Ich habe dir eine Aufmerksamkeit zu Weihnachten versprochen, du erinnerst dich? Weißt du, ich habe lange überlegt. Ich kann dir nicht viel schenken, was du mit in deine Welt nehmen kannst. Nichts Gegenständliches. Was ich dir schenken kann, sind Erinnerungen. Heute habe ich noch eine besondere für dich. Komm zu mir!
Ich sehe kurz um mich. Die Bar ist leer mittlerweile. Die letzten zwei Gäste verließen ihren kleinen Tisch schon vor einer Viertelstunde. Ihre Gläser blieben zurück. Geleert und verlebt.
Ein Blick quer durch den spärlich beleuchteten Raum an dir vorbei zu Antonio. Er steht hinter dem Tresen, wischt gemächlich mit einem weichen Tuch über die Glasvitrine und sieht müde aus. Kein Wunder. Es ist weit nach Mitternacht. Er arbeitet seit Nachmittag hier. Selbst an solchen Feiertagen.
Die leise Musik ist längst aus. Es ist so still in der Bar, dass man Antonio bis hierher hört, wenn er eine schwere Flasche umstellt. Die Luft im Raum fühlt sich klebrig an, ist verbraucht für heute. Es wird kühler im Raum. Aufbruchatmosphäre.
»Wir sollten gehen«, sagst du plötzlich. Wahrscheinlich hast du - genau wie ich - gerade eben gespürt, dass unser Tag vorüber geht. Du nimmst den letzten Schluck aus deinem Glas. Weiche Lippen hinterlassen eine rote Erinnerung. Randerscheinung. Als du das Glas auf dem Tisch abstellst, klingt das schwarze Holz unter ihm hohler als vorhin, als dein Gin Tonic gerade begonnen war. Eine Ewigkeit her. Deine Finger gleiten beiläufig über den schwarzen, ledernen Umschlag der Getränkekarte.
Antonio bemerkt deine Unruhe. Das kann er gut. Es gehört zu seinem Job, auf die Gäste zu achten. Er schaut auf, ohne sein Wischen zu unterbrechen. Sieht erst kurz zu dir, dann zu mir. Ein geschäftiges Lächeln. Ich kenne ihn schon lange. Viele einsame Wege, die in seiner Bar endeten. Viele Gedanken, die ich hier betäubt habe, wenn sie zu viel wirbelten. Das muss schon Jahre so gehen. Man kennt sich nach so langer Zeit.
Ich nicke ihm zu. Er schaut kurz auf die Uhr über dem Tresen, wendet dabei das Tuch in den Händen und nickt mir dann zurück. Er hat mir schon manche kulinarischen Wünsche erfüllt. Heute aber ist es ein ganz spezieller.
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