Entscheidende Dinge im Leben geschehen oftmals völlig unerwartet und an Orten, denen man im Alltag keine große Besonderheit abgewinnen kann. Wer würde schon erwarten, in einem kleinen Café die Tür zu seinen verborgenen Leidenschaften geöffnet zu bekommen und den Weg in ein neues Leben zu beginnen?
Sie sitzt in dem kleinen Café, blättert wie üblich in einer Zeitschrift, obwohl sie eigentlich nichts wirklich liest. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um das Erlebnis der letzten Woche. Als sie genauso an dem Tischchen gesessen hatte, ihre Tasse Cappuccino vor sich, und damit ein weiteres leeres Wochenende begann. Wie schon so viele davor, inhaltslos, sinnlos. Wie hätte sie ahnen sollen, dass es diesmal ganz anders werden würde?
Alles hatte damit begonnen, dass sie sich beobachtet fühlte. Unbehaglich hatte sie sich kurz umgeschaut, auf Anhieb jedoch nichts Auffälliges bemerkt und sich wieder in ihre Zeitschrift vertieft. Doch das Gefühl blieb, wieder blickte sie sich um, aufmerksamer diesmal, und begegnete dem Blick eines Mannes, welcher ein paar Tische entfernt saß. Ein Blick, dessen Intensität ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Jedoch keinen unbehaglichen, wie sie staunend feststellte. Sie wendete den Kopf wieder ab, ihre Lässigkeit war schlagartig verschwunden. Unbewusst setzte sie sich gerade und fuhr sich leicht durch die Haare, so dass sie sich in ordentlichem Schwung um ihren Nacken schmiegten. Wieder sah sie sich kurz um, immer noch magisch angezogen vom dem Gefühl des Blickes, der auf ihr ruhte. Seine Augen trafen die ihren. "Himmel, was für ein Blau", schoss es ihr völlig unvermittelt durch den Kopf. Sie sah seinen Ausdruck, mit dem sie nicht viel anfangen konnte und der sie doch auf so seltsame Art tief in ihrem Innern berührte, als würde er eine Seite in ihr zum Klingen bringen, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt vorhanden war. Vergeblich versuchte sie, den Blickkontakt aufrecht zu halten, denn nach wenigen Sekunden musste sie aufgeben und den Blick senken. "Das ist doch verrückt!", dachte sie und spürte, wie eine leichte Röte ihre Wangen überzog. Sie nahm einen Schluck Cappuccino und atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Unvermittelt stand er dicht an ihrer Seite, setzte sich mit den Worten "Hier ist doch noch frei?!" zu ihr. Es hatte nicht wie eine Frage geklungen und er hatte auch nicht auf eine Antwort gewartet. Seine körperliche Präsenz und seine Ausstrahlung waren so intensiv, dass ihr Herz wie ein Presslufthammer schlug. "Verdammt, was ist nur mit mir los?" fragte sie sich selbst. Normalerweise war sie eigentlich nicht der Typ Frau, der es auf Flirts anlegte, doch sie als schüchtern zu bezeichnen, wäre sicher auch übertrieben gewesen.
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