Lieferung für Sedlacek
Karin soll ein Päckchen zustellen. Zwei Meter lang und zwanzig Kilogramm schwer! Inklusive Montage und Vollservice! In einer Stunde will sie fertig sein, dann duschen und ein kühles Bier trinken. Aber sie täuscht sich gewaltig. Nicht nur über die Arbeitszeit, sondern auch über die Kundinnen.
Eine BDSM-Geschichte von Nora.
Info: Veröffentlicht am 28.10.2023 in der Rubrik BDSM.
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https://www.schattenzeilen.de/2183-bdsm-geschichten-Nora-Lieferung-fuer-Sedlacek.html
Platz 3 im Schreibwettbewerb »Das Päckchen« (»Schreibwettbewerb: Das Päckchen«).
Es war ein Freitagnachmittag, Mitte Juli. Die Sonne hatte die gesamte Stadt in einen Backofen verwandelt, vor allem hier im achten Bezirk, wo kein einziger Baum stand. Asphalt und Beton reflektierten die Hitze und machten aus den angeblichen 30 Grad gute 40. Mir floss der Schweiß in Strömen den Nacken und Rücken hinab, die Unterarme klebten auf den Oberarmen, der Fahrersitz des Lieferwagens wetzte mir die Schenkel wund.
Ich fuhr mit der letzten Ladung des heutigen Tages zum dritten Mal die Josefstädterstraße rauf und wieder runter, auf der Suche nach einer Parklücke, die dem Ford Transit ausreichend Platz bieten konnte. Erfolgslos. Verdammt, es war Wochenende, wollten die Leute, die hier wohnten, denn nicht aufs Land in ihre dämlichen Wochenendhäuschen, ihre Schrebergärten oder was weiß ich wohin. Reich genug waren sie doch alle, die hier lebten!
In der Tat war der achte Wiener Gemeindebezirk der mit der höchsten Dichte an wohlhabenden Leuten innerhalb des Gürtels. Noch reichere lebten nur mehr in den Villenvierteln in Döbling oder Hietzing am Stadtrand. Vor fünfzig Jahren war der Achte das Biotop von Beamten, die um die Ecke im Landesgericht, im Finanzamt oder in den Ministerien ihren sinnbefreiten Tätigkeiten nachgingen aber auch von vermögenden Kaufleuten, die gleich oberhalb ihrer Läden riesige Wohnungen hatten, und die Freizeit in der Volksoper und im Raimundtheater verbrachten oder in altmodischen Cafés ganze Nachmittage bei einem Schälchen Gold und den dort ausgehängten Tageszeitungen abhingen.
Zumindest hatte mir das mein Vater erzählt, der als Kellner vierzig Jahre lang im Café Eiles diese Herrschaften bediente und sich um jeden Cent Trinkgeld bis zum Boden verbeugte, um meine Schwestern, Mama und mich in dem alten Gemeindebau in der Vorstadt durchzubringen.
Aber seit geraumer Zeit änderte sich auch hier alles. Die Hofratswitwen, Burgschauspieler und Kommerzialräte segneten nach der Reihe das Zeitliche und zogen in ihre letzte Ruhestätte auf dem Zentralfriedhof, während sich hier die Banken, Concept-Stores und Designerläden breitmachten und die Wohnungen, die noch übrigblieben, modernisiert und aufgemotzt, zu überteuerten Preisen an Yuppies und Bobos gingen. Und in eben eine davon ging offensichtlich die Lieferung im Fond meines Transits.
Endlich schälte sich ein breiter Audi A5 aus der Reihe der geparkten Wagen und ich zwängte mich mit einiger Mühe in die Parklücke. Stand halb auf dem Gehsteig, aber die Straßenbahn kam um Haaresbreite noch vorbei. Ich stieg aus dem Wagen, öffnete die Hecktür, zog das zwei Meter lange Paket heraus und stellte es an die Hauswand. Ein Muttermensch mit Kinderwagen motzte herum, dass das hier nicht erlaubt sei, ich sah sie scharf an und sie zog ab. Vielleicht auch, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass sich in dem blauen Arbeitsoverall eine Frau befand. Waren ja alle ganz brav gegendert hier.
Ich warf einen Blick auf den Auftragsschein: Paketnummer, Lieferadresse. Stimmte alles. »Inkl. Montage und Vollservice«, hatte Renate mit der Hand noch vermerkt. Also auch noch den Koffer mit der Bohrmaschine und das Handwerkzeug. Ich sah auf die Uhr: 15:30. In einer Stunde würde ich fertig sein, dann erwarteten mich eine Dusche und eine kühle Blondine im Glas.
Ich suchte nach den Namen am Klingelschild, Sedlacek, drückte das Knöpfchen, ein Summeton, die Tür sprang auf. Ich stellte das Paket in die Einfahrt, es mochte gut zwanzig Kilo schwer sein, dann noch die beiden Koffer mit dem Werkzeug. Im Stiegenhaus mit den gemalten Jugendstilornamenten an den Wänden war es angenehm kühl.
***
Ich mochte diesen Job nicht besonders, aber wenigstens brachte er Geld. Nach den zwei Jahren im Knast hatte ich noch ein Jahr Bewährung vor mir, die Kosten für den Anwalt aus dem Zivilprozess stotterten sich auch nicht von alleine ab und wenn du mal ins Loch eingefahren bist, dann ist es wirklich hart, draußen wieder Fuß zu fassen und auch sauber zu bleiben. Vor allem als Frau.
Aber ich hatte Glück. Meine Bewährungshelferin war ganz in Ordnung, keine von diesen jungen Welterklärerinnen oder eine frustrierte Schlampe, die ihren Job eigentlich hasste, es aber nie zugegeben hätte. Und nachdem sie merkte, dass es mir wirklich ernst war und ich jede Woche brav zum Antiaggressionstraining pilgerte, zauberte sie irgendwie diese Stelle aus dem Hut.
S&M Furnitures, eine Tischlerei, die sich auf die Herstellung von BDSM-Möbeln spezialisiert hatte. Betten, Streckbänke, Böcke, alles, was ein paar gelangweilte Yuppies brauchten, um sich aufzugeilen. Ob ich ein Problem damit hätte. Nein, hatte ich nicht. Die suchen einen Fahrer, der das Zeug liefert und hin und wieder auch aufbaut, ob ich das könne. Klar konnte ich das. Hatte ja lange genug am Bau gearbeitet.
Die Inhaber, ein Pärchen mittleren Alters, er Tischler, sie Designerin, waren fair. Sie hatten weder ein Problem mit meinem Vorstrafenregister noch damit, dass ich Lesbe bin. Drei Monate Probezeit, danach ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Glück gehabt, dachte ich mir.
Die Bewährungshelferin fand eine Wohnung für mich, ein abgefucktes Zimmer mit Kochnische draußen am Stadtrand in einem dieser Nutztierkäfige, die sie Sozialbauten nannten. Es war mir recht. Besser als die enge Zelle, die ich mit den andern drei teilte, war es allemal. Ich stand am Anfang. Es war gut so.
***
Der Aufzug war nur mit einem Schlüssel benutzbar. Shit, also dann zu Fuß. Noch ein Blick auf die Adresse, erster Stock, gut, das ging noch. Ich schulterte das Paket und ging die Treppe hoch. Das Gym im Knast war zwar grindig und desolat gewesen, aber es hatte mich in Form gehalten. Dennoch floss mir der Schweiß in Strömen zwischen den Brüsten bis zum Bauchnabel, als ich angekommen war. Ich lief zurück, die Werkzeugtaschen zu holen, dann wieder rauf und drückte die Türglocke.
»Ja bitte?«, tönte ein Stimmchen von innen. Irgendetwas kam mir seltsam vor. Die Stimme hörte sich dünn an.
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