Er holt Seile hervor, unsere Seile. Ich war immer der Überzeugung, dass diese Bondage-Sache nichts für mich ist. Es war mir zu viel Kontrollverlust. Außerdem habe ich um meine zarte Haut gefürchtet. Er hat mich dazu überredet. Und jetzt liebe ich es. Ich könnte genauso wenig ohne die feste Umarmung der Stricke leben wie ohne Schokolade oder Wein oder meinen geliebten Unhold.
Und es ist mal wieder soweit. Eigentlich will ich es nicht. Ganz und gar nicht. Aber er bringt mich dazu. Schon wieder.
Er kocht für mich. Ich leiste ihm mit einem Glas Wein Gesellschaft, sehe zu, wie er mit den Zutaten hantiert. Ich bin noch etwas knatschig vom Arbeitsstress, aber seine gute Laune zieht mich an.
Und dann, zwischen Zwiebeln schneiden und Hackfleisch anbraten, sprudelt es aus mir heraus. Der ganze Ärger des Tages. Blöder Chef, blöde Mandanten und dieser Staatsanwalt, wenn der nur den Mund aufmacht, könnte ich schon ...
Er hört mir zu. Einfach nur zu. Ist auf meiner Seite. Voll und ganz und ohne Vorbehalte. Er bedauert mein Leiden und bewundert, wie stark ich trotz allem bin. Und er macht mir Lasagne. Dieser Schuft! Mit drei verschiedenen Käsesorten. Wie kann er nur!
Frisch gemachte Lasagne. Nur für mich. Und als er mir zum Nachtisch mit Mousse au Chocolat kommt, bin ich einfach zu satt, um Widerstand zu leisten. Ich verputze sie. Vollständig. Wenn schon, denn schon.
Schließlich landen wir auf dem Sofa. Er schnappt sich meine Füße und massiert sie. Nicht nur streicheln, er knetet sie richtig durch, bis sie wieder ihre normale Form haben und nicht mehr verbogen sind, um in irgendwelche Pumps zu passen.
Kerzen überall erschaffen warmes Licht, das bei jedem Luftzug mit den Schatten in den Ecken spielt. Die Melodie leiser Musik klimpert ziellos durch den Hintergrund und dieses große Kissen in meinem Rücken lädt zum Versinken ein. Ein frisches Potpourri auf dem Tisch duftet nach Meer und Sand und Lagerfeuer zwischen Dünengras. Billige Tricks. Ich kann nicht fassen, dass ich darauf hereinfalle. Wieder einmal.
Nach einer Runde behaglichen Schweigens beginnen wir zu reden. Über Gott und die Welt. Und über mich. Ich bin Anwältin, ich kann mich gut ausdrücken, aber dieser Kerl nimmt Schmeicheleien und faltet sie wie Origami. Macht ein Kunstwerk daraus und gibt mir das Gefühl, die schönste und klügste Frau auf dem Planeten zu sein. Natürlich lügt er mir frech ins Gesicht, aber ich lache am Ende trotzdem und fühle mich gut. Einfach nur gut. Ein Pirat der Worte hat mich geentert.
Und plötzlich liege ich in seinen Armen, dicht an ihn geschmiegt, und weiß nicht, wie ich dorthin gekommen bin. Vielleicht der Wein, vielleicht der Strom der Komplimente. Mir ist etwas schwindelig.
Wir sehen uns in die Augen und wissen es. Und er schmunzelt, oh, dieses Schmunzeln. Du fauler, leichtlebiger Typ, damit kriegst du mich jedes Mal. Von diesem Punkt an läuft alles wie auf Schienen. Eine unsichtbare Macht spielt mit uns, als wären wir an Fäden aufgehängte Puppen.
Sprache gekonnt verwendet, auf den Punkt gesetzt. Schon fast zu gut, rein technisch. Erwische mich nach einiger Zeit beim "Überfliegen", den erwarteten Wortlaut nur bestätigend finden. Das ist in meinen Augen schade, denn eigentlich ist es eine schöne Geschichte.
Ich bin kein Freund von Fremdwörtern, wo die deutsche Sprache selbst Brauchbares bietet. Deshalb empfand ich einige Stellen als empfindungslos hingeworfen, wo andere möglicherweise zerschmelzen.
Nun, ich bin nicht das Maß der Dinge, schaue nur manchmal zu genau hin. Wie beim genossenen Rotwein. Kenner von Rebensäften, wenn wie ich in einem früheren Leben bewusst der österreichischen, haben bestimmt geschmunzelt. Ähnlich ging es mir an einigen Stellen. Solch kleine Dinge sind die Verräter. Für Leser ein Segen.