während die hohen Herrschaften speisten, hörte man abseits das Lachen der Gemeinen, die ebenfalls aßen und sich auf ihre Weise die Zeit schön machten.
Am Nachmittag zerstreute sich die Gesellschaft etwas. Die jungen Ritter schossen mit Bögen auf Zielscheiben um die Wette und die Edelfräulein spielten Federball oder pflückten Blumen, aus denen sie Kränze für ihre Auserwählten flochten. Am Rande dieser vergnüglichen Aktivitäten wanderte Gwendolin, die Tochter des Königs, umher und schien versunken in Erinnerungen an Lieder und Gedichte zu sein. Sir Fenwell, jüngster der Königsritter, begleitete sie, wie stets, auf Schritt und Tritt. Er sollte ihr Schutz und Gesellschaft bieten, was er gern und mit größtem Eifer tat.
Die beiden erreichten die Pferde, die an einem Seil zwischen zwei schattenspendenden Bäumen angebunden waren. Nachdenklich streichelte die Königstochter den Hals eines haselnussbraunen Hengstes. Der stellte sein Grasen ein um sie freundlich anzusehen und leise zu schnauben. Da kam plötzlich Leben in die junge Frau und sie blickte ihren Bewacher mit Smaragdaugen an, die so schön und geheimnisvoll waren, dass sie einer eigenen Ballade würdig gewesen wären.
Sir Fenwell wurde aufmerksam, denn als ihr ständiger Begleiter wusste er, Gwendolin war nicht nur die schöne und folgsame Tochter des Königs. Mitunter zeigte sie abseits des höfischen Lebens auch eine ganz andere Seite. Die Sorge war berechtigt - sein Schützling versicherte sich, dass niemand anderes in der Nähe war, löste dann flink die Zügel des Pferdes und war mit einem Satz auf seinem Rücken. Der überraschte Hengst tänzelte, wieherte, doch die zarte Gwendolin strotzte mit einem Mal vor Entschlossenheit. Mit einem kräftigen Zug am Zaumzeug brachte sie ihr Reittier zur Räson.
»Was soll denn das?«, rief der Ritter verzweifelt. »Ihr dürft euch doch nicht ohne Schutz und Erlaubnis vom Tross entfernen.«
»Nun«, sagte die Prinzessin von ihrer erhöhten Position herab. »Dann müsst ihr eben mein Schutz und Geleit sein!«
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