Diese Geschichte erreichte Platz 4 im Schreibwettbewerb "Erotische Sommernachtsfantasie" (»Schreibwettbewerb: Sommernachtsfantasie«).
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Über Neuzelle fahre ich in Richtung Frankfurt, biege auf die Autobahn, erreiche nach guten hundert Kilometern Schönefeld. Im Parkhaus löse ich mein Ticket. Es ist sechzehn Uhr, ich bin spät dran. Da ich lediglich mit Handgepäck reise, ist das kein Problem. An der Personenkontrolle schaut die Sicherheitsfrau in meine Handtasche.
„Der Hund ist schon in Palma“, sage ich, während die Frau darüber nachdenkt, ob ich mit Halsband und Leine zu einer terroristischen Aktion fähig wäre. Sie nickt mir nach einigen Sekunden freundlich zu. Hinter der Schleuse ziehe ich einen Kaffee im Plastikbecher aus dem Automaten, nehme gegen den Durst eine PET-Flasche voller Wasser. Nach dem Aufruf warte ich, gehe als letzte zum Schalter, werfe die angetrunkene Flasche und den Plastikbecher in den Müll, suche meinen Platz im Flugzeug, habe Glück. Ein ruhiges älteres Paar sitzt neben mir. Jungfamilien, Kinder, solvente ältere Knaben oder schwatzende Frauen mag ich nicht. Kurz nach fünf startet das Flugzeug. Ich bestelle ein Menü. Es kommt in Plastik. Zahlen, essen, lesen. Noch ist es hell draußen, wolkenfrei. Kurz vor acht landet die Maschine. Zweitausend Kilometer, das sind hundert Liter Kerosin, setze ich fünf Liter auf hundert Passagierkilometer an.
Für meinen Leihwagen musste ich ein paar Mal telefonieren. Ein Auto mit richtigem Kofferraum ist schwer zu bekommen. Von Palma fahre ich nach Norden in Richtung Can Picafort, eine Stunde, knappe siebzig Kilometer. Ich halte zwischendurch an einem Baumarkt in Manacor, kaufe Kabelbinder, zwanzig Meter dünnes Seil, eine Schere, ein Stück Kabel, gummiummantelt. Dabei denke ich an die Sicherheitsfrau am Flughafen. Die Sonne neigt sich, als ich den Baumarkt verlasse. Ich habe noch mehr als zwei Stunden Zeit, fahre nach Can Picafort, gehe zum Meer. Wellen, Wasser, Ruhe. Ich mag es, barfuß zu laufen. Nein, ich liebe das Meer nicht. Noch nie habe ich das Meer zurückrufen hören, dass es mich ebenfalls liebt. Mir gefällt die Weite, das ewige Geräusch, älter als jedes Leben auf der Welt. Das ist alles.
Ich beende meinen Spaziergang am Strand. Es ist elf Uhr abends. Zeit der Urlauber, die jetzt Restaurants und Diskotheken besuchen. Am Auto ziehe ich mich um. Im Handgepäck liegen meine Lederstiefel, glänzend, schwarz, wadenhoch, geschnürt, scharf geschnittenes Profil, Hartgummi. Flache Absätze. Hochhackig geht nicht im Sand. Meine Turnschuhe und die Jeans lege ich auf den Beifahrersitz, ziehe meinen braunen Lederrock über. Das Ding reicht mir bis knapp über den Hintern. Strumpfhosen brauche ich nicht. Mehr Strenge im Gesicht ist nötig. Ich streiche meine schwarzen Haare nach hinten, straff, streng, binde mir einen Pferdeschwanz. Meine Lippen bleiben dünn, scharf nachgezogen. Augen schmal, katzenartig, Wangenrouge, je nach Interpretation Erregung, Ärger oder Unduldsamkeit zeigend. Oben belasse ich es beim handfesten Herrenhemd nach Holzfällerart, passend zum Rock. Ein neues Parfum habe ich dabei. Es assoziiert Mittelmeer, Sand, Sommernacht. Die Macher sind Künstler. Ich trage unkonventionell auf. Meine Waden direkt oberhalb der Stiefel, Handrücken, Innenseiten meiner Oberschenkel. Das genügt. Der Parkplatz ist kaum gefüllt. Musik höre ich bis hier. Der Klub ist nicht ganz voll, die meisten Touristen sind Deutsche und Russen. Ich sehe Stefan auf der Tanzfläche. Die Show beginnt. Er hat eine Frau angetanzt, etwas älter, Haut in ungesunder Sonnenstudiofarbe. Mit den beiden könnte es etwas geben, sie schaut ihn so an. Stefan würde es auch tun, aber nicht in dieser Nacht. Ich gehe zu ihm. Das Erkennen blitzt in seinem Gesicht auf, eine Vorfreude, eine Bereitschaft, sich dreinzugeben.
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