Es ist nicht so, dass mir mein Job Spaß bereitete. Weder zu den Regalreihen, für deren Befüllung ich verantwortlich war, noch zum Discounter selbst verband mich eine tiefere Liebe. Aber ich erledigte meine Arbeit fleißig und gewissenhaft, wälzte Waren um, kontrollierte Verfallsdaten, entleerte Paletten. War ein Rollcontainer falsch gepackt oder die Folie nicht richtig gewickelt, fluchte ich auch mal anständig. Aber stets nur hinten im Lager. Gegenüber Kunden wahrte ich immer eine Mimik, die einen verrückt anmutenden Enthusiasmus für akribische Logistik vermittelte, aber auf Ansprache jederzeit in völlig unkomplizierte Hilfsbereitschaft umschlagen konnte. Es kostete mich gelegentlich besondere Kraft und Selbstbeherrschung. Aber das konnte ich, das war mein Metier.
»Junge Frau«, hörte ich hinter mir eine tiefe, männliche Stimme, »wissen Sie eigentlich, wie faszinierend das ist?«
Ich schob einen Fünferpack Schokokugeln im Regal nach hinten. Hier war ein ganzer Karton abverkauft, ich würde auffüllen müssen. Eilig drehte ich mich um. Vor mir stand ein Mann im typischen Businesslook, Anzug, weißes Hemd. Einer aus der Personalabteilung oder darüber, vielleicht jemand, der Angestellte führt. Gut sah er aus. Attraktiv. Und erfolgreich.
»Was finden Sie faszinierend?«, fragte ich ihn, ohne seinem Blick auszuweichen, der fest und durchdringend wirkte, als wolle er mit mir in Verhandlungen einsteigen. Ein Alphatier, dachte ich, und das war der Moment, ab dem er für mich interessant wurde.
»Dass Sie hier standhaft bleiben. Inmitten all der unzähligen Leckereien.« Er legte den Kopf etwas schräg. »Ehrlich, ich würde schwach werden.«
Noch so ein Trigger. Für einen Augenblick sah ich ihn, in seinem Anzug, wie er den Kopf senkte, wie seine Aura aus Macht und Erfolg bröselte, von ihm abblätterte und schließlich auf dem Boden zu Staub zerfiel, wie er still darum bat, schwach sein zu dürfen, endlich. In meinen Händen. Durch meine Hände.
Ich riss meine Gedanken zurück. »Kann ich Ihnen helfen?« Ein Satz wie ein schroffer Eisblock. Das war sonst nie meine Art im Umgang mit Kunden und ich ermahnte mich. Strich mir das Haar über die Schultern.
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