Meine Frau ist wie jeden Freitag gefesselt im Keller. Da, wo sie hingehört. - Lüge oder Wahrheit? Das verrät der Gefragte seinen Freunden am Tisch natürlich nicht. Aber der Wirtin, die den Dialog unweigerlich mitbekommt, geht die Fantasie durch.
Mit größter Sorgfalt widmet er sich seinen Vorbereitungen. Eine Pyramide aus Kleinholz im Kamin aufstellen, das Fell ausbreiten, den Sessel danebenstellen, das goldgelbe Nass mit zwei Gläschen und dem Paddle auf den Beistelltisch, den Haken an der Decke mit der Kette auf eine gerade noch erträgliche Höhe einstellen. Ja, früher war die Kette deutlich kürzer gewesen. Aber auch eine Sklavin bleibt nicht ewig dreiundzwanzig.
Kein Laut dringt aus dem Keller. Wie jede Woche soll sie freitags über ihre Verfehlungen nachdenken. Großzügig gibt er ihr dafür Zeit und kümmert sich darum, dass sie nicht abgelenkt wird. Schmunzelnd betrachtet er das Bild der Kamera auf seinem Handy, bevor er in seine Jacke schlüpft. Da sitzt sie. Halsband, Fesseln, die Augen halb geschlossen. Sie träumt, es geht ihr gut - sie weiß, was kommen wird. Das meiste jedenfalls, denn es gab schon viele Freitage in ihrer beider Leben.
Er verlässt das Haus. Im Ort hat ein neues Café eröffnet - dort trifft er sich gern mit Freunden. Die Betreiberin ist etwas jünger als die letzte und er findet sie sympathisch. Sie hat ihren eigenen Humor und er hat neulich einmal zugegeben, dass er ihren versteckten Witz und ihre Art schätzt. Sie ist eine Bedienung durch und durch. Sie kennt die Wünsche ihrer Gäste, bevor sie sie aussprechen. Wenn wenig los ist, ist sie eine angenehme, eloquente Gesprächspartnerin mit vielen Registern. Kann mit der alten Frau ohne Bildung und Zähnen genauso ein Gespräch führen wie mit dem Pfarrer oder dem emeritierten Philosophieprofessor. Nur marginale Zeichen in Körperhaltung oder Ausdrucksweise machen deutlich, wenn sie ein Thema erheblich stört oder sie anderer Ansicht ist, was es für ihn als Zuschauer umso unterhaltsamer macht. Wie sie wohl an seinem Haken aussehen würde? Bei ihr würde er dafür sorgen, dass nur gerade noch so die Zehenspitzen das Fell berührten. Das rötliche Haar würde über ihre Schultern fallen und im Feuerschein glänzen ... sie würde sich winden.
Ich finde die Geschichte sehr lebendig, mag den Minimalismus. Ein bisschen hier ein bisschen da. Ein gutes Geländer an dem sich meine eigene Fantasie entlang hangeln konnte.
Habe die Geschichte gern gelesen. Sie schildert in unaufgeregter Weise einen Mikrokosmos, den jeder so oder so ähnlich kennt. Das skurrile "Freitagsritual" befremdet mich etwas. Halte es aber mit Friedrich dem Großen "Denn hier muß jeder nach seiner Fasson selig werden." Danke
Vielen vielen Dank für die lieben Worte von euch! Obwohl ich leider in letzter Zeit nicht mehr sonderlich aktiv war. Ich kriegs per E- Mail mit und freue mich sehr Danke
Sehr gut! Detailgenau beobachtet. Die unterschiedlichen Sichtweisen, aber auch die begleitenden Gedankengänge lassen gelebte Erfahrung vermuten. Auf den ersten Blick recht belanglos, aber schon auf den Zweiten öffnen Welten. Danke für den 2.,3.,4... Blick! Sehr gelungen!
Einfühlsam, guter Stil, subtiles Geschehen im Untergrund - ich liebe diese Art Geschichten, die sich nicht nur auf sattsam bekannte Sessionszenen beschränken.