Der Raum füllt sich langsam mit Wärme und bedeutsamer Stille, während sie gemeinsam durch das kleine Sichtfenster des Ofens in die Flammen sehen. Auch das ist ein Ritual. Der entscheidende Moment kommt, wenn sie Blickkontakt aufnehmen. Oft ist dann alles klar, aber heute nicht. Denn Marina sitzt noch immer der Schalk im Nacken.
Auf der Stelle zu hüpfen und hin und her zu laufen erscheint ihr nach einer Weile zu langweilig und die Schneefläche vor ihr zu einladend. Mit einem großen Schritt betritt sie Neuland. Kurz taxiert sie das Gelände und läuft ellipsenförmig los, schlägt einen Bogen, quert in einem 45-Grad-Winkel ihre eigene Spur und schlägt erneut einen Bogen. Als Marina wieder den Anfangspunkt trifft, betrachtet sie ihr Werk. Ja, so ist es richtig. Fast perfekt. Eine Acht.
Weiter auf ihrer eigenen Spur laufend, entsteht Runde um Runde ein Trampelpfad aus festgetretenem Schnee. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Jetzt ist ein immerwährendes Vorwärtslaufen möglich.
›Und doch kehre ich immer wieder zum Mittelpunkt zurück‹, denkt sie sich und erst in diesem Moment wird ihr bewusst, dass eine liegende Acht das Zeichen für Unendlichkeit ist.
»Eine Acht?«, wird sie aus ihren Gedanken gerissen.
Marina bleibt stehen und wendet sich um. Felix steht ein Stück weit entfernt und mustert sie schmunzelnd.
»Eine Acht oder das Zeichen für Unendlichkeit«, antwortet sie lachend. »Wie lange beobachtest du mich schon?«
»Eine Weile. Du wirktest so schön in dich versunken und ich versuchte, dein Lächeln zu ergründen.«
»Du solltest es auch mal versuchen, hier zu laufen. Sehr meditativ. Außerdem hält es warm.«
»Ich schlage vor, dass du eher ganz schnell zu mir läufst, sonst zerstöre ich dein Kunstwerk und hole dich!«
»Unterstehe dich! Ich komme ja schon!« Marina eilt zu der Stelle, an der ihr Werk seinen Anfang nahm und springt zurück in die Spur, die sie bereits davor ausgetrampelt hatte und in der sie immer wieder am Endpunkt hatte kehrtmachen müssen. Dort erwartet sie Felix mit offenen Armen und sie wirft sich in seine Umarmung.
»Hallo, mein Mittelpunkt!«, raunt sie in sein Ohr.
»Dein Mittelpunkt?«
»Der Gedanke kam mir gerade. Du bist der Mittelpunkt meiner Acht, zu der ich immer wieder zurückkehre.«
Sanft schiebt Felix sie ein Stückchen von sich, damit er ihr in die Augen sehen kann. »Hallo, meine Philosophin. Ist alles in Ordnung mit dir?«
Liebe Devana, eine sanft anmutende Liebesgeschichte mit Tiefgang, genau das Richtige für eine Pause mit heißem Kakao und Blick auf den mehr und mehr zunehmenden Schneefall draußen. Noch ist es nicht genug, um eine Acht in den Schnee zu treten, aber wer weiß, was in den nächsten Stunden noch kommt.
Mir hat es gefallen, wie Du die Rituale zwischen Marina und Felix beschreibst, wie Du uns miterleben lässt, wie innig die Beiden miteinander umgehen und es durch Kleinigkeiten schaffen, von purer Zweisamkeit zur Lust überzugehen. Den Anderen in den Mittelpunkt der Acht zu stellen, mitzuerleben, wie Neigung dann mal zur einen, mal zur anderen Seite ausschlägt hat mir sehr gut gefallen.
Danke für tolle Nachmittagsunterhaltung, die ich sehr gern gelesen habe.
Den schönen und so wahren Worten von Robert S. kann ich nichts wirklich essentielles mehr hinzufügen. Nur, dass ich diese liebevolle und wunderbare Geschichte perfekt passend für ein paar ruhige Minuten am Kaminfeuer finde, bei einer guten Tasse Tee, , und ich sie sehr gerne gelesen habe.
Der Partner als Mittelpunkt der Acht, das ist schön, gerade weil ich in meiner Endlichkeit die Unendlichkeit faszinierend finde und in diesem Bild einen Halt finde, um den ich kreisen kann. Wäre ich aber unendlich, würde ich die Endlichkeit faszinierend finden. An Unendlichkeit des Alltags glaube ich nicht, weil wir Einfluss haben, aber manchmal scheint es so und ich nenne es die Mühle der täglichen Verrichtung. Stark finde ich die Aussage, dass die Unendlichkeit vergänglich ist. Klar, zumindest die Natur beweist mir, dass auch Vergänglichkeit unendlich ist, zumindest in dem Maßstab, den ich denken kann. Wahrscheinlich ist es nur das Gefühl der Liebe, das die nicht denkbaren Dimensionen von Zeit und Raum und der damit verbundenen Unendlichkeit für die Zeit der Liebe überwinden kann. Ein greifbares Geschenk. Deinen letzten Gedanken, nicht in der Ritterrüstung selbstdefinierter Neigungen zu rosten, teile ich gern. Danke für romantische Philosophie und Perspektivwechsel.