Entnervt betrachtete sie ihren Kalender. Dort reihte sich für den Dezember ein Termin an den nächsten - Jahresendzeitstimmung. Jeder ihrer Kunden wollte noch nur mal eben ein Projekt unter Dach und Fach bringen, bevor das allzu gefräßige Finanzamt die fetten Profite vom letzten Jahr vertilgte. Das war auch ganz okay so, immerhin war das ihr Job, sogar ihre Berufung, denn Planung, Strategie, nackte Zahlen und nüchterne Fakten - das war ihr Ding.
Was sie dagegen wirklich stresste, waren die rot markierten Eintragungen: die in diesem Monat so beliebten Weihnachtsfeiern. Jeder Chef, der etwas auf sich hielt, veranstaltete in seinem Unternehmen Derartiges, weil es sich so gehörte, weil es die Mitarbeiter bei Laune hielt, weil damit neue und alte Kunden und Geschäftspartner an die Firma gebunden wurden ... und weil man das Ganze als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen konnte.
Sie seufzte. Gleich am 1. Dezember traf es sie zum ersten Mal. Sie hatte mal eben für das Wochenende nach New York jetten und sich damit für einen gut gelungenen Abschluss belohnen wollen - und Thorsten treffen, der seit einem Jahr dort arbeitete und seitdem - bis auf kurze Stippvisiten - als zuverlässiger Lover ausfiel.
Stattdessen winkte am Freitagabend nach einer langen stressigen Woche die erste Weihnachtsfeier: die ihres besten Kunden, im Hotel, in Köln. Sie hatte ihm - als kleines Add On - sogar bei der Gestaltung geholfen und sollte nun zwingend als Gast anwesend sein und gleichzeitig einen reibungslosen Ablauf gewährleisten.
Abläufe konnte sie; was sie anwiderte war die zu erwartende weihnachtliche Feststimmung und der damit einhergehende Alkoholkonsum der Gäste. Das waren Faktoren, die schwer zu kalkulieren waren.
„Was muss, das muss“ entschied sie sich, strich mit einer letzten entschlossenen Geste ihr mit blutroten Pailletten besetztes Minikleid glatt und stöckelte zu den Aufzügen. Es dauerte eine ganze Weile, bis einer auf ihrem Stockwerk eintraf, zum Bersten gefüllt mit den Gästen für die Feier. Vorsichtig schlängelte sie sich bis ganz nach hinten durch, bis zur Rückwand des gläsernen Aufzugs. Von oben betrachtete sie zufrieden ihr Werk. Es war alles so dekoriert, wie es ihr Kunde erwartete. Etwas ungewohnt und nicht so bieder wie bei ihren anderen Geschäftspartnern in der Gegend rund um Stuttgart. Aber dieses Unternehmen bediente immerhin auch eine außergewöhnliche Sparte - die Erotik und damit die intimsten Träume der Menschen.
Anspielungen darauf waren überall im Thema der Dekoration zu finden.
Dezent phallisch gestutzte Nordmanntannen, in denen kleine Kondompackungen mit Glitzerdekor und nackte Putten in erotisch-herausfordernden Stellungen geschmackvoll verteilt aufgehängt worden waren. Auf den Tellern mit Gebäck warteten Kekse in Form von Penissen und Lebkuchen, die sehr naturgetreue Abbildungen der weiblichen Intimzone darstellten.
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