I. Eine Woche vor dem Grillabend
Lina legte die Zutaten für das Abendessen neben Die neue Vollwertküche - Rezepte für jeden Tag auf die Arbeitsplatte. Das Buch hatte sie kürzlich erst gekauft, in der guten Absicht, dass Frank und sie sich in Zukunft etwas gesünder ernähren sollten. Die Bilder waren ansprechend und einen Versuch sollte es wert sein.
Für Gemüsezwiebeln mit einer Füllung aus herzhafter Hafergrütze mit Apfelspalten serviert hatte sie sich entschieden und Lina machte sich motiviert ans Werk.
Sie höhlte die Zwiebeln aus, eine für sich und zwei für Frank, der früh am Morgen ins Holz gefahren war und abends sicher Hunger haben würde.
Geschickt würfelte Lina die Zwiebelreste, dünstete sie an, gab die Hafergrütze hinzu und einen Schuss Weißwein. Davon stand zwar nichts im Rezept, aber es musste ja nicht gleich asketisch werden. Schließlich goss sie Gemüsebrühe an und ließ die Masse bei kleinster Hitze ausquellen.
Nach einer Dreiviertelstunde hob sie den Topfdeckel und blickte auf die farblose Hirsemasse. Lina nahm einen Löffel, probierte. Die Konsistenz war in Ordnung, aber es fehlte entschieden an Würze. Lina gab Salz und Pfeffer hinzu. Es tat sich nichts. Mehr Salz und mehr Pfeffer. Es tat sich trotzdem nichts. Noch mehr Salz und noch mehr Pfeffer und eine Handvoll gehackte Petersilie. Nichts. Tabasco, ein paar Tropfen nur. Nichts. Das restliche Drittel aus der Flasche mit der roten Pfeffersoße. Nichts. Die Grütze schien jedem Versuch, sie schmackhaft zu machen, zu widerstehen. Es musste also so gehen. Frank würde sich bedanken, ahnte Lina. Sie füllte die ausgehöhlten Zwiebeln mit der Masse, schnitt säuerliche Äpfel in Spalten und schob alles zusammen in den Ofen.
Unterdessen war Frank zurück aus dem Wald. Schmutzig, verschwitzt und mit einem Bärenhunger. Während er duschte, deckte Lina den Tisch auf der Terrasse, dekorierte ihn mit ein paar Blüten und stellte das erste kalte Bier an Franks Platz.
Er ließ es sich nicht nehmen, es in einem Zug auszutrinken und Lina holte rasch ein neues.
»Na, du meinst es aber gut mit mir. Schön, wenn der Mann von seiner Sub nach so einem langen Tag mit körperlicher Schwerstarbeit verwöhnt wird«, sagte er, zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn.
Lina wand sich aus seiner Umarmung und ging in die Küche, holte die Auflaufform stellte sie draußen auf den Tisch.
Frank guckte, Frank schnupperte. Frank rang mit sich und seiner Fassung, hatte er doch den ganzen Tag ein saftiges Steak vor dem inneren Auge gehabt oder die mediterran gewürzte Kalbshaxe, auf deren Zubereitung Lina sich perfekt verstand.
»Was ist das?«, fragte er, den Blick zwischen den Zwiebeln - immerhin die erkannte er - und Lina hin und her richtend.
»Das Rezept ist aus dem neuen Vollwertkochbuch, über das wir neulich gesprochen haben.« Linas Stimme wurde mit jedem Wort leiser und sie tat Frank auf, räusperte sich und wünschte ihm guten Appetit. Seine Antwort war ein Grummeln. Er ahnte, was da auf seine Geschmacksnerven zukommen würde. Seine Ahnung erwies sich als richtig, lediglich der Hunger trieb ihn an, seine Portion aufzuessen, wobei er die Konsistenz und Fadheit der Grütze mit reichlich kaltem Bier wegspülte. Das schmeckte ihm wenigstens und füllte auch seinen Magen. Lina würdigte er dabei keines Blickes. Es war ihm auch egal, dass sie nur lustlos in ihrer Portion herumstocherte und bald den Teller von sich schob.
Den Rest des Abends verbrachte Frank grummelnd und mit ein paar weiteren Bieren, verabschiedete sich bald - etwas von Müdigkeit murmelnd - ins Bett.
II. Am Tag danach
Beim Frühstück am nächsten Morgen grummelte er noch immer und taute erst auf, als Lina ihm für das kommende Wochenende ein Grillfest mit ein paar guten Freunden vorschlug. Nachdem sie ihm versprochen hatte, dass es reichlich Fleisch geben würde, kehrte seine gute Laune zurück und zusammen machten sie sich an die Planung.
Es würde Spieße geben: Lammfleisch mit einer orientalischen Marinade aus Paprikapulver, Ingwer, Kreuzkümmel, frischer Petersilie und frischem Koriander in allerbestem Olivenöl. Rindfleisch, eingelegt in Öl, das mit Knoblauch, Rosmarin und Thymian gewürzt war. Und Souvlaki mit viel Oregano und Zitronensaft.
Die Beilagen würden sie vom Caterer kommen lassen: Marokkanischen Artischocken-Linsen-Salat, griechischen Bauernsalat und einen italienischen Nudelsalat mit Rucola, getrockneten Tomaten und gerösteten Pinienkernen. Außerdem Auberginenmus, Chtipití, verschiedene Antipasti, Oliven und natürlich frische Baguettes.
Die kleine Gästeliste war schnell zusammengestellt. Es würden ausschließlich Freunde kommen, die Lina und Frank aus dem Club kannten. Leider bestand Frank darauf, Robert einzuladen. Das Ekelpaket, wie Lina ihn meist heimlich und manchmal auch Frank gegenüber nannte.
Beruf Investmentbanker, wobei sie sich stets fragte, ob er wirklich anderer Leute Geld investierte oder in der entsprechenden Abteilung der großen Privatbank lediglich die Papierkörbe leerte. Der weiße SUV, den er fuhr, sprach für Ersteres. Sie hasste SUVs und weiße ganz besonders. Weiße SUVs waren etwas für Frauen mit Silikonbrüsten und aufgespritzten Lippen, finanziert von ihren wohlhabenden und wohlgenährten Männern. Einen Bauch hatte Robert auch, dazu knubbelige Finger, eine feuchte Aussprache und häufig leichten Mundgeruch. Gerne brachte er neben seiner jeweiligen Lebensabschnittsgefährtin eine aktuelle Zweitsub mit in den Club oder zu privaten Einladungen.
Auf den Punkt gebracht: Lina konnte Robert nicht ausstehen.
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