Langsam wächst sie vor mir auf, die Burg Schattenstein... das dunkle, uralte Gemäuer hebt sich von Hintergrund wirklich sehr beeindruckend ab - regelrecht vergoldet von den Strahlen der untergehenden Sonne birgt es einen Hauch von Ewigkeit in sich.
Langsam lasse ich mein kleines Cabrio über den kaum ausgebauten Feldweg rollen und schiele immer wieder über den oberen Rand der Windschutzscheibe hinaus. Ein leises, kaum wahrnehmbares Kribbeln im Nacken.
"Verdammt gut gewählt..." denke ich mir und zolle Jona Mondlicht stummes Lob für die Auswahl des Treffpunktes. Nichts hätte treffender sein können... kein Hotel, kein Studio... kein gar nichts.
Die Burg Schattenstein - das war genau der Treffpunkt, der uns alle ansprach... die dunkle Seite, die in jedem unserer Herzen schlummerte - und die uns, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, hierher geführt hatte.
Endlich, mit einem leichten Aufatmen - erstaunlicherweise hatten die Stoßdämpfer die Auffahrt zur Burg lebend überstanden - parkte ich mein Wägelchen im Schatten der immer noch sehr wehrhaft aussehenden Mauer und stieg aus. Schaute mich suchend um.
Da oben... ein winziger Punkt Mensch... Jona Mondlicht! Da saß er also... und erwartete uns... seine Gäste. Ich winkte ihm zu... freudig erregt, ihn bald kennen zu lernen... dann erkannte ich, dass sowohl ich als auch mein Auto regelrecht mit den Schatten der Dämmerung verschmolzen. Alles schwarz in schwarz... wie sollte er uns da wohl sehen können?
Ich folgte dem ausgetretenen Trampelpfad - ängstlich darauf bedacht, ja nicht auf den irrsinnig hohen Absätzen umzuknicken (wo mag hier in dieser Einöde wohl der nächste Arzt aufzufinden sein, wenn ich mir jetzt auch noch einen Knöchel breche?) und erreichte schließlich das hohe, rostige Tor... es war verschlossen, aber wie Jona Mondlicht uns aufgetragen hatte, folgte ich dem Pfad an der Burgmauer entlang und umrundete das Gelände zur Hälfte. Auch hier war die Mauer unüberwindbar, bis auf eine kleine Pforte, die sich fast unsichtbar ins Mauerwerk hinein geschmeichelt hatte. Wie abgemacht hing der Schlüssel am Haken und das Türchen ließ sich auch problemlos öffnen. Ich ging langsam hindurch, versperrte es wieder sorgfältig hinter mir... und war im Innenhof der Burg.
Mein Schritt stockte, wieder schaute ich mich um... suchte den Aufgang - und fand ihn tatsächlich.
So leise wie möglich begann ich mit dem Aufstieg... und dann hatte ich ihn vor mir. Unseren Gastgeber... Freund... Jona Mondlicht. Wie ein Indianer schlich ich mich an ihn heran... gut getarnt von dem letzten Jubelgesängen der Vögel in den tief unter uns liegenden Baumspitzen... dem Rauschen des Windes im Gemäuer... und dem Klingen der Natur um uns herum.
Bis ich dicht hinter ihm stand. Und dann sprach ich ihn leise an.
"Na... forderst du dazu heraus, dich hinunter zu stoßen - oder dich festzuhalten?" grinste ich ihn fröhlich an.
Er ruckte herum zu mir - zuerst fassungslos, fast erschrocken - er war so in Gedanken gewesen, dass er mich tatsächlich nicht gehört hatte - und dann erfreut. Schon war er auf den Beinen und dann lagen wir uns in den Armen. Endlich mal... real. Nicht immer nur im Chat.
Das war schon ein ganz anderes, ein viel besseres Gefühl.
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