Eine Studentin übt auf einer Parkbank für den Musikunterricht. Doch sie weiß genau, dass ihre unregelmäßige Motivation nicht ausreichen wird. Um ein Instrument spielen zu lernen, braucht es eben etwas ganz Bestimmtes.
Mein Gitarrenlehrer ist ziemlich oldschool. Ich muss immer genau so dasitzen, wie er es vorgibt - gerader Rücken, Fuß auf diesem Trittdings, Augen auf den Noten, nicht auf den Saiten, und den Bauch des Instruments zwischen den gespreizten Schenkeln. Das geht unglaublich auf den Rücken. Aber er ist da ziemlich unlocker. Und, er merkt, wenn man nicht übt! Es soll ja solche geben, die Verständnis zeigen und das einfach dulden, dass eine junge Frau gerade zu Beginn ihres Studiums mit Job und anderen Terminen manchmal weniger Zeit hat ... aber nein. Einfach ohne Gnade, der Mann! Dafür ist er aber in seiner Erscheinung nicht unattraktiv - und seine Stimme immer sanft und sonor, auch, wenn er eigentlich in Rage sein müsste, seine Ausdrucksweise stets korrekt. Einmal hat er mir sogar die Fingernägel geschnitten, weil ich offenbar nicht selbst in der Lage dazu war ... das war so peinlich! Ich bin knallrot geworden, habe ihm aber brav meine Hände entgegengestreckt und ihn machen lassen. Seitdem achte ich penibel darauf.
Heute ist wieder einer dieser Tage. Ich habe nicht geübt. Jetzt habe ich das letzte Seminar geschwänzt, sitze auf der Parkbank auf dem Weg zwischen der Uni und seinem Unterrichtsraum und übe verzweifelt ein Stück - paradoxerweise Tempus fugit. Und ja, die rennt, die Zeit. Meine Fingerkuppen sind schon ziemlich gereizt. Wenn man nie übt, entsteht da ja auch keine Hornhaut. Wahrscheinlich ist das auch so ein Indiz für ihn. Und ich kriege diesen einen Lauf einfach nicht hin. Zu spät kommen sollte ich allerdings auch besser nicht. Die Reaktion darauf ist unerträglich. Nie wieder! Da hilft auch kein weiblicher Charme. Meine Knie sind gummiartig, als ich endlich bei ihm ankomme.
»Tritt ein, junge Dame« - das sagt er immer. Ausdrucksweise leicht antiquiert. Der große, dunkle Mann tritt zur Seite und lässt mich vor ihm her ins Zimmer gehen. Dann macht er die Tür zu.
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