Vielleicht ist es kein Wunder, dass das Wort "Geschichte" an "schichten" erinnert, denn vielschichtig ist das, was du uns hier erzählt hast, zweifellos. Für mich geht die Vielschichtigkeit jedoch weit über die Frage hinaus, wer von beiden letztendlich die Zügel in der Hand hält. Meine Irritation beginnt schon an der Stelle, als er ihr den Befehl erteilt. Nicht, weil es jetzt um die Frage geht, wer sich wem unterwirft. Sondern weil ich den Atem anhalte angesichts seiner Chuzpe. Es gehört schon eine gehörige Portion beherzte Dreistigkeit dazu, mitten aus einem freundschaftlichen Gespräch heraus die Ebenen zu wechseln, ohne Einladung, ohne Vorankündigung, ohne behutsames Herantasten. Und ich frage mich, was in ihm vorgeht, was ihn veranlasst hat, so mit der Tür ins Haus zu fallen.
Selbst wenn sie devot gewesen wäre, hätte ich ein längeres Zögern erwartet, eine Irritation, ein Ringen mit dem eigenen Bauchgefühl. Es ist immer ein Wagnis, wenn sich in einer vertrauten Beziehung plötzlich eine Tür öffnet, die in völlig neue Räume führt, und die Eröffnung kam so plötzlich und unerwartet, dass ich sein genervtes Nachschieben fast schon ein bisschen penetrant finde. Was um alles in der Welt hat er erwartet? Dass sie sich ihm freudestrahlend und sehnsüchtig unterwirft?
Umso besser gefällt mir natürlich die nun folgende Wendung. Denn deine Protagonistin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie lässt sich nicht überrumpeln, sie bleibt bei sich. Und sie entdeckt, dass ihr der Wechsel der Ebenen, die Entdeckung neuer Räume durchaus gefallen will, aber auf eine andere Art, als er es sich vorgestellt hat. Schön, wie sie seine Idee aufgreift und doch in eine völlig neue Richtung lenkt. Und schön, wie er am Ende nachgibt, womöglich, weil ihm das Bereisen dieser neuen Räume an sich wichtiger ist als die Frage, in welcher Rollenverteilung das geschieht.
Dass ich doch ganz gerne gewusst hätte, welche Blumen sie da am Waldrand entdeckt hat, ist da nur eine unerhebliche Fußnote. Danke für die schöne Geschichte!