Ab dem 21.Dezember werden die Tage wieder länger. Hat er ihr erklärt. An diesem Tag kommt das Licht zurück. An diesem Tag sind sie sich begegnet. Wintersonnenwende, vor zwei Jahren.
Anne hat ihm einen Adventskalender gebastelt. Mit kleinen Jutesäckchen, auf die eine Zahl gestickt ist. Jedes mit roter Schleife an einen geflochtenen Stern geknotet. Und mit Liebe.
Sie hat das für ihn getan. Ihr selbst liegt an Weihnachten nicht viel. Er jedoch hat sich im letzten Jahr über jede Adventsüberraschung gefreut. Sie hat sich über seine Freude gefreut.
Als sie den Stern anstelle der Blumenampel befestigte, war da noch Hoffnung. Das ist lange vorbei.
Als die Hoffnung gestorben war, kamen Verzweiflung und Tränen. Die Beutelchen am Stern blieben unberührt.
Anne schaut in den Spiegel. Zum ersten Mal seit Wochen sieht sie sich an. Geht nicht hastig vorbei, kurz gekämmt, fertig.
Sie konnte es nicht ertragen sich anzuschauen. In dieses verheulte Gesicht zu blicken hätte bedeutet, die Realität anzuerkennen. Das wollte sie nicht ertragen.
Heute bleibt sie stehen. Sucht den Blick einer anderen. Einer fremden Frau. Graue Augen, strubbeliges Haar, ein blasses Gesicht.
Etwas hat sich verändert. Ganz ohne ihr Zutun. Es ist einfach geschehen.
Die Schmerzen sind weg, die unerträglichen. Der Druck auf der Brust, das Gefühl zu ersticken. Heute ist da nichts mehr, nur Leere.
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