Lottes Blick gleitet über die Wiese. Überall liegen Haselnüsse, aber die richtigen sind nicht dabei. Die können doch nicht weggekommen sein! Es waren drei an einem Zweiglein, und man soll die Feste schließlich feiern, wie sie fallen, oder?
Irgendwo müssen sie sein. Lottes Blick gleitet über die Wiese unter ihren Füßen. Überall liegen Haselnüsse, aber die richtigen sind nicht dabei. Die können doch nicht weggekommen sein! Spätestens, wenn Hans mit dem Ausästen fertig ist, sollte sie ihre Beute im Korb haben. Ah, da sind sie. Gerade noch mal Glück gehabt. Ein paar Nüsse passen noch in den Korb, dann stellt sie das Ergebnis ihrer Ernteaktion neben die Haustür.
»Schau mal, was ich gefunden habe!«
Hans blickt kurz auf. »Nüsse«, sagt er, »deswegen warst du doch hier, oder?«
»Klar.« Lotte verdreht die Augen. »Aber das sind besondere Nüsse, siehst du?«
»Drei«, sagt Hans.
»Nicht einfach drei, sondern drei an einem Zweiglein«, sagt Lotte.
»Ich verstehe«, sagt Hans, »Drei Haselnüsse für Lotte.«
»Genau.« Lotte lässt ihr schönstes Lächeln auf die Bühne.
»Aber du weißt schon, dass wir erst Oktober haben?«
»Das macht doch nichts.« Lotte dreht das Zweiglein zischen den Fingern und lässt die Nüsse tanzen. »Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.«
»Da bin ich mal gespannt«, sagt Hans und gibt Lotte einen Kuss. Die Nüsse verschwinden in seiner Tasche. So soll es sein.
Zwei oder drei Wochenenden vorher hatte Hans ihr eröffnet, dass er für demnächst zwei befreundete Paare eingeladen hat. Zum Schwatzen, zum Erfahrungsaustausch, zum Spielen.
Und kurz darauf hatte Lotte beim Stöbern dieses Kleid entdeckt. Ein Traum in Schwarz. Sie hatte dem ersten Impuls tapfer widerstanden. Selbst kaufen wäre gegen die Regel. Das war kein Kleid für die Arbeit oder irgendeine andere Öffentlichkeit. Dafür war der Stoff viel zu unkonventionell angeordnet. Nein, das war ein Kleid für besondere Anlässe und für diese Fälle hatte sie im ersten Rausch tatsächlich zugestimmt, Hans die Entscheidung zu überlassen. Ja. Da mussten eben andere Mittel und Wege gefunden werden. Auf jeden Fall wird sie bei Gelegenheit vergessen, die Browserfenster zu schließen.
Einige Wochenenden später, am Freitagabend, ist Hans guter Dinge. Lotte nicht. Sie hat das Haus geputzt, jeden Nachmittag einen Teil und viel gründlicher als sonst. Sie hat alle Tage nach dem Postboten Ausschau gehalten. Nichts. Nur Steuer und Werbung. Morgen kommen die Gäste. Na gut, wenigstens ist für heute alles erledigt. Am besten, sie geht gleich ins Bett, Die gute Laune von Hans ist unerträglich. Sie geht ans Fenster und schaut in die Sonnenuntergangswolken. Mit welchem Recht sind die so ungehörig schön!
Dann steht Hans plötzlich hinter ihr, umfasst sie mit beiden Armen und flüstert: »Bleib so und zieh dich aus.«
Lotte versteht. Es ist ihr gerade nicht recht, aber der Freitagabend gehört Hans. Auch so eine Regel, der sie zugestimmt hat. Bisher war das in Ordnung und, ja, reizvoll. Sich am Ende der Woche nicht mehr entscheiden zu müssen. Sie nickt und Hans lässt sie los. Sie beginnt, ihre Kleidung abzulegen und achtet darauf, keine Bewegung zu machen, die ihm gefällt. Nix mit sexy. Das hat er nicht verdient. Leider gönnt er ihr keinen Kommentar. Sie spürt, wie er hinter ihr steht und sie betrachtet. Schließlich ist sie fertig. Nackt. Kommt sich doof vor. Hans rührt sich nicht, sagt nichts. Mehrere lange Minuten. Draußen ist es inzwischen so dunkel, dass sie ihr Spiegelbild sehen kann und, undeutlich zwar, auch das von Hans. Lotte schließt die Augen.
Liebe hanne lotte, "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" gehört für mich ja untrennbar zur Adventszeit dazu und Deine Interpretation ab sofort auch!
Eine wunderschöne, märchenhaft daherkommende Geschichte in der Hans seine Kreativität gekonnt ausspielt und seine Lotte, die er mehr als auf die Folter spannt, am Ende glücklich macht. Eleonore sei Dank, so ein schwarzes Schaf in der Familie hat wirklich was. Robert S hat tatsächlich recht, man kann sich die Story wirklich als Stück vorstellen. Filmreif würde ich mal sagen, auch ich bin echt begeistert!
Ein wenig hatte ich zu Beginn auf den König gehofft, den großen Rolf Hoppe. Aber bis auf die drei Nüsse habe ich eine völlig neue Geschichte lesen dürfen, und dann, als die Nummer mit dem Sack kam, da habe ich den Rolf in der Zimmerecke lachen sehen, so herrlich fies wie in den Indianerfilmen. Aber Gleichnisse gibt es doch zum Film, denn der Hans hat Fantasie und gibt sich Mühe und die Lotte ist schon wie eine Prinzessin. Ich stelle mir die Geschichte auf der Bühne von Schloss Weesenstein vor. Hoppe hält den Spiegel. Das sehe ich im Moment und feiere. Ich bin begeistert.