Rezension: "Stolz und Demut" von Sophie Weiss
BDSM-erfahrener Wirtschaftsboss trifft unerfahrene Studentin - hätte ich mich auf die Einführung im Klappentext beschränkt, das Buch wäre von mir nicht gekauft worden, denn dieses Klischee ist mittlerweile so ausgetreten. Dass ich das Buch trotzdem gekauft habe, lag wohl in erster Linie am herausgebenden Verlag. Und ich bin auch dieses Mal nicht enttäuscht worden. Im Gegenteil.
Ein Blogbeitrag von Schattenwölfin.
Info: Veröffentlicht am 05.03.2013 in der Rubrik Gelesen.
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Zugegeben: Die allermeisten BDSM-Bücher langweilen mich, wahrscheinlich bin ich von den Geschichten hier auf den Schattenzeilen verwöhnt.
Nun hat es aber doch mal wieder ein Buch geschafft, die Abfahrt Altpapiertonne links liegen zu lassen und einen Platz in meinem Buchregal zu erobern, und zwar im Sturm, denn ich habe es in einem Rutsch durchgelesen.
In »Stolz und Demut« geht es um die Affäre zwischen der jungen Studentin Sophie und dem deutlich älteren Topmanager Richard, der von Anfang an klar stellt, dass er für nicht mehr als eine reine Spielbeziehung zu haben sei, weil seine Frau und Kinder ihm alles bedeuten.
Sophies Neugierde und Richards Suche nach einer neuen Spielpartnerin lassen sich die Wege der beiden kreuzen - und alles scheint zu passen. Nicht nur Sophies Neugierde wird befriedigt, sondern sie schöpft schnell große Lust aus dem Spiel mit Dominanz und Unterwerfung. Und Richard genießt es, all dies in ihr zu wecken und den Rohdiamant mit seiner Erfahrung zu schleifen, wohl auch und gerade weil Sophie ihm sehr selbstbewusst gegenübertritt.
Sehr behutsam führt Richard Sophie nach und nach an ihre Grenzen, vom intimen BSDM-Spiel im Hotelzimmer bis hin zur öffentlichen Vorführung. Beide tauchen regelmäßig gemeinsam ab und lassen sich in diese Parallelwelt fallen. Dabei berühren sie eines Tages eine Grenze, mit der sie nicht gerechnet haben und für die es keine Safeword gibt.
»BDSM-erfahrener Wirtschaftsboss trifft unerfahrene Studentin«; hätte ich mich auf die Einführung im Klappentext beschränkt, das Buch wäre von mir nicht gekauft worden, denn dieses Klischee ist mittlerweile so ausgetreten und trifft meinen Geschmack nicht wirklich. Dass ich »Stolz und Demut« trotzdem gekauft habe, lag wohl in erster Linie am herausgebenden Verlag, der zwar nicht einschlägig ist, mich aber noch selten enttäuscht hat.
Und ich bin auch dieses Mal nicht enttäuscht worden. Im Gegenteil. Geschrieben ist die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Sophie und Richard in einer sehr gradlinigen Sprache, in die sich zu meiner Überraschung das F...wort vollkommen unspektakulär einfügt, glücklicherweise aber auch nicht inflationär verwendet wird. Mit einer Ausnahme, aber da passt es aus dramaturgischen und stilistischen Gründen perfekt.
Als Leser erfährt man recht früh, dass es kein Happy End geben wird, so dass ich das auch hier schon schreiben kann, ohne deswegen zu viel zu verraten.
Dieser vorweggenommene Ausgang wirkte auf mich wie ein Katalysator beim Lesen und hat die Spannung erhöht: Sophies Einführung in die Welt aus Dominanz, Unterwerfung, Erniedrigung und Schmerz verläuft so bilderbuchmäßig. Was würde es sein, das dieser traumhaften Entwicklung in die Quere kommt?
Bis zur Antwort auf diese Frage habe ich mich auf das Beste unterhalten gefühlt.
Die Treffen in den Hotels sind detailliert, aber nicht reißerisch beschrieben, die Szenen in einer sehr speziellen Halböffentlichkeit spielen naturgemäß mit der voyeuristischen Seite des Lesers.
Immer wieder werden Einblicke in das andere Leben der beiden Protagonisten eingewebt. Das Ganze wirkt auf mich rund.
Auf Anhieb mochte ich die junge Sophie, die sich sozusagen mit breiter Brust in die Unterwerfung fallen lässt. Und ich mochte Richard, der mein Bild von einem dominanten Mann mit seinem Selbstverständnis, er müsse sich Sophies Unterwerfung verdienen, auf den Punkt trifft.
Zu lesen, wie die beiden sich auf einen Abgrund zu bewegen, ist spannend. Man ahnt bald, welcher Abgrund das sein könnte, ist sich aber nie ganz sicher.
»Stolz und Demut« ist in weiten Teilen autobiografisch und beruht auf einer wahren Begebenheit. Sophie Weiss ist ein Pseudonym. Dass die Autorin sich nicht einseitig in eine Opferrolle schreibt, sondern durch die wechselnden Perspektiven beide Sichtweisen auslotet, dafür verdient sie meinen größten Respekt.