Beste Neugierde
Die kurze Geschichte kommt zwar mit Augenzwinkern daher, der Sarkasmus übertreibt, und ist doch hart am Wind. Im ersten Abschnitt dachte ich: „Arme Sau“, hatte sogar schon ein paar solcher von früher vor Augen … als die Wendung kam. Die dreht alles um 180 Grad, und macht es – Schreck – keinen Deut besser. Es sind die ungleichen Verteilungen von Belastungen, die Ungerechtigkeiten im traditionellen Beziehungsmodell. Wieviele Frauen und Männer mögen statt im glücklichen Ehehafen in einem lebenslänglichen Gulag gelandet sein … klaglose Jahrzehnte Schinderei, ein bisschen Anerkennung, … wer kennt nicht diese farblosen, unglücklichen Alten, die „ihr Leben geopfert“ haben. Für was und wen eigentlich? Der Kniff dieser Geschichte ist, dass BDSM diese ganze Farce in sich trägt und auf den Punkt bringt. Einer/Eine ist immer der/die Schwächere in einer Beziehung gewesen. Schon immer Ehepartriarchen oder -matriarchen. Generationen von Versagung. Vielleicht auch nicht, wenn sie sich sagen konnten: „Das gehört sich halt so.“
Ich habe vor Jahren beruflich viel mit Senioren gesprochen (sprechen müssen), und das hat mir Angst vor dem Altwerden gemacht. In den 20-er 30-er, 40-er Jahrgängen blieb am Ende wirklich nicht viel außer Bitterkeit, Versäumnisse und nutzlose Arbeit und Einfügen in Rollenmodelle. Die Personen in der Geschichte sind jünger, aber schauen wir sie uns in 30 Jahren an: Außer einer Bücherwand und Flachbildschirm bleibt nichts übrig. Die landen bei der Haushaltsauflösung zusammen mit allen Träumen im Container.
Danke für diese Real-Geschichte, Neugierde. Hoffentlich hast Du selbst noch viel Neugier und Bewegungsspielraum gefunden oder gar gehabt.
Stilistisch habe ich noch eine Anmerkung: Die Dialoge. Die halbe Geschichte besteht aus Dialogen. Das find ich frisch, weil die Personen sich selbst sprechen und nicht beschrieben werden. Aber so wie in der Geschichte spricht niemand. Zu lange Sätze und komplizierter Satzbau. In Schriftsprache reden die wenigsten Menschen im Alltag. Da könnte die Geschichte noch an Lebensnähe gewinnen.