Mutig per Email
»Ich werde auf alles zurückgreifen, was du mir anbietest, nur eben nicht dann, wenn du es dir gerade wünschst!«
Es klang beiläufig dahin gesagt, wie eine Allerweltsbemerkung über das Wetter, doch mich berührten die Worte wie ein Schlag auf die Schulter während einer ZEN-Session: Auf einmal war ich sehr, sehr wach, balancierte plötzlich auf dem Grat zwischen Schrecken und Abenteuerlust, Angst und Verlangen. Als letztes hatte ich nämlich gefragt, ob ich das Instrumentarium bei mir zu Hause mit einem Rohrstock vervollständigen sollte. Und noch dazu gemailt:
»Die bisherigen Sachen habe ich mir immer dann angeschafft, wenn ich innerlich bereit war, mich damit auch ›behandeln‹ zu lassen. Lange hat es nur die Peitsche gegeben, dann die Gerte, die längst nicht so schlimm ist, wie ich dachte. Einen Rohrstock wollte ich mir niemals anschaffen - aber seit gestern hat sich mein Gefühl erneut verändert. Auf einmal empfinde ich die Bereitschaft, mich von dir auch ›empfindlich‹ bestrafen zu lassen - sofern es aus deiner Sicht einmal sein muss, was ich nicht unbedingt hoffe!«
Mutig oder leichtsinnig? Nach nur einer einzigen Session, in der der Hand-, Peitschen- und Gerteneinsatz fast auf lustvoll-intensivem Wellness-Level geblieben war, zumindest ein forsches Vorgehen! Die letzten drei Schläge mit der Gerte auf den bereits gestriemten Hintern hatten weh getan - es hat nicht viel gefehlt und ich hätte das Stoppwort benutzt - oder doch nicht? Eben das will ich herausfinden. Es reizt mich, zu erleben, wie es ist, wenn der Schmerz immer wieder kommt, und zwar genau ab dem Punkt, wo es wirklich Schmerz ist und nicht nur ein starker Massage-Reiz. Warum es mich reizt? Auch das will ich herausfinden.
Reality
Als er mich das nächste Mal besucht, sitzen wir zusammen vor dem Computer und surfen ein bisschen im Web. Ich erzähle ihm von der Idee, eine ›Schattenwelten-Seite‹ zu erschaffen. Wie er das wohl fände? Ich könnte nicht über ihn schreiben, wenn er nicht einverstanden wäre, also auch nicht über unsere gemeinsamen Erlebnisse.
Um zu zeigen, wie so ein Tagebuch aussehen könnte, lese ich ihm den kurzen Text ›Mutig per Email‹ vor: Seine Worte, meine Antwort-Mail - meine Stimme zittert ein wenig. Zwar will ich nur erkunden, ob es für ihn okay wäre, so ›literarisch verwurstet‹ zu werden, aber dann berührt es mich doch ganz anders, diese Sätze laut vorzulesen: »Auf einmal empfinde ich die Bereitschaft, mich von dir auch ›empfindlich‹ bestrafen zu lassen - sofern es aus deiner Sicht einmal sein muss, was ich nicht unbedingt hoffe!«
Von da an ist es nur noch eine knappe halbe Stunde vom Verlesen bis zum Erleben.
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