Rezension: „Unverglüht“ von Jona Mondlicht
Zwei Geschichten vereint der erste BDSM-Roman von Jona Mondlicht. Geschichten von Erwartungen und Enttäuschungen, vom Festhalten und Loslassen, vom Gewinnen und Verlieren. Geschichten natürlich auch von Dominanz und Unterwerfung und der damit verbundenen Verantwortung und Fürsorge. Vielschichtige und tiefschichtige Einblicke bereiten ein außergewöhnliches und nachklingendes Leseerlebnis.
Ein Blogbeitrag von Schattenwölfin.
Info: Veröffentlicht am 27.06.2014 in der Rubrik Gelesen.
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() Es gibt Worte, die augenblicklich, wenn ich sie lese, ein olfaktorisches Feuerwerk in mir entfachen.
Lederwarenmanufaktur ist so ein reizauslösendes Wort, dem ich schon auf den ersten Seiten des Romans »Unverglüht« begegne, denn dorthin folge ich Sarah an einem dunklen und nassen Dezembervormittag. Anders als bei ihr, die Stunde um Stunde hier verbringt und den Erzählungen eines Herrn Conrad lauscht, setzt bei mir keine Gewöhnung ein, und so begleitet mich der Geruch der Riemen rund zweihundert Seiten durch eine, nein: durch zwei atemberaubende Geschichten.
Doch zurück zum Anfang. Einem spärlich beleuchteten Flur folgend betritt Sarah die helle Werkstatt, als käme sie durch einen Tunnel dorthin, und im Verlauf der Handlung beschreitet sie einen weiteren, einen ganz anderen tunnelähnlichen Weg. Was Herr Conrad - der Besitzer der Manufaktur - ihr erzählt, bringt eine bislang eher verborgene, in ihrem Inneren liegende Seite ans Licht und Sarah somit ein gutes Stück zu sich selbst. Dieser Tunnel ist unvergleichbar länger als der Flur, sein Durchqueren eine besondere Herausforderung. Sie bräuchte nur aufzustehen und zu gehen, doch sie bleibt, hört zu und nimmt die Herausforderung an.
Sarah empfindet die intimen Erzählungen von Herrn Conrad zunächst noch als unangenehm aufdringlich. Als wolle er ein Geheimnis lüften, das zu lüften sie nicht, oder jedenfalls nicht vor ihm und nicht jetzt, zu lüften bereit ist. Sie ringt mit sich und mit Herrn Conrad. Und Herr Conrad ringt mit Sarah. Um sie, um ihre Neigung, die er rasch erkannt hat. Für sie und nicht etwa für sich.
Der letztgenannte Punkt ist es, der den Roman zu etwas Außergewöhnlichem macht. Ich begegne keinem Dom-Prinzen, der aus einer Aschenputtel-Sub eine devote Gespielin für sich macht. Herrn Conrad geht es um Sarah - er ist ein Ritter, kein Prinz.
Zugegeben, ein bisschen spielt er mit ihr - auf einer sehr subtilen Ebene. Zugegeben, auch das gefällt mir. Sarah lässt sich hierauf ein, Zweifel und Widerstände lösen sich zunehmend auf und sie füllt die Rolle, die sie in sich trägt, immer selbstverständlicher aus. Während sie seinen kleinen Anweisungen folgt, seine dementsprechenden Gesten zunehmend sicherer deutet, während sie auf ihn zugeht, kommt sie vor allem sich selbst immer näher.
»Was ist das denn nun für eine Geschichte, die Herr Conrad Sarah erzählt?«, mag sich der ein oder andere fragen. Und ich stehe vor der Frage, wie ich hierauf antworten kann, ohne zu viel zu verraten. Es ist die Geschichte von Lia und Bruno, eine Geschichte vom Suchen und Finden, von Erwartungen und Enttäuschungen, vom Festhalten und Loslassen, vom Gewinnen und Verlieren - und natürlich von Dominanz und Unterwerfung und der damit verbundenen, ganz besonderen Verantwortung und Fürsorge. Es geht um einen dominanten Mann, der seiner Sub viel abverlangt und ihr alles gibt.
Die einzelnen Episoden nehmen mich mit in ein Hotelzimmer, ans Meer und in ein Schloss. Sie werden illuminiert von den nächtlichen Lichtern einer Stadt, dem Blinken eines Leuchtturmfeuers und dem Flackern von Kerzen in mehrarmigen Leuchtern. Wieder rieche ich Leder, aber auch die salzhaltige Seeluft und fühle auf meiner Zunge den pelzig-bitteren Nachgeschmack einer Ananas.
Es ist eine Geschichte, die ich ebenso gebannt verfolgt habe wie die Begegnung zwischen Sarah und Herrn Conrad.
Jona Mondlicht folgt nicht den gängigen Mustern, wie ich sie aus anderen BDSM-Romanen kenne. Wer die Texte gelesen hat, die vom Autor hier auf den Schattenzeilen veröffentlicht sind, kann sich denken, was ich meine. Deutlich vielschichtiger, aber nicht weniger konsequent als in zahlreichen anderen Büchern mit BDSM-Bezug, werden Dominanz und Unterwerfung beleuchtet. Und wenn ich eine dieser Schichten hervorheben wollte, so würde ich sagen: Jona Mondlicht berührt meine Seele als Leserin, wie Herr Conrad Sahras Seele berührt und Bruno Lias Seele fordert. Deswegen fällt es mir schwer, hier Attribute wie leidenschaftlich, prickelnd, erotisch zu verwenden, die allesamt zutreffend sind und verkaufsfördernd sein mögen, aber das Besondere, wodurch dieser Roman sich auszeichnet, nicht greifbar machen, ihm nicht genügen.
Es gibt Worte, die augenblicklich, wenn ich sie lese, ein olfaktorisches Feuerwerk in mir entfachen.
Kürzlich habe ich gelesen, was ich an mir schon lange entdeckt zu haben glaube: Gerüche werden über lange Zeit erinnert und bleiben im Gedächtnis. Dies gelte aber nur, wenn der Geruch mit einem besonderen Erlebnis, mit besonderen Erinnerungen verknüpft ist. Mein Ledergeruchsgedächtnis ist nun um einen wunderbaren Erinnerungsfaktor ergänzt, ein Leseerlebnis: »Unverglüht« von Jona Mondlicht.
Broschiert: 208 Seiten
Verlag: Elysion-Books (25. Juni 2014)
Autor: Jona Mondlicht