Das heiß geliebte Halsband, ein breites, mit Leder unterlegtes Band aus Stahl, auf der Suche nach einer Novelle von Kafka. Doch mitunter findet man in einem Buchladen mehr als nur ein Buch.
Gerade mal drei Tage war ich aus dem Krankenhaus, versehen mit einer äußerst kleidsamen Plastikschiene ums rechte Bein und zwei lilaschwarzen Zweitbeinen (wir sind in den Neunzigern, Holzbein und Graumetalliclook sind out), als er mich abholte. Bewaffnet mit zwei Kryopacks, um ob der hochsommerlichen Temperaturen terroristischen Schmerzanschlägen des frisch genähten Knies vorzubeugen, fuhren wir geruhsam gen Norden. Na ja, halbwegs geruhsam, denn ich hatte als gestandenes Weiberl schon so meine Mühe, mich in der Position des Beifahrers wiederzufinden - in derselben bin ich nämlich schier gar nicht devot.
Dennoch erreichten wir wohlbehalten unseren Hafen - meinen Hafen, mein gelobtes Land. Denn ich wusste, dass die nächsten vier Wochen uns gehören, uns und unserer dunklen Leidenschaft. Doch zunächst war schlicht und ergreifend Ausschlafen angesagt. Nächsten morgens aber schon trug ich es wieder, mein heißgeliebtes Halsband, ein breites Band aus Stahl, mit Leder unterlegt und zwei großen stählernen Ringen, einen vorne in der Mitte und einen hinten, gerade neben dem Vorhängeschloss. Ich liebe das Gefühl dieses Ringes um meinen Nacken, liebe das leise Klingeln der metallenen Ringe, wenn ich mich bewege.
Einkaufen stand nun auf dem Programm. Also trotz der Hitze in die Stadt, denn ich hatte ihm von einer wunderschönen Novelle von Kafka erzählt, die mir schon damals im Deutschunterricht deutlich die Schauer über den ganzen Körper laufen ließ - allein ich verstand damals noch nicht warum. Also hinein in die Buchhandlung. Er blieb an einem Wühltisch mit Billigbüchern stehen und schaute sie durch.
Nach einer Weile setze ich an, mich umzudrehen und nach dem besagten Buch zu suchen.
Kaum habe ich meine Zweitbeine auch nur ansatzweise gewendet, als mich ein kurzes, knappes »Du bleibst hier!« ereilt.
Es ist schön, wenn alte Texte wieder ausgegraben werden und dann neu überdacht und kommentiert werden. Die Situation - das Spiel in der Öffentlichkeit ohne diese mit hineinzuziehen oder als Zuschauer zu brauchen - schafft eine spannende Situation, in der ich mich gut wiederfinden kann.
Die konkrete Nennung des Kafkatextes hätte der Geschichte mehr Inhalt gegeben. Um zu funktionieren braucht die kleine Geschichte den aber nicht.
Wenn ich auf die Form der Kurzgeschichte schaue, fehlt mir der direkte Einstieg in das Geschehen. Konkret: Wieviel Information rundrum brauche ich, um das Paar und die Situation zu kennen? Ich weiß es schlichtweg nicht, ob der Text ohne den langen Einstieg, ohne den Krankenhausaufenthalt und die Autofahrt und die eingeschränkte Beweglichkeit die gleiche Geschichte wäre.
Sprachlich finde ich wenige Stolperstellen - wie etwa "Nächsten morgens".
Insgesamt hat mir der Text gefallen, Anregung zum Weiterdenken gegeben und Lust gemacht, mal wieder etwas von Kafka und Tucholtsky zu lesen.
Tja, wäre interessant zu erfahren, welchen Kafka-Text sie da gesucht hat? Ansonsten ist alles Wichtige hier gesagt, mehr Worte braucht dieser Text nicht!
Wenige, dafür um so deutlichere Zeilen, ein wirklich schön erzähltes Beispiel, wie D/S im Alltag gelebt, in der (unwissenden) Öffentlichkeit praktiziert werden kann. Von dem Moment des knappen Befehls an, konnte man das Knistern förmlich greifen.
Ich mochte diese Leichtigkeit wie in dieser Beziehung diese besondere Leidenschaft ausgelebt wurde. Ein kleiner Ausschnitt wie man BDSM im Alltag leben kann. Danke für Deine Zeilen.
leider sehr kurz, dafür um so intensiver...es wundert mich, dass dieser kleine Text noch keine Kommentare hat, ist er doch schon so lange hier. Man stolpert halt immer mal wieder über so intesives..wenn man sucht