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2184

Im Jahr 2184 lebt der Geschichtslehrer Thunberg in einer Gesellschaft, die aus den Trümmern nach der Klimakatastrophe entstanden ist. Zu Thunbergs minutiös durchgeplantem Alltag gehört die intensive Nutzung virtueller Liebesdienste. Eine reale Begegnung jedoch stellt dann alles auf den Kopf.

Eine Science-Fiction-Geschichte von Obscurius Optissimus.

  • Info: Veröffentlicht am 01.01.2025 in der Rubrik ScienceFiction.

  • Urheberrecht: Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Verwendung sind nicht erlaubt. Mehr.

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2184

 

»Thunberg 19! Es ist 7 Uhr und 30 Minuten am Dienstag, 04-13-64 des transhumanistischen Zeitalters. Dein Tag beginnt. Deine heutige Morgenroutine umfasst 45 Minuten. Willst du sie mit Musik einleiten?« Die freundliche Frauenstimme in Thunbergs Ohr klingt energetisierend und klar.

Er richtet sich auf. »Alexa, wieso 45 Minuten? Ich habe heute Morgen nur Anziehen, Duschen, Zähneputzen und Frühstücken angegeben. Das sollte 30 Minuten dauern.« Während er mit seiner digitalen Assistentin in seinem Ohr verhandelt, bewegt sich Thunberg bereits zielgerichtet auf seinen Kleiderschrank zu und zieht seinen Thermoanzug aus der Schublade.

»Verzeihe, dass ich dich korrigieren muss, Thunberg 19. Du hast am Sonntag, 02-13-64 um 17 Uhr und 52 Minuten den Vorsatz vereinbart, diese Woche jeden morgen 15 Minuten Frühsport in deine Morgenroutine einzubauen. Dein Social-Pfand beträgt 150 Credits. Soll ich das Pfand für dich einlösen?«

Thunberg bewegt sich geradlinig ins Badezimmer und steigt unter die Dusche. »Heute bitte 32°C Wassertemperatur!«, ruft er aus. Die warme Brise folgt eine Sekunde später. »Ja Alexa, löse das Pfand ein!« Er shampooniert seine Haare, seift seinen Körper ein und beginnt schließlich damit, sich zu rasieren.

»Dein Social-Pfand für deine Morgenroutine wurde eingelöst.«

»Gottseidank!«, murmelt Thunberg vor sich hin. »Du kannst die Einstellungen jeden Sonntag zwischen 16 Uhr und 0 Minuten und 18 Uhr und 0 Minuten an deine individuellen Bedürfnisse anpassen.« Thunberg steigt aus der Dusche.

»6 Minuten Duschzeit bei 32°C - 17 Credits werden von deinem Konto abgebucht«, hört Thunberg in seinem Ohr. Er zieht seine Zahnbürste aus der Wand und hält sie sich in den Mund. Die Bürste beginnt daraufhin zu vibrieren und seine Zähne zu schrubben. »Was ist heute mein Tagesablauf, Alexa?«, fragt Thunberg, während er die Zahnbürste in seinem Mund auf und ab bewegt.

Die Computerstimme in seinem Ohr ertönt wieder, während vor seinen Augen eine schematische Abbildung seines Wochenplans erscheint. Zeile für Zeile liest sie Thunberg die Eintragungen des heutigen Tages vor:

 

7/30-8/15: Morgenroutine

8/15-9/00: Persönliche Entwicklung: Klavier

9/00-9/15: Personentransport für Präsenzveranstaltung

9/15-10/00: Sozialbeitrag: Geschichtsunterricht, achte Klasse +500 Credits

10/00-10/15: Meditation und Autogenes Training

10/15-11/00: Sozialbeitrag: Geschichtsunterricht, zehnte Klasse +500 Credits

11/00-11/15: Socializing mit Arbeitskollegin Neubauer 11

11/15-12 ...

 

»Okay, das reicht. Erinnere mich an den Rest später nochmal!«, unterbricht er die Computerstimme, während er seine Vitamintabletten mit seiner Frühstücksration aus der Kryokammer zieht. »Wann komme ich heute Abend nachhause?«, fragt Thunberg schließlich.

»Personentransport für Präsenzveranstaltung 18/00-18/15«, antwortet die Computerstimme.

»Werde ich da Zeit für das Cyber-Sex Forum haben?«, fragt er neugierig.

»Ja, von 19/15 bis 19/45 ist das Cyber-Sex Forum von Neuwelt in deinem Terminkalender eingetragen. Möchtest du deine Präferenzen in deinem Nutzerprofil ändern?«

Thunberg schmunzelt vorfreudig. Er hat keine Partnerin und er trifft auch sonst selten bis nie Frauen für ein romantisches Date. Das tun die wenigsten Menschen seiner Klasse in Neuwelt. So gut wie niemand kann mit den Reizen des Forums konkurrieren. Und da es ein Ort der unbegrenzten Wünsche und Möglichkeiten ist, will es auch niemand. »Nein Danke! Ich kümmere mich dann heute Abend darum«, antwortet er schnell und schlingt die weiße, undefinierbare Masse in sich hinein.

 

Nach dem Essen schaut Thunberg auf die Uhr, die in seinem Blickfeld oben links stets zu sehen ist. »7:59« steht auf der Anzeige. Er sagt: »Alexa, hilf mir, die kommenden 15 Minuten zu überbrücken!« Thunberg überkommt ein schlechtes Gewissen. Diese 15 Minuten waren für den Sport eingeplant, aber er hat sich nun mal dagegen entschieden. Jetzt, nachdem er bereits geduscht hat, ist es zu spät. Die 150 Credits sind es ihm wert. Dafür muss er die ganze Woche keinen Sport mehr machen.

»Wünschst du dir, an einem deiner persönlichen Lebensziele zu arbeiten?«, fragt die Computerstimme.

Thunberg seufzt. »Nein, heute nicht. Öffne bitte den News-Space.« Vor Thunbergs Augen öffnet sich eine gigantische Landschaft virtueller Datenströme. Gewaltige Reklame, Animationen und ein alles übertönendes Stimmengewirr. Thunberg spricht zu seiner digitalen Assistentin: »Bitte sortiere die Meldungen nach meinen persönlichen Präferenzen.« Unmittelbar darauf flacht die Informationsflut ab und Thunberg kann einzelne News-Stories wie in einem Einkaufsladen begehen. Zu seiner Linken liest er: »Grenzsicherheit bedroht. Hunderttausende Saboteure und Verbrecher stürmen die Anlage.« Thunberg läuft zum nächsten Nachrichtenstand. »Eskalation in den Reservaten. Polizisten werden Opfer verbaler Auseinandersetzungen. Reservat erfolgreich liquidiert.« Thunberg beachtet die Meldungen nur flüchtig. Ihn interessiert etwas anderes. »Alexa, gibt es eine Wettervorhersage?«

Die digitale Assistentin antwortet nicht direkt. Die Nachrichtenstände verblassen. Schließlich hört Thunberg ihre Stimme in seinem Ohr. »Ich bitte um Verzeihung. Leider stehen keine verifizierten Wetter- oder Klimadaten zur Verfügung. Über Meldungen aus dem Neuwelt Social-Forum oder persönlicher Berichterstattung wird von offizieller Stelle gewarnt.«

Thunberg verlässt den digitalen Informationsmarktplatz. »Ich danke dir für die Auskunft, Alexa!«

 

Er begibt sich zu seinem Klavier und beginnt damit, Tonleitern zu üben. »Keine verifizierten Daten ...«, murmelt er vor sich hin. Schließlich setzt er zu Chopins Étude Op. 25, Nr. 11 an. Er versinkt in Gedanken und fragt sich, in welcher Welt der Komponist gelebt haben muss, um einem Winterwind solch kraftvollen Ausdruck zu verleihen.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Obscurius Optissimus

Autor. Förderer.

03.01.2025 um 19:41 Uhr

Hallo Sklave Thorsten, Hallo Meister Y!

 

Ich danke euch für euer Interesse an meiner doch sehr langen und, wie ihr geschrieben habt, dunklen Geschichte.

 

Für eure Bereitschaft sie trotz ihrer Länge und ihres vielleicht etwas ungenießbaren Inhalts komplett zu lesen, danke ich euch! An euren Kommentaren sehe ich, dass ihr euch wirklich auf die Geschichte eingelassen habt, obwohl sie schwer verdaulich war. Das ist für mich sehr wertvoll.

 

Den Hinweis, Meister Y, dass weniger hier mehr gewesen wäre, nehme ich an. 

 

Sie ist eine der ersten Texte, die ich bei den Schattenzeilen eingereicht habe. Rückblickend würde ich viele Dinge anders machen, damit sie genießbarer, angenehmer zu lesen ist. 

 

Allerdings musste ich sie erst so schreiben, um zu wissen, wie es vielleicht anders/besser geht. 

("Hätte ich es nicht gewagt, hätte ich es nicht gewusst" ;)  

 

An dieser Stelle auch nochmal ein Dankeschön an Nachtasou für das Lektorat. Habe im Prozess viel gelernt.

 

Bis zur nächsten Geschichte ;)

Zu diesem Beitrag im Forum.

02.01.2025 um 05:40 Uhr

Hallo Obscurius Optissimus

 

Was für ein dunkles Szenario hast Du dir da in deiner Phantasie ausgemalt?

 

Das ist wirklich Beängstigend und auch ich sehe da wenn es auch nur eine fiktive Geschichte ist, diverse parallelen zur Wirklichkeit.

 

Ist es doch so, dass wir durchgetacktet den Tag planen. Mit der Uhr sprechen, manche auch schon mit der Brille.

Es gibt ja auch eine Alexa, dessen Marktposition erheblich ist.

Wir streben nach der perfekten Liebe, manche verwechseln Phantasie mit der Realität.  Können kaum eine Beziehung führen. Das erkenne ich in deiner Geschichte wenn auch extrem dargestellt, auch.

 

Ich muss aber auch gestehen das es mir wie Meister Y erging, das ich mich etwa bis zum Abschnitt mit Alley immer wieder ermahnen musste weiter zu lesen.

 

Denn schließlich hast Du dir Zeit genommen, dir die Geschichte auszudenken, niederzuschreiben und hier zu veröffentlichen. Da sollte man dann auch mit Respekt und Anstand jedes Wort, jede Zeile, lesen.

 

Wie gesagt, bis zum Abschnitt mit Alley war es schwer immer weiter zu lesen, da es sehr durchgeplant und teilweise auch sehr abstrakt war.

Gerade auch der Punkt als Thunberg am Abend CyberSex hatte, fand ich es schon sehr komisch.

 

Ich danke Dir für diese Geschichte, es war im Endeffekt großartig diese zu lesen. Es macht nachdenklich was den Umgang mit Medien und dem konsum von Gütern angeht aber vor allem was den Umgang mit unserer Umwelt angeht.

Danke Dir.

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Meister Y

Autor. Förderer.

01.01.2025 um 15:41 Uhr

geändert am 01.01.2025 um 15:43 Uhr

Hallo Obscurius Optissimus,

Du malst da aber wirklich ein, dunkles, furchteinflößendes Klimakatastrophenszenario und so ganz tief in mir drin, ist ein bisschen die Angst, dass Du recht haben könntest.

Ich bin ein großer Science Fiction Fan und war deswegen nach der Ankündigung gespannt auf die Geschichte. Ich muss aber gestehen, dass ich mich noch vor der Hälfte wirklich zwingen musste, weiter und bis zum Ende zu lesen. 

Mir war das zu viel durchorganisierter Tagesablauf, zu viel Algorithmus, zu viel düsteres Szenario. Ein wenig hat mich zwar seine vollkommene Abhängigkeit von der virtuellen Welt mitgenommen, dann haben mich aber wieder die nüchternen Bemerkungen von Alexa zurückgeholt.

Das Ende war es dann, was mich ein bisschen versöhnt hat. Das Wissen, dass am Schluss Menschlichkeit über Virtualität siegt, dass er sich ihr und nicht mehr allein seinen virtuellen Wünschen hingibt.

Danke für eine Geschichte zum Neujahrsnachmittagskaffee bei der, aus meinem Empfinden, weniger mehr gewesen wäre.

Zu diesem Beitrag im Forum.

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