»Wochenend und Sonnenschein und dann ...«, summend stellte Lena ihren Milchkaffee ab, lehnte sich wohlig zurück und ließ sich die Morgensonne aufs Gesicht scheinen. Es war Samstag und sie hatte keinerlei Verpflichtungen, also war endlich Zeit, ihr Vorhaben umzusetzen und ihrem neuen Hobby ein weiteres Glanzstück hinzuzufügen. Sie war leidenschaftliche Geocacherin und seit einiger Zeit entwarf sie eigene Caches. Heute wollte sie einen sportlichen Multi-Cache entwerfen, also mehrere Stationen, und diese Offroad, quer durch den Wald.
Sie angelte sich die Wanderkarte vom Frühstückstisch, um den Startpunkt festzulegen. Nebenan hörte sie ihren Nachbarn fluchen, dessen Rasenmäher mal wieder nicht anspringen wollte. Besser, sie verkrümelte sich, bevor er wieder bei ihr ankam. Sie würde ihm später die Ehre des Beta-Testers ihres neuen Caches zuteil kommen lassen, aber das musste er noch nicht wissen.
Die Fahrt ging am Fluss entlang, durch reife Kornfelder, und bog dann ab in ein hügeliges Waldgebiet mit Mischbestand. Zu römischer Zeit trieben sich hier Legionäre herum, jetzt war die Gegend ein beliebtes Wandergebiet. Als Startpunkt hatte sie einen Parkplatz mit einem kleinen Ausflugscafé gewählt, in dem sie sich später mit einem Imbiss belohnen würde. Sie speicherte die Ausgangskoordinaten, warf sich ihren Rucksack über die Schulter, steckte ihr GPS-Gerät in die Außentasche und marschierte los.
Schon nach wenigen Schritten umfing Lena die wohltuende Ruhe der Natur und sie sog die frische Waldluft tief ein. Trotz des schönen Wetters begegnete sie nur wenigen Wanderern. Klar, es war Samstagvormittag. Die meisten mussten einkaufen, den Haushalt erledigen und - Rasen mähen. Sie grinste bei dem Gedanken an ihren Nachbarn.
Lena lief mit strammem Schritt so lange, bis sie das Gefühl hatte, locker zu sein. Der Cache sollte schließlich die sportliche Fraktion der Geocacher ansprechen. Dann machte sie sich auf die Suche nach dem nächsten Wegpunkt. Von ihm aus wollte sie querfeldein weitergehen, also musste er so beschaffen sein, dass andere Wanderer das Verlassen des Weges nicht unbedingt mitbekommen würden.
Sie fand ihn in einer lang gezogenen Wegkurve mit einer Bank, von der aus man einen schönen Blick in ein weites Tal hatte. Hinter der Bank wuchs dichtes Gebüsch. Ein Trampelpfad, aus dessen Richtung ein leicht beißender Geruch wehte, zeigte das Naturklo an. Sie ermittelte die Koordinaten, suchte sich ein Versteck für das erste kleine Döschen, das sie dann später auf dem Rückweg mit den Koordinaten des nächsten Wegpunkts füttern würde. Danach schlängelte sie sich mit gerümpfter Nase durchs Gebüsch.
Vor ihr stieg das Gelände leicht an. Kiefern, Fichten und Buchen wuchsen auf welligem Untergrund. Ab und zu trat zerfurchtes Gestein hervor. Der nadelbedeckte Boden federte leicht unter ihren Füßen, ab und zu knackte ein Stöckchen, in den Wipfeln rauschte leise der Wind. Hier kam die Sonne nicht mehr bis zum Boden durch, tauchte aber den Wald in ein angenehmes, grünlich warmes Licht. Lena war im Reich der Tiere. Ob Rehe und Hirsche sie gerade von irgendwo misstrauisch beäugten?
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