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Susannas erstes Spiel (Teil 1)

Susanna und Richard treffen sich zum ersten Mal. Beide verbindet eine dunkle Leidenschaft und heute soll sie auf die Probe gestellt werden: Der gemeinsame Besuch einer SM-Party auf einem herrschaftlichen Schloss wird zeigen, ob Fantasie und Wirklichkeit zueinander passen. Wer weiß schon, was ihnen an diesem Abend begegnen wird. Und wer weiß, ob Susanna am Ende tatsächlich Richards Sub sein möchte.

Eine BDSM-Geschichte von Schattenzeilen und Jona Mondlicht und ungewiss und Margaux Navara und Lucia und Schattenwölfin und G Horsam und emily und Belles Follies.

  • Info: Veröffentlicht am 18.10.2013 in der Rubrik BDSM.

  • Folge: Dieser Text ist Teil einer Reihe.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

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Acht Autorinnen und Autoren, ein gemeinsam erdachter Plot mit ebenso entwickelten Figuren und gut anderthalb Stunden reine Schreibzeit brachten diese Gemeinschaftsgeschichte während der Schreibwerkstatt 2013 (»Schreibwerkstatt 2013«) hervor.

 

Richard schiebt sich den Ärmel seines schwarzen Hemdes eine Handbreit nach oben, dreht die Armbanduhr zu sich. Zehn Minuten bleiben noch. Zehn Minuten bis zu einem Moment, den er sich seit Wochen herbei wünscht. Für den seine Gedanken unzählige Geschichten ersponnen haben: Wie er sich anfühlen wird, was er verändern wird, was nach ihm geschehen wird. Seitdem Susanna ihm nach anfänglichem Zögern zugesichert hat, auf dem Schloss zu erscheinen, begleiten sein Leben unzählige Nebenstränge - alle frei erfundene, wunderbare und spannende Fantasien zugleich. Aber keine von ihnen mit Garantie.

Richard tritt einen Schritt zurück, als ein Pärchen das Tor mit dem Eisengitter passieren möchte. Sie, ganz in Lack und mit streng nach hinten gekämmten Haaren, er mit einem Halsband hinter ihr. Kurz schaut er ihnen nach. Er würde sich nicht von Susanna an ein Halsband nehmen lassen. Susanna würde es nicht wagen, ihm jemals eines anzulegen. Als er sie ihm Chat kennen gelernt hatte, bemerkte er schnell, dass sie seinen Vorstellungen entsprach. Sich unterordnete, ganz ohne, dass ihr bewusst war, was sie da tat. Sie hatten Nächte mit Buchstaben gefüllt, Zeile für Zeile. Sie, die vierzigjährige Frau mit grünen Augen. Er, der nicht wesentlich ältere Mann mit grau melierten Haaren. Das war die Ausgangssituation. Das, was auf den virtuellen Visitenkarten stand. Alles darüber hinaus hat er Susanna in vielen Nächten entlockt.

Heute wird er sie treffen. Zum ersten Mal. 

Richard schaut noch einmal auf die Uhr. Es ist soweit. Er wendet seinen Blick nach rechts und links, aber der Weg ist leer. Die Party auf dem Schloss findet nur für geladene Gäste statt, es gibt keinen Andrang. Und für ihn war es nicht leicht, eine der begehrten Eintrittskarten zu erhalten. Würde Susanna nicht kommen, zu ängstlich sein und ihr Wort brechen, hätte er sich umsonst bemüht. Er glaubt nicht daran.

Ein Taxi biegt um die Ecke, beschleunigt kurz, rollt aus. Hält ihm direkt vor den Füßen. Richard bemüht sich, den Fahrgast zu sehen, aber die Scheiben spiegeln. Einen Moment ringt er mit sich, die Tür zu öffnen, wie es sich gehört, wenn man eine Dame aussteigen lassen möchte. Dann entscheidet er sich dagegen. Zu groß die Gefahr, dass er einem Mann mit Halsband beim Aussteigen hilft. Oder einer Frau, die ihn gar nicht kennt. Was weiß er schon von Susanna mit den grünen Augen?

Mit einem dunklen Klacken öffnet sich die Tür. Erst einen Spalt, dann wird sie mit Schwung aufgestoßen. Zwei Stiefel mit furchtbar hohen Absätzen tasten unsicher nach dem Boden. Verharren. Als sei die Zeit stehen geblieben.

Richard beugt sich ein wenig nach vorn, sucht eine Mischung aus gezeigtem Interesse und Gleichgültigkeit, um sich in keinem Fall zu blamieren. Susanna? Dann geschieht es. Er hört zum ersten Mal ihre Stimme. Ganz real. Sehr weiblich, sanft, aber auch ein wenig unsicher. »Richard?«

Er gibt sich Mühe, schnell am Wagen zu sein. Natürlich, pünktlich auf die Minute ist sie hier, wie hätte es anders sein können? Schließlich hatte er ihr die Zeit genannt. »Susanna!« Eine Hand greift nach seiner ausgestreckten, fühlt sich warm und weich an. Er hilft ihr aus dem Wagen, ein wenig ungelenk sieht es aus und er weiß nicht so genau, ob es nun an ihm liegt oder an diesen endlos hohen Absätzen ihrer Schuhe.

Sie lässt seine Hand nicht los, stützt sich ein wenig ab.

»Guten Abend«, presst Richard heraus. Was er sieht, verschlägt ihm die Sprache. Susanna ist nicht einfach nur vierzig Jahre alt mit grünen Augen. So, wie sie vor ihm steht, spielt sie heute Abend womöglich nicht nur bei ihm eine Hauptrolle. Er vermeidet es, sie von oben nach unten anzusehen, aber er nimmt genug wahr. Einen Godet-Rock, schwarz, eng um die Hüften. Ein Brokat-Korsett, das sie nur mit Mühe selbst geschnürt haben kann. Und dann das, was ihn wirklich am meisten beeindruckt: Die grünen Augen. Ein Leuchten, wie er es noch nie gesehen hat.

»Alles gut?«, hört er Susanna fragen. »Richard?«

Er räuspert sich. »Natürlich, entschuldige. Du siehst einfach atemberaubend aus.« Er ist sich bewusst, dass er untertrieben hat.

»Atemberaubend ist es tatsächlich.« Susanna lächelt verlegen. »Geht man nicht so dorthin, auf diese Party?« Sie schwankt ein wenig.

Richard findet seine Selbstsicherheit wieder. »Ja, geht man.« Er schaut auf ihre Schuhe. »Kannst du?«

»Na hör mal«, sagt Susanna, »ich laufe doch nicht zum ersten Mal auf den Dingern.«

Richard ist nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagt. Als sie nickt, bietet er ihr ohne Kommentar seinen Arm an.

»Die Tür«, sagt Susanna.

»Die Tür?« Richard weiß nicht, was sie meint, schaut zu dem Eisentor, welches den Weg zum Schloss eröffnet.

Susanna lächelt. »Die Tür vom Taxi.«

Richard lächelt zurück. »Selbstverständlich, junge Frau.« Er muss sie nicht einmal loslassen, um der Tür mit dem Fuß einen Schwung zu geben. Ein wenig zu viel, ein wenig zu laut.

»Danke, der Herr«, wispert Susanna, als hätte es eine besondere Bedeutung.

 

Als sie die ersten Schritte laufen, bemerkt Richard, dass es eine Lüge war. Susanna hat Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Jeder Pflasterstein, jeder Schritt sind eine Herausforderung für sie. »Ich freue mich, dass du hier bist«, sagt Richard und beschließt, sich einstweilen nicht zu den Schuhen zu äußern. »Und ich freue mich, dass wir uns endlich sehen.«

Susanna ist mit Gehen beschäftigt. Richard versucht, sie nicht nur zu führen, sondern manchen ihrer Wackler auszutarieren. »Hast du Angst?«

»Vor dir?«, fragt Susanna.

»Nein. Vor der Party, vor dem Abend. Du hast geschrieben, dass du so etwas noch nie erlebt hast.«

Susanna knickt ein wenig zur Seite, fängt sich aber schnell wieder. »Nein, keine Angst. Du passt doch auf mich auf, oder?«

»Ja«, sagt Richard. »Natürlich.«

Sie passieren eine Häuserfront, tasten sich über eine schmale Brücke. Vor ihnen taucht ein herrschaftliches Schloss auf, dessen Mauern von flackernden Fackeln beschienen werden. Großartig sieht es aus. Monumental. Geheimnisvoll.

»Beeindruckend«, sagt Susanna.

An einer Seite der Burgmauer steht ein Mann mit einem schwarzen Umhang, dessen Kapuze beinahe über das ganze Gesicht fällt. Er streckt die Hand aus, als Richard und Susanna ihn erreichen. »Nur für geladene Gäste.« Richard reicht ihm die Einladung und der Mann gibt den Weg frei.

Als sie den Schlosshof einsehen können, bemerkt Richard, dass Susanna zögert. Sie bleibt nicht auf seiner Höhe, hält sich ein wenig mehr fest. Sofort bleibt er stehen, greift ihr mit den Händen an die Arme. »Was ist? Dir geht es gut?«

»Schau mal«, antwortet Susanna und blickt über seine Schultern hinweg. »Schau dir das mal an!« Richard wendet den Kopf. Mehrere Personen stehen auf dem Burghof und unterhalten sich. Sie tragen Kostüme, Lederkleidung, weite Röcke aus Lack. Manche von ihnen auch viel weniger.

»Kleider machen Leute«, scherzt Richard. Als er auf dem Boden neben einer Frau den Mann entdeckt, der vorhin an ihm vorüber ging, fügt er an: »Manchmal auch nicht.«

Susanna rückt dicht an ihn. Richard stockt der Atem, als er ihr Korsett so nah an seinem Körper fühlt. »Und da wollen wir hin?«, flüstert sie.

Richard ahnt, dass Susanna ein wenig erschrocken ist. Nicht vor den Menschen, nicht vor deren Kleidung, nicht vor deren Obsession. Sie ist erschrocken darüber, dass sie selbst dazu gehört. Dass auch sie diese Leidenschaft in sich trägt. Diese Welt ist ihr noch fremd, auch wenn sie ein Teil von ihr war, bevor sie sich dessen bewusst wurde. Wie oft haben sie im Chat darüber gesprochen. Über die Neugier, die Faszination. Darüber, dass man sich ihrer nicht erwehren kann.

»Wir gehören dazu«, sagt Richard und bemüht sich um eine ruhige, sanfte Stimme. »Du, ich. Was hast du mir erst gestern Abend geschrieben?«

Susanna kann noch immer den Blick nicht lösen. »Was ich schrieb?« Sie sagt es beinahe abwesend.

Richard lächelt. »Dass du es endlich erleben willst. Das hast du geschrieben.« Er greift ihr Kinn, entfesselt ihren Blick von der Menschenmenge und zwingt sie, ihm in die Augen zu sehen. »Es wird nichts passieren, Susanna. Niemand wird über dich her fallen. Ich bleibe in jedem Fall an deiner Seite. Versprochen.«

Susanna nickt langsam. Als Richard in ihren Augen dieses grüne Leuchten wiederfindet, entscheidet er für sie. Hakt sie ein, zieht sie sanft mit sich der Menschenmenge entgegen. Er fühlt, wie jeder Eindruck die Frau an seiner Seite erreicht, liest aus jeder ihrer Bewegungen Neugier, mitunter Vorsicht, manchmal Erleichterung, gelegentlich auch Zögern. Er zwingt sie nie zu einem gleichmäßigen Tempo, aber er führt sie stets unnachgiebig vorwärts. Zeigt ihr, dass für ihn keine Umkehr in Frage kommt.

So passieren sie die Grüppchen auf dem Hof und Susanna erwirkt einen deutlichen Bogen um den zu den Füßen der Frau kauernden Mann. Sie steigen die ersten Steinstufen empor, auf denen Susanna das Raunen der Menschen in Stolz auf sich selbst umwandelt. Auf denen sie tatsächlich sicherer zu laufen beginnt. Sie gehen an einem großen Tisch mit Sektgläsern vorüber und Susanna lässt sich ohne Zier ein Glas reichen von einem Herrn, der in nicht mehr als ein paar Lederriemen gekleidet ist. Angst weicht Neugier. Selbstsicherheit schiebt Bedenken beiseite. Immer mehr.

Als sie schließlich den Saal erreichen, glaubt Richard, dass er Susanna nicht mehr führt, sondern sie begleitet. Er sieht zu ihr herüber. »Du fühlst dich wohl?«

Ihre Augen hasten zu ihm. »Ja«, sagt sie. »Das war doch nun wirklich nicht schwer.«

Lüge, denkt Richard. Aber er sagt es nicht. Er ist gespannt, was der Abend bringen wird.

 

Susanna kann kaum mit diesen vielen Eindrücken fertig werden. Alles ist in das warme Licht von unendlich vielen Kerzen getaucht. Voller Staunen und Ehrfurcht geht sie mit Richard von der imposanten Eingangshalle über die geschwungene Steintreppe in die obere Galerie. Leise schweben dezente mystische Klänge aus den Ecken. Richard legt Susanna seine Hand in den Rücken und schiebt sie auf der Galerie weiter. Vor einer großen schweren Flügeltür bleibt er stehen und schaut ihr mit intensivem Blick in die grünen geweiteten Augen.

»Bereit für neue Erfahrungen?«, raunt er ihr zu.

Mit zittriger Stimme gibt sie ein kaum hörbares »Ja« zurück.

Richard öffnet daraufhin einen Flügel der Tür, nimmt ihre Hand und führt sie über einen dicken, dunklen Teppich zu einer bequemen Ledercouch. Mit niedergeschlagenen Augen lässt sie sich kerzengerade darauf nieder. Die enge Schnürung ihres Korsetts und ihre Aufregung lassen sie nur in kurzen, flachen Stößen atmen. Schmunzelnd sagt Richard: »Schau hoch, sonst verpasst du das Beste.«

Langsam hebt sie die Augen und schaut sich im Salon um. Im Zentrum ist ein großes, schwarzes Andreaskreuz aufgebaut. Nur das weiche Kerzenlicht nimmt ihm die Bedrohlichkeit, zaubert Reflexe auf dunkelrote stoffbezogene Wände. Ein großer, bullig wirkender Mann in Lederhose und hellem Hemd zieht auf einmal eine junge zerbrechlich scheinende Rothaarige an Handfesseln hinter sich her in den Salon. Fast derb zerrt er ihr das durchscheinende Gewand vom Körper und fesselt sie schnell und geschickt an das Andreaskreuz. Mit gespreizten Beinen und erhobenen Armen steht sie nun mit dem Rücken zu Susanna und Richard am Kreuz.

Susanna kann nur gebannt auf die zarte helle Haut starren, sieht, wie sich eine leichte Gänsehaut darauf bildet. Da tritt der Mann dicht an seine Spielpartnerin heran, scheint ihr etwas zuzuflüstern, sie nickt bereitwillig. Langsam und genüsslich streichen seine derben Hände über ihre Konturen, scannen ihren Körper. Gänzlich, von oben nach unten und wieder nach oben. Nach diesem Ritual tritt er zurück und nimmt irgendetwas von einer Kommode an der Wand. Breitbeinig bezieht er einige Schritte hinter dem Rücken seiner Partnerin Stellung.

Gezielt holt er mit seinem rechten Arm aus und setzt mit einem Flogger präzise Schläge erst auf den runden Po, dann auf die Oberschenkel. Aufstöhnend zuckt und windet sich die Rothaarige in ihren Fesseln. Schlag um Schlag scheint sie zu genießen, driftet ab, bis sie mit einem letzten Schrei in sich zusammensinkt. Ihr Partner wirft das Schlaginstrument zu Seite, springt zu ihr, befreit sie von den Fesseln und lässt sich mit ihr zu Boden gleiten, umfängt sie liebevoll.

Als sei es ein Signal, zieht Richard die gebannte Susanna auf die Beine, verlässt mit ihr den Raum und schließt leise die Flügeltür hinter dem Paar. »Dieser Augenblick sei nur den Beiden gegönnt«, erklärt Richard flüsternd an Susannas Ohr.

 

Erfüllt von all diesen neuen Eindrücken und ganz verloren in ihren eigenen Gedanken, verlässt Susanna hinter Richard den Raum. Das Gesehene beschäftigt sie, vor allem aber überlegt sie, ob sie sich in dieser Welt wiederfindet. Im Chat, als erotische Phantasie, hatte alles so einfach geklungen, in ihren nächtlichen Träumen hatte es sie erregt, einem gut aussehenden Fremden ausgeliefert zu sein. Diese Vorstellungen waren weit entfernt vom tatsächlichen Geschehen gewesen, kaum real und ohne echten Schmerz. Nun hat sie gesehen, wie es ist, wenn eine Frau ganz real gequält wird. Hatte hautnah deren Qual, aber auch Lust am Leid miterlebt. Ein Schauer läuft über ihren Rücken. Zum ersten Mal an diesem Abend droht aus Unsicherheit und diffuser Furcht echte Panik zu werden.

Plötzlich und unvermittelt bleibt Richard stehen. So abrupt, dass sie fast gegen ihn läuft. Gerade noch kann sie sich bremsen und ihr Gleichgewicht auf den hohen Absätzen wahren. Bevor sie sich auch nur verwundert nach dem Grund fragen kann, entfaltet sich schon fast bühnenreif eine Szene vor ihren Augen.

Richard gegenüber steht ein Frau: Groß, schlank, platinblond, die eisblauen Augen zu engen Schlitzen verengt. »Sie sieht aus wie die Eisprinzessin aus dem Märchen von Christian Andersen«, schießt es Susanna durch den Kopf. Wie eine lässig gesetzte Fußnote eines genial-lässigen Regisseurs ertönen die wütend-trotzigen Töne von Subway to Sallys »Schneekönigin« aus dem Lautsprecher hinter ihr.

Wütend funkeln ihn die Augen der Fremden an, Blicke wie aus Eis. »Hallo Richard, lange nicht gesehen«, klirrt ihre Stimme, zitternd vor unterdrücktem Zorn. Mit einer Bewegung, die lässig wirken soll, reicht sie ihm die rechte Hand. Ein schmaler silberner Ring mit Triskele ziert ihren Ringfinger.

»Auch eine Sub! Seine Sub?«, denkt Susanna verwirrt.

»Guten Abend, Angela«, begrüßt Richard die Andere mit ruhiger Stimme, beugt sich in einer formvollendeten Geste über ihre Hand und haucht mit einem ironischen Lächeln einen Kuss auf deren Rücken. »Wie überaus nett, dich hier zu treffen.«

»Nett. Nett! Nett? Soll ich dir mal sagen, was ich nett finden würde?" Der Anderen ist anzumerken, dass sie sich kaum noch beherrschen kann. „Nett hätte ich es gefunden, wenn ich dich vorher wieder getroffen hätte. Nett hätte ich es gefunden, wenn ich vorher wieder von dir gehört hätte. Nett hätte ich es gefunden, wenn du auf meine Anrufe reagiert hättest. Nett hätte ich es gefunden...«

Wie von einem Schwert durchtrennt bricht ihr Monolog ab. Richard hat ihr Handgelenk ergriffen und umspannt es mit festem Griff. Mit ruhigem Blick schaut er ihr wortlos in die Augen. Verunsichert weicht die Frau seinem Blick aus.

»Wie kannst du es wagen?« Leise, aber bestimmt stellt er ihr diese Frage. »Was sollen die Vorwürfe? Haben wir das nicht alles längst geklärt? Unser Verhältnis ist vorbei, unsere Beziehung beendet. Du bist nicht mehr meine Sklavin. Du bist frei!«

»Frei. Frei! Frei?« Inzwischen klingt die Stimme der anderen nicht mehr eisig, nicht mehr nach unterdrücktem Zorn. Verzweiflung ist herauszuhören, Schmerz, Trauer, Verunsicherung. »Wie soll ich denn frei sein? Wie kann ich denn frei sein nach der Zeit mit dir? Wie soll ich denn weiterleben ohne dich?«

»Ach Angela, erspare mir doch diese Szenen. Die Rolle der Drama-Queen steht dir nicht. Contenance, meine Liebe, Contenance. Besinne dich auf deine Herkunft. Bleib die, die du schon immer warst. Die kühle Blonde aus der hanseatischen Kaufmannsfamilie.«

Die Andere öffnet den Mund zum Reden und will Richard widersprechen, will weiter argumentieren, will weiter diskutieren, will weiter kämpfen. Zu viel steht für sie auf dem Spiel. Bevor sie aber auch nur einen weiteren Ton herausbringen kann, hat sich Richards Hand auf ihren Mund gelegt, versiegelt die schmalen Lippen. Wieder schaut er ihr nur in die Augen, bezwingt sie mit grauem, stahlhartem Blick.

Die Augen der Anderen öffnen und schließen sich in immer schneller werdendem Rhythmus. So als wolle sie ihm all die nun unterdrückten Worte und Sätze mit einem ganz eigenen Morsealphabet schneller Wimpernschläge zusenden.

»Genug, Angela!« Seine Stimme ist immer noch leise, gefährlich leise. »Es ist vorbei. Es war schon vor Wochen genug. Es ist schon lange vorbei. Wenn dir deine Stellung in unserer Welt auch nur das Geringste bedeutet, schweig jetzt. Wenn du dir deine Rolle bewahren willst, finde deine Demut wieder. Wenn du deinen Platz kennst, dann nimm ihn ein. Jetzt, sofort, auf der Stelle!«

Dann lässt er ihr Handgelenk los. Mit einem letzten Blick in ihre Augen nimmt er die andere Hand von ihrem Mund. Am ganzen Körper zitternd, sinkt die Andere vor ihm zu Boden, kniet vor ihm, den Kopf demütig gesenkt, die Augen abgewendet von seinem strengen Blick.

»Ja, mon Sire! Verzeiht, mein Herr! Wie Ihr befehlt, mein Herr.« Ihre Stimme verliert sich in einem leisen Flüstern.

Ohne die Andere eines weiteren Blickes zu würdigen, geht Richard weiter. Doch Susanna fühlt sich schmerzhaft aus ihrem Traum auf den harten Boden der Realität gerissen. Sie hat das Gefühl zu schwanken, verliert den Blick dafür, welche dieser Welten die reale ist: Die, in der sich zwei Liebende dem Schmerz hingeben und dabei zugleich so zärtlich und zugewandt wirken wie das Paar auf der Galerie. Oder jene, die eine Frau wie die stolze Blonde gedemütigt und beinahe gebrochen zurück lässt. Panik macht sich in ihrer Brust breit. Sie hat das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, als Richard sich zu ihr umdreht und ihr auffordernd die Hand entgegen hält.

Überfordert schüttelt sie den Kopf. Sie will jetzt nicht mit ihm reden. Sie kann jetzt nicht mit ihm reden. Zuerst muss sie Ordnung in ihre Gedanken bekommen. »Ich bin gleich wieder da«, ruft sie ihm gehetzt zu und flüchtet einen langen Gang hinunter, auf der Suche nach der Damentoilette.

 

Im Vorbeigehen wirft sie einen Blick in die Küche. Es brodelt und dampft. Susanna bleibt stehen. Eine große Frau in einem eng anliegenden Minikleid aus schwarzem Latex und einem blutroten Taillenkorsett geht mit stolzen Schritten zwischen den Kochzeilen aus Edelstahl entlang. Die hohen Absätze der Lackpumps klacken auf dem gefliesten Küchenboden. Sie schreitet die Reihen der emsig arbeitenden Küchenhelfer mit kritischem Blick ab. Junge Frauen und Männer mit schwarzen Kochmützen aus Leder auf den Köpfen und lediglich mit hautfarbenen Latexschürzen bekleidet, sind emsig mit der Zubereitung der Speisen für das Büfett beschäftigt.

Ein kurzes Nicken der Lady, wie Susanna die wohl knapp zwei Meter große Frau für sich benannt hat, und die jungen Frauen und Männer heben Deckel von den Töpfen, halten den Schneebesen inne und der Lady die Schüsseln oder Saucieren unter die Nase. Ein kaum wahrnehmbares Schnuppern, ein kaum wahrnehmbares Hochziehen der Augenbraue, ein viel weniger als kaum wahrnehmbares Lächeln zeigen, ob sie mit den Dargebotenen zufrieden ist oder nicht.

Susanna meint förmlich zu spüren, wie die Küchenhelfer sich fühlen mögen. Sie hält die Luft an, als die Lady sich neben einer zierlichen Frau, unter deren Kochmütze ein paar rote Locken hervorblitzen, über eine große Schüssel beugt. Die Lady richtet sich auf. Die zierliche Frau scheint noch kleiner zu werden.

»Was ist das?« Augenblicklich herrscht Ruhe in der Küche, man hat den Eindruck, auch das Brodeln in den Töpfen sei vor Ehrfurcht verstummt.

»Eischnee?«, kommt es zögernd aus den scheinbar blutleeren Lippen der Rothaarigen.

Ein Knall unterbricht die Stille, schnell hat die Lady zu einer Ohrfeige ausgeholt und sie der jungen Frau verpasst. »Solange du in meiner Küche dienst, wirst du keine Frage mehr mit einer Gegenfrage beantworten. Ist das deutlich?!«

»Ja!«

»Ja?«

»Ja, Küchenmeisterin, ich werde auf Ihre Fragen nicht mit Gegenfragen antworten. Ich bitte um Verzeihung.«

Die Lady blickt die junge Frau zunächst an, ohne dass ihr Gesicht irgendeine Regung zeigt. Sie verzögert die Wiederholung ihrer Frage und sieht abfällig in Richtung der Schüssel: »Was ist das?«

»Eischnee, Küchenmeisterin, Eischnee für das Dessert.«

Der Knall einer weiteren Ohrfeige schallt durch den Raum. Alle anderen Küchenhelfer haben ihre Arbeiten längst eingestellt und beobachten, wie Susanna aus dem Türrahmen heraus, die Szene.

»Dein Eischnee, erzeugt bei mir Augenschmerzen. Das ist keine Konsistenz, das ist ein Nichts. Das mag zu dir passen, aber unseren Gästen ist das so nicht vorzusetzen.«

»Es tut mir leid, Küchenmeisterin.« Ein Flüstern.

»Wie viele Eier hast du hierfür verschwendet?«

»Zwölf, Küchenmeisterin.« Die nächste Ohrfeige. »Ich habe zwölf Eier verschwendet, Küchenmeisterin.« Die Augen der Rothaarigen haben sich mit Tränen gefüllt.

Die Lady wendet sich einem jungen Burschen zu und herrscht ihn an: »Zwölf Eier, aber schnell, bevor ich mir deine schnappe! Und du«, sie spricht eine weitere junge Frau an: »Du bringst mir die neunschwänzige Katze von der Garderobe. Die Verschwendung von Eiern lasse ich nicht ungesühnt.«

Die Rothaarige zuckt bei diesen Worten zusammen. Der junge Bursche kommt mit einem großen Eierkarton angelaufen.

»Du trennst die Eier, junges Fräulein, und wehe dir, auch nur eine Spur des Eigelbs wandert in die Schüssel für den Eischnee, dann bleibt es nicht bei zwölf Peitschenhieben.«

»Jawohl, Küchenmeisterin, ich habe verstanden. Ich gebe mir Mühe. Es wird nichts danebengehen.« Die Rothaarige beginnt, mit zittrigen Fingern die Eier über einer neuen Schüssel zu trennen. Nach und nach werden ihre Hände ruhiger. Unter den strengen Blicken der Lady, die inzwischen die Peitsche in ihrer rechten Hand hält, arbeitet sie sich voran. Susanna zählt von ihrem Platz aus mit. Beim elften Ei - im Gesicht der jungen Frau ist schon eine gewisse Erleichterung erkennbar - holt die Lady aus. Sie lässt die neunschwänzige Katze auf die Fliesen knallen. Die eben noch ruhiger werdende Küchenhilfe schrickt zusammen, Ei Nummer elf landet mitsamt der Schale in der Schüssel.

»21 verschwendete Eier, wenn ich richtig zähle?«

»Ja, Küchenmeisterin, 21 verschwendete Eier!«

»Von wem?«

»Von mir, Küchenmeisterin.«

»Was?«

»21 von mir verschwendete Eier, Küchenmeisterin.«

»Du wirst die nächsten Tage nicht gerne sitzen.«

»Nein, Küchenmeisterin, ich werde nicht gerne sitzen.«

»Warum nicht?«

»Wegen meiner Strafe, Küchenmeisterin, der Peitschenhiebe.«

»Bück Dich!«

Jetzt wird die Geschichte heiß!

Natürlich ist die Geschichte nicht an dieser Stelle zuende. Im Gegenteil: Ab hier geht es zur Sache. Darum dürfen wir dir die weitere Handlung im Moment nicht frei zugänglich machen. Wir bitten dich um Verständnis, dass wir den Jugendschutz ernst nehmen.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Jaw

29.04.2024 um 23:34 Uhr

Gefällt mir sehr gut ☺️

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Efstratia Schober

Gelöscht.

04.10.2022 um 03:17 Uhr

Echt schön

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Gelöscht.

28.04.2021 um 03:35 Uhr

Mir fehlt der "rote Faden". Schade, denn der Anfang war vielversprechend, bevor Nebenschauplätze handlungstragend wurden und die eigentliche Geschichte ersetzten. Ich erkenne kein Motiv, keine Aussage dieser ansonsten gut geschriebenen Geschichte.

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Gelöscht.

08.01.2020 um 23:34 Uhr

Danke

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Gelöscht.

16.11.2018 um 04:06 Uhr

Zuviele Klischees, Der Umgang mit der verflossenen Sub lässt leider tief blicken, erinnert an Einweggeschirr, benützt und wegggeworfen.

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03.08.2018 um 08:47 Uhr

Ich weiß nicht... da sind mir mehrere Eimer Klischees ausgekippt.

Bis jetzt nicht mein Fall.

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Meister Y

Autor. Förderer.

19.02.2018 um 12:06 Uhr

Auch ich kann nur sagen märchenhaft schön.

 

Dem Autorenteam kann ich nur "Danke" sagen. Die Story liest sich flüssig, ist ein seichtes Geplätscher von Klischees, die man schöner gar nicht platzieren kann. Klasse aussehende Anfängerin trifft erfahrenen Dom, der sie sanft beschützt. Ihr die Entscheidung zu gehen überlässt, als sie Dinge sieht, mit denen sie nicht gerechnet hat. Wo spielt so etwas, klar in einem Schloss.

So schön, dass auch ich mich frage, ob ich mich in Richard oder gar Susanna getäuscht habe. So schön, dass es schwer ist, der Versuchung zu widerstehen, gleich weiter zu lesen.

 

Ein Kompliment an dieser Stelle noch. Etwas ganz besonderes ist, wenn man beim Lesen nicht merkt, dass so eine Geschichte nicht aus einer Hand sondern aus vieler Hände stammt!

 

Danke für wirklich schöne Zeilen.

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hanne lotte

Autorin. Förderer.

15.02.2018 um 21:19 Uhr

Wie im Märchen. Erfahrener fürsorglicher Dom führt unrfahrene Sub in die geheimnisvolle Welt des SM ein. Garantiert Schutz und Konsequenz. Da hat die Susanna wirklich Glück gehabt. So gefällt mir das.

 

Hat sie wirklich Glück gehabt? Gutaussehend ist er auch noch.

 

Oder ist sie einfach nur blauäugig?

 

Seine Ex hat er jedenfalls sauber abserviert. Das sollte Susanna zu denken geben. So bändigt man(n) vorlaute subbies.

 

Ich bin auf Teil II gespannt. Wird Richard die Maske fallen lassen? Also jetzt schon. Oder vielleicht doch erst später, wenn keiner mehr mitliest?

 

Danke für behutsam im Nacken gekrault

hanne

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Gelöscht.

08.07.2017 um 02:46 Uhr

gespannt auf nächsten teil

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Gelöscht.

22.09.2016 um 00:24 Uhr

Super Geschichte, tolle Erzählung mit viel Spannung.

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