() Als Marc die Tür öffnete, leerte Tessa gerade den Inhalt ihrer Schreibtischschublade auf den Teppich. Mit großen Augen blieb er auf der Schwelle stehen. „Soll ich später wiederkommen?“
Sie verkniff es sich, die Augen zu verdrehen, weil er das respektlos fand, aber Lust auf seine Sprüche hatte sie trotzdem nicht. Wortlos, ohne aufzusehen, zeigte sie auf den jämmerlichen Haufen Münzen, den sie bis jetzt zusammen geklaubt hatte.
Langsam kam er ins Zimmer, stellte sich neben sie.
„Du brauchst Geld“, übersetzte er.
Sie nickte.
„Warum?“ Er klang verwirrt. „Neulich hast du doch noch erzählt, du hättest genug bis zum Monatsende.“
Sie biss die Zähne zusammen, schluckte ein paar wütende Tränen herunter. „Um zehn startet der Geheimverkauf für den dunklen Ball.“
„Der, der immer sofort ausverkauft ist.“
Tessa nickte grimmig. Seit anderthalb Jahren versuchte sie schon, es endlich auch einmal zu schaffen, aber obwohl es alle paar Monate einen gab, wollte es einfach nicht klappen. Irgendwas war immer. Und dabei hatte sie alles schon seit Monaten im Schrank liegen: Kleid, Maske, sogar die kniehohen Schnürstiefel mit den Absätzen. Sie hatte in der WhatsApp-Gruppe gefragt und so gut wie jeder ihrer Freunde würde um zehn vor dem Rechner sitzen. Nur sie nicht. Sie war pleite.
Marc schob ein paar Münzen beiseite. Zählte durch, obwohl es offensichtlich nicht reichte. „Ich dachte, du hättest dafür gespart?“
„Rechnungen“, knurrte sie. Nebenkostennachzahlung - sie hatte begonnen, das Wort zu hassen.
Er nickte mitfühlend. Wahrscheinlich war er genauso knapp bei Kasse. Unter anderem funktionierte es deswegen so gut bei ihnen - sie konnten beide keine 25-Euro-Eintrittspreise für irgendwelche Clubs bezahlen oder ‘freiwillig’ zehn Euro für Jams spenden. Sie blieben lieber zuhause und hatten da ihren Spaß, und keiner musste den Gürtel noch enger schnallen als sowieso schon.
Von ihrer Clique hatten bisher deswegen nur zwei, drei Leute Marc kennengelernt, aber das war eigentlich auch ein Pluspunkt. Tessa und ihr mysteriöser Dom - manchmal machte es Spaß, den anderen beim Spekulieren zuzuhören und lächelnd zu schweigen.
Manchmal würde sie aber auch gerne auf Partys gehen, ohne dafür auf Lebensmittel verzichten zu müssen.
Marc tätschelte ihre Schultern. „Es gibt bestimmt bald den nächsten“, versicherte er.
Das hatte er beim letzten Mal auch schon gesagt. Tessa drehte den Kopf zur Seite, damit er ihre Augen nicht rollen sah. „Dir ist der Ball eh egal, ich weiß.“
„Hey.“
Tessa hatte ihre langen Locken mit einem Pferdeschwanz gebändigt. Er zupfte an einer Strähne und sah sie prüfend an. „Redest du so mit mir?“
Sie senkte den Kopf. Er konnte ja auch nichts dafür. „Entschuldigung“, murmelte sie.
„Besser.“ Er hockte sich neben sie. „Vielleicht leiht es dir jemand?“
Tessa schüttelte den Kopf. „Dann habe ich nächsten Monat nichts zu essen. Ich muss einfach mehr Geld verdienen und hoffen, dass der nächste Ball diesmal nicht so lange hin ist.“ Knurrend schob sie die Münzen beiseite. „Am liebsten würde ich sie alle einschmelzen.“
Marc küsste ihre Schläfe. „Davon kannst du dir erst recht keine Eintrittskarte kaufen.“
„Aber dann hätte ich wenigstens was zu tun, anstatt den Rest des Abends auf die Uhr zu starren und mich zu ärgern.“
„Wie wärs mit Sex?“ Er grinste.
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