Da war es, das passende Weihnachtsgeschenk für seine geliebte Frau Charlotte. Er hatte lange gesucht und es nun in einem Online-Portal für antiquarische Bücher gefunden. Die Zeit war knapp und Herr Schillermann in Sorge, ob der Bildband auch rechtzeitig zum Fest geliefert werden konnte.
Ungerer, Tomi: Erotoscope. Taschen Verlag, Köln 2001. Dreisprachig: Deutsch - Englisch - Französisch mit einem Vorwort von Michel Houellebecq. 415 Seiten mit zahlreichen Zeichnungen, teils farbig, teils schwarz-weiß. Sehr guter Zustand. Innen sauber und ordentlich. Schutzumschlag frei von Flecken, kleiner Einriss am Rücken. Preis: Euro 90,00. Versand: Euro 5,00.
Von: Fritz Schillermann
An: Antiquariat Geschichtenreich
Gesendet: 18.12.2016 23:05 Uhr
Betreff: Erotoscope
Sehr geehrte Damen und Herren,
über das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher habe ich soeben eine Bestellung in Ihrem Geschichtenreich ausgelöst, und zwar geht es um das Erotoscope von Tomi Ungerer, Taschen Verlag 2001.
Nun mein Anliegen: Der Bildband soll ein Geschenk für meine geliebte Frau Charlotte zu Weihnachten werden, und da die Zeit bis dahin nur noch kurz ist, wollte ich nachfragen, ob Sie das Buch so rechtzeitig verschicken können, dass es spätestens am 23. Dezember hier eintrifft.
Freundliche Grüße nach Hessen
Fritz Schillermann
Von: Antiquariat Geschichtenreich
An: Fritz Schillermann
Gesendet: 19.12.2016 10:35 Uhr
Betreff: AW: Erotoscope
Guten Morgen Herr Schillermann,
dass sich tatsächlich ein Käufer für dieses Buch findet, freut mich außerordentlich. Hier im Laden hat sich keiner getraut, nehme ich an. Und dann wollen Sie es auch noch an ihre Frau verschenken, was für eine entzückende Idee.
Nun verhält es sich so, dass ich bei Neukunden und einem Betrag von mehr als 75 Euro nur gegen Vorauszahlung liefere. Sobald die 95 Euro meinem Konto gutgeschrieben sind, bringe ich das Buch zur Post, das verspreche ich Ihnen.
Freundliche Grüße zurück nach Weimar
Caroline Queracker
15 Minuten später
Guten Morgen, sehr geehrte Frau Queracker, und herzlichen Dank für Ihre prompte Rückmeldung. Gerne überweise ich Ihnen den Betrag noch heute, möchte zuvor jedoch noch einmal den Zustand des Bildbandes erfragen.
Der kleine Randeinriss am Schutzumschlag, den ich der Beschreibung entnehme, stört mich nicht. Viel wichtiger ist mir, dass die Seiten nicht vergilbt und frei von Flecken sind. Auch ein olfaktorisch unbedenklicher Zustand ist insofern von Bedeutung, als ich plane, das Buch im gemeinsamen Schlafzimmer von Charlotte und mir aufzubewahren. Wer mag dort schon Muff?!
Vielen Dank schon jetzt für Ihre Mühe
Fritz Schillermann
PS: Einen schönen Vornamen haben Sie, wenn ich mir diese persönliche Anmerkung erlauben darf.
25 Minuten später
Solche persönlichen Anmerkungen lese ich gerne, Herr Schillermann, ich mag meinen Namen auch sehr. Danke Ihnen!
Ich habe mir den Bildband gerade noch einmal zur Hand genommen, daran gerochen und ihn betrachtet, deswegen musste Sie auch einen Moment auf diese Antwort warten.
Die Zeichnungen sind wirklich schön.
Der Zustand es Buches ist wie beschrieben, allerdings, auf einer Seite im letzten Drittel ist mir ein Fleck aufgefallen. Sonst ist alles einwandfrei, wie beschrieben. Das Buch ist nicht - um den von Ihnen verwendeten Begriff aufzunehmen - muffig oder dergleichen. Es riecht aber, als habe es eine Geschichte, als sei es von jemandem angesehen worden, der dabei genüsslich eine Zigarre geraucht hat. Neben sich ein Glas schimmernden Rotwein. Den Blick vielleicht ab und an auf seine Geliebte gerichtet ...
Ach, Herr Schillermann, was schreibe ich? Bei manchen Büchern geht die Fantasie mit mir durch.
Der Bildband riecht nach einem Bildband und hat einen Fleck.
Ich hoffe, Sie verzeihen mir meinen kleinen Exkurs.
Wieder bei Sinnen grüßt
Caroline Queracker
2 Minuten später
Liebe Caroline
- Darf ich das schreiben? Es gefällt mir so ausnehmend gut! -
Das mit dem Fleck ist natürlich bedauerlich. Fällt er sehr auf?
Herrlich, sehr fantasieanregende Idee und ich schätze den liebevollen Umgang mit den Worten, den du pflegst. Daher lese ich immer gerne Geschichten von dir.
Ich schaue auf den Vorwortschreiber Houellebecq. Ich lese seine „Elementarteilchen“ als Werk eines hippen Schriftsteller und ein anderes Mal als Abhandlung eines Moralisten. Im Ergebnis habe ich zwei völlig unterschiedliche Bücher gelesen. Und wenn ich sein Vorwort lese, denke ich, der Tomi hatte Mut.
Zitat aus dem Vorwort: „Ich liebe Sex, aber SM widert mich an, moralisch ebenso wie körperlich. Tomi Ungerer stellt eine extreme Verkörperung dieses klassischen Paradoxons dar, das sich leicht auflösen lässt, sofern die Kunst funktioniert – will sagen, dass das künstlerische Schaffen uns erlaubt, das Böse in uns wirklich auszudrücken und es auf diese Weise loszuwerden.“
Aha! Der Tomi zeichnet also und wir schreiben SM-Geschichten, um das Böse in uns loszuwerden.
Nee, Micha! So isses nich.
Und so isses auch nich in der Geschichte.
Es sind Leiden-schaften, nicht mehr, nicht weniger, es ist der Spaß am Versteckspiel, der Reiz erotischer Verführungen, es ist Muschebubu und Kopfkino feinerer Art. Es sind aber auch Schwellen und Schneemänner und Ausblendungen und der Umgang damit. In jedem Fall sind es lebendig haltende Herausforderungen.
Schön, dass es so etwas Buntes in der Welt gibt. Die Geschichte hat es mir mehrschichtig gezeigt.