Erdbeertiramisu
Peter unterwirft sich in einer hypnotischen Reise und erfährt das Glück völliger Hingabe. Denn manchmal ist Nichtwissen viel erotischer als Wissen. Und oft ist das Wissen um das Nichtwissen gerade das, was das Nichtwissen so spannend macht.
Eine BDSM-Geschichte von Leuchtende Luft.
Info: Veröffentlicht am 04.03.2016 in der Rubrik BDSM.
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Sie hält mich in den Armen: »Erinnere dich, erinnere dich, dass ein guter Junge vergisst!«
Ich wiederhole ihre Worte: »Ein guter Junge vergisst...«
»Erinnere dich, erinnere dich, wie sehr es dich erregt, für mich zu vergessen.«
»Ich vergesse für dich...«
Manchmal gibt es Augenblicke so wunderschön, dass man sich wünscht, dass sie ewig währen. Es sind Augenblicke wie dieser. Ich spüre das wunderschöne Gefühl in ihren Armen, in Claudias Armen, einfach ihre Nähe zu spüren, ihre Stimme zu hören und von ihr gehalten zu werden. Es ist ein Moment geradezu romantischer Glückseligkeit.
»Schlafe für mich! Oh, schlafe für mich und fühle das Glück!«
Immer tiefer sinke ich in ihre Arme.
»Schlafe für mich! Du fühlst dich glücklich, so glücklich, einfach nur glücklich...«
Ein tiefer Seufzer entgleitet mir.
»Erinnere dich, erinnere dich für alle Zeiten, an das Glück, dass du jetzt fühlst. Ich bin so stolz auf dich. Schlafe für mich, schlafe und genieße das Glück. Du hast dir dein Glück verdient. Wiederhole für mich: Ich habe mir mein Glück verdient!«
»Ich habe mir mein Glück verdient.«
»Dein Glück hast du verdient, denn du hast uns gut gedient. Und von uns erinnerst du dich bald nur noch an mich, denn ...«
Ich schaue ihn an, schaue in Peters glückseliges Lächeln. Ich liebe es, mit so wenig so viel in ihm auslösen zu können: ein paar Worte, ein wenig Streicheln. Fast ist diese Ruhe nach dem Sturm intensiver als der Sturm selbst. Der Sturm, den er ein paar Stunden zuvor erlebt hat, gerät in Vergessenheit. In diesem Moment ist nur noch Wonne. In diesem Moment bin nur noch ich, ich, ich...
»Du weißt, wer ich bin. Wer bin ich?«
»Du bist die Frau, für die ich jede andere vergesse...« Ich spüre die Macht, die sie über mich hat, genieße es, mich ihr so sehr zu unterwerfen.
»Sag es noch einmal!«
»Du bist die Frau, für die ich jede andere vergesse...«
Wie oft schon habe ich ihn verliehen? Am Anfang ist mir das schwergefallen. Es war bestimmt nicht so, dass es nur seine Fantasie gewesen wäre. Doch da ist dieser Verlust der Kontrolle. Was rede ich vom Verlust der Kontrolle über ihn, der all sein Halten an mich abgegeben hat? Ich fühle mich seiner sicherer denn je zuvor. Ich sehe die Lust, die meine Macht in ihm erzeugt. Ich möchte das auskosten, möchte ihn den Satz so oft wiederholen lassen, bis sein Körper vor Lust zerspringt. Doch ich kontrolliere mich, denn ich bin noch nicht fertig...
»Schlaf, mein Lieber, sinke wieder in deinen verdienten Schlaf, schlaf in meinen Armen!«
Es ist beides zugleich. Da ist zum einen dieses tiefe Einsinken in den Zustand reinen Glücks. Gleichzeitig könnte ich zerspringen. Ich zerspringe vor Glück. Ich zerspringe vor Leidenschaft. Ich liebe sie. Ich liebe Claudia. Ich würde es am liebsten hinausschreien. »Ich liebe dich«, flüstere ich leise. Doch sie legt mir nur den Finger auf den Mund. Da war er: dieser letzte kleine Funken Kontrolle, dieses unglaubliche Bedürfnis, ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebe. Sie hat mich gesehen. Sie hat mich gehört. Es ist, als ob sie ganz, ganz tief in mich hineinsieht. Und ich bin für diesen Blick dankbar und sinke wieder tiefer, tiefer und tiefer mit jedem Atemzug.
»Da ist das Gefühl des Fallens: du spürst Fallen. Da ist nur noch Fallen: kein Licht, kein Geräusch, nur Fallen, Fallen und Geborgenheit. So viel Geborgenheit umgibt dich. Ich schütze dich. Ich wärme dich. Ich halte dich.«
Ich streichele ihn liebevoll... Er ist mir ein echter Schatz. Ich betrachte ihn, wie er so friedlich in meinen Armen liegt, und gehe zum nächsten Schritt: Manchmal ist ein einziges Wort sehr mächtig, viel mächtiger, als die Mittel, die wir uns sonst vorstellen. Genussvoll öffnet sich mein Mund und meine Zunge flüstert ein Wort:
»Erdbeertiramisu.«
Ich beobachte seine Reaktion. Bittersüß ist es in der Tat, was ich da mit ihm treibe.
»Erdbeertiramisu.«
Ich gebe zu, dass es mir Spaß macht, so mit ihm zu spielen.
»Erdbeertiramisu.«
Es ist nicht zu übersehen, dass seine Zunge mich sehr gut verstanden hat. Ich liebe es, ihn zu necken. Die nächsten Tage werde ich es genießen, Momente zu finden, ihn an diesen Nachgeschmack von Erdbeertiramisu zu erinnern.
»Erdbeertiramisu. Dein Geist vergisst. Das 'Wer', das 'Was', das 'Wo' verschwimmen. Nur deine Zunge erinnert sich, doch leider nur an den Geschmack von Erdbeertiramisu.«
Sicher hat es meiner Freundin Maja viel Spaß gemacht, seine Zunge zu benutzen. Ein Lächeln entrann mir, während ich an die vergangenen Stunden zurückdachte. Es waren Ereignisse, die Peter bald nicht mehr zu seinen bewussten Erinnerungen zählen wird. »Zunge benutzen« waren ihre Worte gewesen. Ein paar Tage vorher hätte ich sie mir so überhaupt nicht vorstellen können. Von all meinen Freundinnen war sie die Schüchternste. Nachdem ich Peter an so viele meiner Freundinnen verliehen hatte, war es mir unmöglich gewesen, länger zu warten, dass sie mich fragte. Denn von all meinen Freundinnen war sie diejenige, die mir am nächsten stand, diejenige, die immer ein offenes Ohr für mich hatte. Ich wollte ihr unbedingt etwas Gutes tun. So ging ich auf sie zu und sprach sie an. Maja gehörte zu den Menschen, die gerne schnell erst einmal »Nein« sagen, auch wenn sie »Ja« meinen. Aber mit etwas Einfühlungsvermögen konnte ich sie aufwärmen, sie gar dazu bringen, von ihren geheimen Fantasien zu sprechen. »Aber wie soll ich das Peter erzählen? Wie soll ich ihn dazu auffordern? Was wird er über mich denken?« waren ihre Befürchtungen gewesen. Nun, da brauchte sie sich keine Sorgen zu machen.
Etwas Vorbereitung braucht eine Session immer: Sorgfalt und Liebe für das Detail. Ich schmunzele in meinen eigenen Erinnerungen, wie ich Peter mit verbundenen Augen vor ihr knien sehe, ohne zu wissen, vor wem er da kniet. Erhitzt erinnere ich mich, wie er ihren Duft aufnimmt, seine Nase erkennt, worauf ich ihn abgerichtet habe: Jeder Atemzug steigert seine Erregung. Dann sehe ich Peter wieder vor meinen Augen, kniend vor Maja, wie er spricht, wie er bettelt, wie er darum bittet, ihr dienen zu dürfen, wie er bittet, Dinge für sie tun zu dürfen, wie sie Maja erhofft und erträumt, aber nie einem Mann gegenüber aussprechen würde. Ihre Begierden sind jetzt seine Begierden. Stolz erfasst mich, als ich an Maja denke, wie sie leise mit einem geflüsterten »Ja« seine Bitten erhört, wie sie langsam Gefallen daran findet, ihr gehorsames Spielzeug zu dirigieren, wie sie ihre Rolle als Herrscherin immer mehr genießt und sich am Ende liebevoll bei ihm bedankt: »Du bist so ein wunderbares, lustvolles Spielzeug, Peter. Danke!«
Wenn alle ein klein wenig so wären wie Maja, wäre mir zu Anfang vieles leichter gefallen. Ich erinnere mich noch, wie mich Maja gefragt hat:
»Und du erniedrigst deinen Peter wirklich vor deinen Freundinnen?«
»Es ist Liebe.«
»Aber macht dir das gar nichts aus?«
»Peter macht es glücklich. Jedes Mal, wenn ich ihn aus der Trance zurückhole, habe ich das Gefühl, von der Welle seiner Glücksgefühle überrollt zu werden. Er erscheint mir dann innerlich so frei.«
»Und dir macht es wirklich nichts, wenn er vor ihnen Dinge tut, die ich gar nicht aussprechen kann?«
»Nicht mehr.«
Eigentlich hätte ich Maja nicht erklären müssen, dass es sich um einen Ausdruck von Liebe handelt. Ich glaube aber, dass letztlich nicht alle meine Freundinnen, die ich in unser Spiel einbezog, verstanden, mit wie viel Wärme und Verantwortung ich Peter umsorgte. Sie sahen darin vor allem ein Spiel aus Erniedrigung und Benutzung. Anfangs tat es mir weh, wie sie mit ihm umgingen. Ich verspürte Schmerz, wenn sie ihn verspotteten. Ich zersprang fast, wenn ich ihn in ihren Händen sah. Was tat ich da? Meinen Geliebten vor meinen Freundinnen kleinzumachen, war das Letzte, was ich wollte. Nur Peter machte es überhaupt nichts aus. Wenn ich Peter darauf ansprach, ob sie zu weit gingen, sagte er mir: »Solange ich Deine Wärme spüre, kann mich nichts verletzen.« Irgendwann begriff ich wirklich, was er meinte. Ich begriff es und Tränen des Glücks rannen meine Wangen entlang. Allein ich war es, die für ihn zählte.
»Lust hast du uns gebracht und lustvoll uns gedient, hast uns erregt und warst die Erregung selbst. Lass die Lust noch einmal hinein in deinen Körper. Lass sie dich fluten. Spüre, wie die Erregung größer und größer wird. Und während deine Erregung immer größer wird, entgleiten dir die Erinnerungen immer mehr. Und das ist es, was dich am meisten erregt: Für mich zu vergessen. Die Macht, die du mir über dich gegeben hast, die Macht, die jetzt unwiderruflich in meinen Händen ruht, diese Macht zu spüren ist dein tiefstes Sehnen. Erdbeertiramisu. Du spürst, was es mit dir macht. Du spürst den Geschmack auf deiner Zunge. Du weißt genau, welches Spiel ich mit dir treibe. Erdbeertiramisu. Gleichzeitig ersehnst du es so sehr. Es ist deine höchste Erfüllung. Erdbeertiramisu. Manchmal ist das Nicht-Wissen viel erotischer. Ein Schal kann für kurze Zeit den Augen die Sicht nehmen. Viel mehr ist es, was ich dir nehme: deine Gedanken, das Wissen darum, was war und wird. Du bist gefangen in diesem Moment, bist gefangen in Momenten der Lust. Erdbeertiramisu. Du liebst es zu vergessen. Du liebst es mir zu dienen. Du bist nur noch Lust. Du liebst es, für mich zu brennen, liebst es, für mich die Lust zu sein, liebst es, glühende Lust für mich zu sein. Du gibst dich mir in jeder Form hin. Erdbeertiramisu.«
Und ich brenne und fliege, fliege und brenne: Mein Herz so leicht. Pures Glück durchströmt mich. Jenseits des Verstehens sauge ich Claudias Worte in mich auf, bin nur noch Lust, Lust, Lust und Erdbeertiramisu.