Ein Probejahr lang hat Lena die Entscheidung hinausgeschoben, ob sie sich den Regeln „des Hauses“ unterwirft, oder es zusammen mit ihrem Herrn verlässt.
Die zugespitzte Entscheidungssituation fügt sich in die sprachlich schnörkellose Form passgenau ein und lässt kein Jota Platz.
Nicht nur die Entscheidung beengt, auch physisch wird Lena auf eine klinisch- schmerzhafte Initiation vorbereitet. Schluss mit lustig!
Sprachlich und formal mustergültig geschrieben. Mehr als eine Leseempfehlung kann ich zunächst nichts abgeben.
Was jetzt noch folgt, ist Persönliches, meine Reaktionen auf einen Text, kann gern überlesen werden und ist nicht Jona „anzulasten“:
Mein Leseeindruck war Bedrückung. Kunststück, wie könnte es Lena anders gehen? Die Folgen der Aufschieberitits kenn ich auch. Aber auch für Jakob hängt viel, wenn nicht alles, was die Beziehung im letzten Jahr ausmachte, von Lenas Entscheidung ab. Er lässt ihr die Freiheit der Entscheidung. Das klingt nobel. Aber er zwingt sie, sich entscheiden zu müssen. Was ist das für ein Freiheitsbegriff, der nur die binären Zustände Alles-Oder-Nichts zulässt?
Ist das Leben ein „Tunnel-Spiel“? In vielem schon.
Aber muss man es darüber hinaus dazu machen?
Darf BDSM nicht ein Gegenentwurf zum Unausweichlichen sein?
Die Geschichte kreist um Vertrauen. Vertrauen ist ein Bollwerk gegen Angst. Wie die Angst ist Vertrauen eine Fantasiegröße, weil sie in die Zukunft vorauseilt. Sie fühlt sich nur real an. Der fast pastorale Ernst in der Geschichte, überhaupt bei diesen Zuständen, wirkt auf Außenstehende oft aufgedunsen, weil sie die subjektiven Innereien widerspiegeln, aber nicht die realen Gegebenheiten.
Dummerweise gibt es nur die ´gefühlte Realität´, auch wider besseres Wissen.
Meine Frage ist, warum es so wichtig oder nötig sein soll, Lena in Jakobs persönlichen Angstraum zu stoßen. Was ist mit Lenas Belangen? Sie fühlte sich doch im Spielmodus ein Jahr lang wohl.
So müssen sich spielende Kinder fühlen, wenn der Schlusspunkt gesetzt wird: So, nun ran an die Hausaufgaben, das richtige Leben kennt kein Spiel. Spiel soll nur Vorbereitung sein. Wie unter kleinen Füchsen, die sich balgen, und nächstes Jahr schon um ihr Leben kämpfen müssen. Ohne Wenn und Aber.
Dann bleibe ich an Jakob hängen. Ein biblischer Namen. Zufall? Der jüngere der Zwillinge hieß Jakob und hielt sich bei der Geburt verängstigt an der Ferse seines älteren Bruders fest. Jakob heißt Fersenfesthalter. Und zufällig tippt Jakob in der Geschichte an Lenas Fuß, und gibt ihr damit das Kommando, die Beine in Bewegung zu setzen. Mag Zufall sein. Aber auch vor Jakobs zweiten Lebensabschnitt (der Geburt) stellte sich die Frage: Bleiben oder Gehen. (*g naja). Auch für Lena soll ein neues Leben anbrechen. Neues macht immer Angst, und tut meistens auch erst mal weh. Die Beringung Lenas ist eine Initiation.
Aber in diesem Zusammenhang von Freiheit zu sprechen? Das ist wie: „Jetzt musst Du frei entscheiden!“ als Imperativ. Ist imperative Freiheit nicht ein Widerspruch in sich?
Jakob ist auch mutig. Er liefert sich der Entscheidung Lenas aus. Auch für ihn ist das eine Initiation, denn er weiß den Ausgang ihrer Entscheidung vorher nicht. Er hätte es auch bequemer haben können.
An diesem Text merke ich mal wieder, wie BDSM Beziehungen „unnötig (?)“ beschweren kann. Wie er über die Zukunftssicherheit (Wird-Sein) den Moment (Da-Sein) aus dem Auge verliert. In dem Text sogar aktiv, weil die Zeit abgelaufen scheint. Scheint, weil der Zeitpunkt selbst gewählt ist.
In diesem Zusammenhang ist für mich die Schlüsselszene: Als Jakob die Hand auf Lenas Bauch legt, nicht als Zärtlichkeit, sondern als schein-beruhigendes Signal, dass sie das Folgende gleich ohne ihn und allein überstehen muss. Sowieso, ist ja ihr Schmerz.
Kurz: Wohlig-düster. Die Freiheit, sich unfrei zu machen.