Diese Geschichte lässt mich seltsam ratlos zurück. Handwerklich ist sie gut gemacht, keine Frage. Und natürlich greift sie ein interessantes Thema auf: Wie devot sind Devote wirklich? Und ist Dominanz nicht erst dann wirklich dominant, wenn sie die Wünsche des Subs vollständig ignoriert? Das durchzudeklinieren ist durchaus reizvoll und kann aufschlussreiche Einblicke liefern. Aber jetzt mal im Ernst: Wie lange soll das gutgehen? Und was, bitte, hat das noch mit Liebe zu tun?
Da ist eine Frau, die behauptet, ihren Mann zu lieben. Dass sie ihn liebt, so vermute ich mal, hat mit ihm und seiner Persönlichkeit zu tun. Vielleicht mag sie seinen Humor, vielleicht seinen intellektuellen Widersinn, sein Talent, Saxophon zu spielen, oder seinen gelegentlichen Hang zum Übermut, wer weiß? Wir wissen es tatsächlich nicht, denn nichts davon wird im Protagonisten dieser Geschichte erkennbar. Alles, was wir wissen, ist, dass sie ihn zum widerspruchslosen Bediensteten heranziehen möchte. Sie will jemanden, der ihr Getränke serviert, ihr die Gartenhecke schneidet, den Küchenboden wischt, ihr die Schuhe putzt und sie ab und zu bis zum Orgasmus leckt. Ein echtes Gegenüber, einen Partner und Gefährten will sie offenbar nicht.
Und klar, sie dockt an seine erotischen Wünsche an - oder vielmehr an seine Triebe. Sie manipuliert ihn so geschickt, dass er nur noch als hechelnder Schoßhund Männchen macht. Schon möglich, dass ihn das nach anfänglicher Frustration sexuell befriedigt. Aber ist das auf Dauer abendfüllend? Und was ist eigentlich so verkehrt daran, wenn der devote Part deutlich macht, was er sich wünscht, was seine erotischen Sehnsüchte sind und wie er gerne dominiert werden möchte? Ja, sicher, ich weiß, "Topping from the Bottom". Aber hey, am Ende des Tages agieren da immer noch zwei Menschen, die einander lieben. Zwei Menschen, die miteinander alt werden wollen, die einander beistehen wollen in guten wie in schweren Zeiten. Geht das denn, wenn die eine von beiden die Bedürfnisse des anderen geflissentlich ignoriert?
Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass ihn diese Art von Dominanz doch zutiefst befriedigen müsste. Letztlich ist das doch das perfekte D/s - die eine bestimmt, der andere gehorcht, ohne Diskussion, ohne Widerrede. Und vielleicht gibt es Menschen, für die das tatsächlich die ideale Beziehungsform ist. Aber ich habe mich im letzten Jahr viel und ausführlich mit einem Freund ausgetauscht, für den der Metakonsens, das totale Machtgefälle, die ideale Beziehungsform darstellt. Und wenn ich eines von ihm gelernt habe, dann, dass diese Art von Beziehung nur funktioniert, wenn die beiden intensiv und innig miteinander kommunizieren, wenn Top die Wünsche und Bedürfnisse von Bottom auf das Genaueste kennt, und vor allem, wenn Bottom in hohem Maße die treibende Kraft für diese Art von Machtgefälle ist. Soll diese Art von D/s nicht zum Missbrauch entarten, dann darf Bottom nicht durch irgendwelche abstrusen Wetten in eine Falle gelockt werden. Und schon gar nicht sollte Top dann in bester "Sex-and-the-City"-Manier mit der Busenfreundin mehr über die Paarerotik reden als mit Bottom.
Wie gesagt: Die Geschichte lässt mich ratlos zurück. Ich nehme den beiden diese Art von Beziehungsdynamik nicht wirklich ab. Das ist mir alles zu plakativ. Es wird für mich der Komplexität des Themas nicht wirklich gerecht. Denn die Frage, wie devot Devote wirklich sind und wie dominant Dominante und wie viele Bedürfnisse Sub haben und äußern darf und ob es wirklich darum geht, zu etwas gezwungen zu werden, was man partout nicht will, oder am Ende doch eher darum, zu etwas "gezwungen" zu werden, das man zutiefst ersehnt, und ob es nicht auch für Top erfüllend sein kann mitzuerleben, dass Bottom am Ende der Session beseligt darniedersinkt, ist so vielschichtig und facettenreich, dass die Antworten darauf wahrscheinlich so individuell ausfallen wie die Menschen, die sich als dominant oder devot bezeichnen.
Insofern bin ich aber auch dankbar für diese Geschichte, poet, weil sie mich, wie du siehst, sehr zum Nachdenken angeregt hat. Es kann auch bereichernd sein, sich an einer Erzählung zu reiben. Von daher danke für deinen Text!