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Zweite Chance (Teil 1)

Ich blickte auf das Foto einer Frau mit grünen Augen und blonden Haaren. Im Vergleich mit den Bedingungen, die sie auf ihrem Profil an einen Mann stellte, lud der Prüfungsparcours der Navy Seals zu einem Sonntagsspaziergang mit Blümchenpflücken ein.

Eine Fetisch-Geschichte von Timothy Truckle.

  • Info: Veröffentlicht am 03.01.2014 in der Rubrik Fetisch.

  • Folge: Dieser Text ist Teil einer Reihe.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

Es passiert manchmal, dass du auf eine Lebenslinie aufspringst wie auf einen Bus. Du hast nicht genau hingeschaut, bist in Eile gewesen und hast die Expresslinie erwischt. Plötzlich ist das Leben in einer ganz anderen Richtung unterwegs. Natürlich könntest du an der nächsten Station aussteigen, aber was, wenn sich alle Türen hinter dir schließen und ein Schild aufleuchtet: »Bus fährt durch bis zur Endstation! Kein Zwischenhalt!«?

An den Türen rütteln, den Fahrer anschreien - nichts davon hilft dir und so sitzt du hinten, in der letzten Reihe, und rast einem Ziel entgegen, das du nicht kennst. Der Fahrer bestimmt den Kurs und die Geschwindigkeit und du kannst nichts dagegen tun. Du bist die Marionette und er zieht an deinen Fäden. In einem Bus ist das nicht schlimm, früher oder später erreichst du die Endhaltestelle. Du steigst aus und rufst ein Taxi, das dich zurückbringt.

Nur im Leben funktioniert das nicht so. Wenn du in den falschen Bus gesprungen bist und jemand an deinen Schnüren zieht.

 

I.

Wie immer, wenn mich meine Dienstreisen nach Schwerin führten, buchte ich das InterCityHotel. Es liegt direkt am malerischen Hauptbahnhof, ist modern und der Service ist, wie bei den meisten Hotels in dieser Stadt, hervorragend.

Ich stand am Fenster meines Hotelzimmers und blickte auf den Bahnhofsvorplatz. Der Herbst hielt Einzug in der Stadt, färbte die Blätter bunt und der Regen ließ die Pflastersteine im Licht der Straßenlaternen glänzen. Menschen strömten aus der Bahnhofshalle, spannten Schirme auf, schlugen die Kapuzen ihrer Jacken hoch oder riefen nach Taxis. Sie kamen von der Arbeit und freuten sich auf den Abend mit ihrer Familie. Sie hatten es gut.

Ich drehte den Kopf und schaute auf den Zierbrunnen im Zentrum des Grunthalplatzes. »Rettung aus Seenot« heißt die Skulptur darauf, Hugo Berwald schuf sie 1910.

Wer wird dich retten, Christian Svensson? Aus dem Nichts tauchte der Gedanke auf und ich sah in der Fensterscheibe die Wehmut in den Augen meines Spiegelbildes. Seit zehn Jahren reiste ich durch Deutschland und half Computern, mit den Menschen zurechtzukommen. Mein Zuhause sah mich nur an den Wochenenden und niemand wartete dort auf mich.

Das Gefühl der Einsamkeit ist in meinem Beruf ein ständiger Begleiter. Die Menschen verbrachten die Abende bei ihren Lieben und ich in Deutschlands Hotels. Mein Leben schwamm davon wie einen Korken in den Wellen des Ozeans.

Über mein Spiegelbild im Fenster rannen Regentropfen und ich drehte mich zurück ins Zimmer. Mit Schwermut überlebte man in meinem Beruf so lange wie ein Fisch in der Wüste. Ich wusste ein Mittel gegen Gefühlsduselei. Wo andere Menschen Tabletten benötigen, bevorzuge ich auch heute noch einen Laptop. Der lässt sich zwar nicht so einfach schlucken wie eine Pille, dafür gibt es ihn aber ohne Rezept. Eine Angel mit meinem Foto als Köder schwamm immer in diversen Kontaktbösen und ich schaute nach, ob ein Fisch angebissen hatte. Selbst wenn er sich nicht ins Bett ziehen ließ, würde ein netter Chat den Abend noch angenehm ausklingen lassen. 

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

21.01.2023 um 05:50 Uhr

Diese Geschichte ist sehr interessant geschrieben. Man kann gar nicht aufhören mit dem Lesen.

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18.01.2023 um 23:09 Uhr

Sehr schön geschrieben!! Und auch sehr schön, wie Sie ihn aus der Reserve lockt ...

Wie er wohl weitergeht??

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Aiko Schwarzmeier

Gelöscht.

25.07.2021 um 09:25 Uhr

Selten über solche scharfen und spitzen Worte gelacht, hab die Story henossen und freue mich, gleich den zweiten Teil zu lesen

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02.10.2018 um 16:40 Uhr

Mich spricht die Geschichte an und werde mit Spannung und Genuss den zweiten teil lesen.

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06.11.2016 um 23:14 Uhr

Ich freue mich auf mehr.

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Meister Y

Autor. Förderer.

30.05.2016 um 08:09 Uhr

Großartig...

In wunderbarere Sprache malst Du hier Bilder, die sofort ankommen, mir erst das Hotelzimmer, dann die Bar vor Augen holen. Es scheint, als hätte jemand seine Meisterin getroffen. Absolut gekonnt würzt Du die Szenerie mit dem dazugehörenden Schuss Erotik, rundest mit sinnigem Humor ab, Toll, wirklich toll. Zeilen zum Geniessen, Zeilen, die sofort Lust auf mehr machen. Gedankengänge, die nachdenken und schmunzeln lassen. Kopfkino, das den Mund offen stehen lässt.

Ich bin wirklich begeistert. Danke, dass ich diese Zeilen lesen durfte.

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Gelöscht.

23.05.2016 um 17:29 Uhr

Super Geschichte

Danke das ich sie lesen dufte

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Gelöscht.

20.10.2014 um 05:01 Uhr

super, ich freue mich auf mehr:)

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Gelöscht.

20.03.2014 um 21:32 Uhr

Deine Geschite mach einen nachdenklich. Ich hoffe es folgen noch weitere.

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Rote Sonne

Profil unsichtbar.

14.03.2014 um 22:13 Uhr

Eine sehr gelungene Mischung aus Erotik und schwarzen Humor. Ich mochte diesen Dialog zwischen den Beiden und auch seine genialen Gedankengänge, die mich immer wieder zum schmunzeln brachten. Von der ersten bis zur letzten Zeile sehr konsequent in einem klasse Stil geschrieben.

Danke für dieses nette Sahnestück... bin nun auf den nächsten Teil gespannt.

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