Beim Schreiben steht für mich nicht der mögliche Leser im Vordergrund. Ich kann nicht für den Leser schreiben. Mit einer Ausnahme, aber diese Texte haben auch nur den einen Leser.
Für den Leser zu schreiben ist so schwer, wie einen Bestseller zu schreiben, vielleicht sogar noch schwerer: Weil es den Leser doch gar nicht gibt, sondern nur die Leser mit all ihren Unterschiedlichkeiten: Lesevorlieben und Abneigungen, eigenen Erfahrungen, u.U. tagesformabhängigen Befindlichkeiten.
Also versuche ich gar nicht erst, für den/die Leser zu schreiben. Und auch wenn ich beim Schreiben Vorgaben folge, wie bei Schreibübungen oder im Rahmen des Adventskalenders hier auf den Schattenzeilen, erfülle ich eher diese als Lesererwartungen.
Wenn ich dann mit einer (wie auch immer entstandenen) Geschichte „fertig“ bin, überprüfe ich jedoch, ob ich den Lesern eine Chance gebe, am Geschehen teilzuhaben. Dazu gehört entweder, dass ich einen äußeren Rahmen vorgebe, oder dass ich die Personen so entwickele, dass die Leser sich ein Bild von ihnen machen kann, und dieses Bild im besten Fall bewirkt, dass die Leser die Personen neugierig, gespannt oder meinetwegen auch erregt durch die Geschichte begleiten, mit anderen Worten: gerne weiterlesen möchten.
Das ist es, was ich als Lesende auch selbst erwarte. Es muss ein Funke überspringen. Und er muss schnell zünden, sonst ist die Lektüre beendet, bevor die Geschichte (oder der Roman) zu Ende ist.
Eine Geschichte muss mich „einlassen“, damit ich mich auf sie einlassen will.
Dazu gehören eine mich berührende (nicht verwechseln mit rührselige!) Sprache und ein Rahmen, der mich zum lesenden Verweilen einlädt, und/oder entsprechenden Charaktere.
Um mal den Bogen zum BDSM-Kontext zu schaffen: Mir genügt es nicht (oder jedenfalls nur in Ausnahmefällen) lediglich ins Schlaf- oder Spielzimmer der Beteiligten zu blicken, ich möchte mehr von ihnen wissen. Wenn es das ist, was Nachtasou fehlt, kann ich seine Leserempfindung nachvollziehen.
Für dieses „mehr“ Dafür muss kein großer Aufwand betrieben werden.
So gesehen möchte ich MeisterY ausdrücklich widersprechen, wenn er schreibt, dass kaum mehr in die wenigen Zeilen zu packen war. Nur ein oder zwei Sätze über Alina und Julien oder ihre Beziehung hätten sie lebendiger für mich gemacht, für eine Leserin unter vielen Lesenden.
Wölfin