Der Schreibprozess, Ungewiss: ein ab und zu nützliches Thema.
Schreibblockaden kenne ich nur von meinem beruflichen Schreiben. Das ist Routine geworden, bietet keinerlei Freiheiten, muss sachlich sein und darf kein Wort zu viel enthalten. Dann ist es Langeweile, die blockiert. Da hilft mir nur, was Söldner anmerkt: zwingen. Das ist dann ein M_u_s_s. Es ist die „Reaktanz“, die sich dann einstellt, also das trotzige Kind in mir, das sich wehrt gegen Unlust.
Dagegen d_a_r_f ich privat Geschichten schreiben. Ich kämpfe dann nicht gegen mich, sondern mit der Form. Mir hilft es, mir selbst bestimmte Formkriterien zu setzen. Kreativität ist das Ringen der Freiheit mit selbstgesteckten Einschränkungen. Dann tobt der Kampf an der richtigen Stelle. Die einfachste Lösung, wenn nichts einfällt, ist: es bleiben zu lassen. Nichts regt mich mehr auf als auf unnötige Textabschnitte oder Worte zu stoßen: das kommt mir dann so vor, als würde jemand einen Teig auswalzen. Bei Personen, die Zeilenhonoraren unterliegen, kann ich das aber nachsehen.
Rituale helfen mir: Seit Jugend an sitze ich spät abends am Papier, wenn andere schlafen und es still wird draußen. Zum Ritual gehört, dass nur das Papier, oder inzwischen der Monitor, die Lichtquelle ist. Alles Ablenkende wird ausgeblendet. Jahrelang habe ich mit dem q10-Editor geschrieben; Bernstein-farbige Buchstaben auf dunklem Hintergrund (wenn Notebook). Es ist wie beim Pawlow-Hund: erscheinen die ersten Buchstaben, bewegen sich die Finger.
Beim Schreiben von Geschichten habe ich fast nie das Gefühl zu texten, sondern denke eher ans musizieren. Da ich im ersten Durchgang schnell tippe, habe ich leicht eine Melodieführung vor Augen; beim späteren Überarbeiten (Einkürzen) geht davon manches verloren, aber im Wesentlichen geht es mir um den Klang, und auch die Konstruktion des Textes ist eher ein Ohr- als ein Sprachwurm, und ein Zusammenklang. Wenn das einmal in Fluss gekommen ist, blockiert nichts mehr. Texte, die beim Vorlesen versagen, gefallen mir auch bei anderen nicht.
Blockaden kenne ich vom Geschichten erzählen mit Handlungsabläufen, Suspense etc. Das ist nicht meins, und ich weiß, dass es verkrampft wird. Manchmal fürchte ich, gar nichts zu erzählen zu haben, oder es nicht zu können, und kehre immer wieder zu meinen Stimmungsbildern oder Musikstückchen zurück.
Seit einiger Zeit liebe ich es, Dialoge zu schreiben. Erzählen von außen ist eins, aber das Gleiche in Dialogform umzusetzen reizt mich immer mehr. Das ist aber wieder die Rubrik 'mit einer Form kämpfen' und nicht gegen mich selbst. Ich brauche mich schließlich als Mitstreiter und nicht als Gegner. Und die Instanz, die man den inneren Schweinehund nennt, meint es ja eigentlich gut mit mir und soll nicht erschlagen oder vergewaltigt werden. Das wäre ja Selbstaggression.
Beim Schreiben erotischer Texte hilft auch die (unfreiwillige) Abstinenz. Ja, ja . Ohne Hunger kein Appetit. Und das Schreiben ist für mich in diesem Zusammenhang die zweite Wahl. Ein rundum zufriedener Organismus entfaltet keine Phantasie.
Da muss ich in aller Regel nicht nachhelfen, denn das Leben bietet genug Leidensquellen. Ich denke, alle Kunst (oder Kunstversuche) ist das Resultat nötiger Beschäftigung. Deshalb ist Kunst nie unnötig.