Gehöre ich einer aussterbenden Gattung an?
Beim Sprechen bleibe ich manchmal stumm, beim Schreiben fließen die Worte aus mir heraus. Ich bin ein Schriftmensch. Gehöre ich damit einer aussterbenden Gattung an?
Ein Blogbeitrag von Devana.
Info: Veröffentlicht am 11.03.2016 in der Rubrik Gedacht.
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Ich liebe es, zu schreiben, genauer gesagt liebe ich es, am Computer zu schreiben. Noch genauer gesagt liebe ich es, mit meiner Tastatur, die in einem harten Auswahlverfahren als Siegerin hervorging, zu schreiben. Sie entspricht genau meinen Tippbedürfnissen. Leichtgängig ist sie, mit flachen Tasten. Ich weiß, jeder hat da eigene Vorlieben, aber meine Finger müssen über sie fliegen können. Dann sehe ich erstaunt zu, wie meine Gedanken zu Worten und Sätzen auf dem Monitor werden. Sie werden zur Sprache, für Jedermann lesbar, dem ich das Geschriebene zeige.
Sprache! Welch herrliche Errungenschaft der Menschheit. Sich mitteilen zu können in allen Facetten. Manchmal ist es dennoch schwer, sich auszudrücken, dem Anderen verständlich zu machen, wie man fühlt und denkt. Mir fällt es leichter, meine Gedanken niederzuschreiben, als sie auszusprechen. Beim Sprechen bleibe ich manchmal stumm, beim Schreiben fließen die Worte aus mir heraus. Ich bin ein Schriftmensch.
Schrift. Schreiben. Weitere bedeutende Errungenschaften der Menschheit, die uns noch heute lesen lassen, was Menschen vor Jahrhunderten aufgeschrieben haben. Auch das gesprochene Wort lässt sich von Generation zu Generation weitervermitteln. Doch niemals so genau und unverfälscht, wie das bei der geschriebenen Sprache der Fall sein kann. In einem Text klingt immer die Persönlichkeit des Autors mit. Wird sie aber mündlich weitergeben, wird jeder Erzähler etwas weglassen, anderes hinzufügen und seinen eigenen Stil einfließen lassen. Der Ursprungstext geht auf diese Weise verloren, es bleiben nur noch die Kernelemente.
Ein Schriftmensch bin ich. Immer wieder stelle ich das fest. Andere Menschen sind das nicht. Sie können den Inhalt eines längeren Textes nur schwer erfassen. Sie begreifen ihn nicht, können nicht zwischen den Zeilen lesen, können die Stimmung nicht erfassen. Ich behaupte von mir selbst, empathisch zu sein, aber bin ich es am Ende nur, wenn ich lesen darf? Manchmal glaube ich das. Andere Menschen können hingegen mehr aus dem gesprochenen Wort lesen. Aus dem gesprochenen Wort lesen... welch ein Satz und doch stimmt er.
Ich lese und schreibe. Gerne. Gerne viel. Leider viel zu wenig.
Gehöre ich einer aussterbenden Gattung an? Das geschriebene Wort erlebt derzeit durchaus eine Renaissance, finde ich. Spätestens seit Erfindung der SMS kommunizieren die Menschen wieder in Schriftform. Noch viel mehr, seitdem man nicht mehr für die Übermittlung weniger Worte 19 Cent bezahlen muss. Aber was schreibt man dort? Kurzmitteilungen. Kurze Sprache, oft schmerzhaft verstümmelt. Bewegt sich der Austausch mit anderen Menschen in diese Richtung? Gedanken dazu erscheinen müßig, betrachtet man die aktuellen Entwicklungen. Kommunikation erfolgt vermehrt über Bildsprache. Selfies zeigen, wo man ist, was man tut, wie man sich fühlt und wie man aussieht. Schrift ist überflüssig. Webseiten werden zunehmend bildlastiger, seitdem das Internet immer schneller wird. Texte werden dagegen kürzer, denn sie liest kaum jemand. Bilder sprechen mit den Besuchern.
Ist also das geschriebene Wort vom Aussterben bedroht? Lesen wir bald nur noch Bilderbücher? Sehen wir uns im Internet nur noch Bilderseiten an?
Nein. Glücklicherweise nicht. Deutschland hat den weltweit zweitgrößten Buchmarkt. Obwohl wir nicht die zweitgrößte Nation sind. Darauf kann man, so finde ich, durchaus stolz sein. Es mag vieles im Wandel sein und einiges davon gefällt mir nicht. Aber so lange es Menschen gibt, die gerne schreiben und es andere Menschen gibt, die gerne lesen, wird das geschriebene Wort nicht aussterben.