Wie ich Marie fand. Oder fand sie mich? Egal, das Mädchen raubte mir den Atem, den Schlaf und den Verstand. Dabei wollte ich mich gar nicht mehr verlieben. Und ich fragte mich, ob sie wusste, was der Ausdruck Mistress wirklich bedeutet.
Sie war mir schon im Büro der Hochschülerschaft aufgefallen. Ich stand vor dem Anmeldeschalter, sie hatte ihre Formalitäten schon erledigt, kam zurück und direkt vor mir fielen ihr Unmengen von Broschüren, Foldern, Zetteln, die sie einem dort immer aufdrängen, wenn man sich anmeldet, zu Boden.
Sie bückte sich und sammelte den Kram auf, ich sah ihr dabei zu. Ein zartes Ding in einem dünnen, rückenfreien Sommerkleid. Jeder Knochen ihrer Wirbelsäule zeichnete sich scharf ab. Ihre Haut lud ein, endlos gestreichelt zu werden.
Später fragte ich sie, ob sie ihr Zeugs absichtlich direkt vor mir fallen lassen hatte und sie sagte: »Ja, weil mich deine Bikerstiefel so angemacht haben, die wollte ich gerne näher sehen«. Hatte sie dann später ja auch. Und nicht nur gesehen.
Damals stand ich jedenfalls nur da, glotzte auf ihren nackten Rücken und stellte mir vor, Wirbel für Wirbel mit meiner Zunge zu umkreisen, entweder runter bis zu ihrem Hinterm oder hoch bis zum Nacken, irgendwo da oben im Dschungel ihrer langen dunkelbraunen Haare. Etwas schlampig hatte sie die hochgesteckt, so dass ihr links und rechts dünne Strähnen ins Gesicht hingen, was sie noch um einiges schärfer aussehen ließ.
Sie hockte am Boden, schaute mir in die Augen, und während sie grinste, dachte ich: ›Ja, Mädchen, genau da und genau so möchte ich dich haben‹, aber machte keine Anstalten, ihr zu helfen. Stattdessen sah ich sie einfach nur schweigend an. Nach einigen Momenten schlug sie die Augen nieder, atmete tief ein und ich war mir sicher, sie genoss diesen Moment, diese Haltung, vor mir, vor meinen Stiefeln, genauso wie ich.
Dann stand sie auf, ihr Zeugs fest an sich gepresst, sah mich noch einmal an, mit einer seltsamen Mischung aus Rebellion und Demut, biss sich dabei auf die Unterlippe, schlug die Augen nochmal nieder, hauchte eine Entschuldigung und war weg.
Göttin, dachte ich, jetzt lassen sie schon die Kinder studieren, wie alt mochte sie sein? Vielleicht achtzehn oder neunzehn? Wie vierzehn sah sie aus. Höchstens.
Keine Stunde später traf ich sie erneut. Und wieder in einer Schlange. Bei einem Fastfood-Laden gleich bei der Uni, in den ich gerne ging. Die Burritos dort schmeckten zwar nach feuchter Wellpappe, aber einige der Bowls waren ganz okay.
Sie stand direkt vor mir, ihr Zeugs hatte sie nun offensichtlich in ihren Rucksack gepackt. Zappelte da herum, als müsste sie gleich aufs Klo und streifte ständig mit dem Rucksack an mich an. Ich rührte mich keinen Zentimeter. Wartet darauf, dass ihr das selbst auffiel. Was es dann auch tat.
Sie drehte sich um, murmelte eine Entschuldigung und sagte dann: »Ach, du schon wieder.« Was sollte man darauf antworten?
Wie ich Marie fand. Oder fand sie mich? Egal, das Mädchen raubte mir den Atem, den Schlaf und den Verstand. Dabei wollte ich mich gar nicht mehr verlieben. Und ich fragte mich, ob sie wusste, was der Ausdruck Mistress wirklich bedeutet.
Wie ein schüchternes Mädchen, so sanft drängte sich Marie in meine Wohnung, mein Bewusstsein, mein Leben. Vielleicht wollte sie tatsächlich nur spielen? Vielleicht wollte sie mehr? Kannte sie die Regeln? Und was wollte ich?
Marie lackiert mir die Nägel und ich erzähle ihr Geschichten. Die vom traurigen Thomas, die von der zärtlichen Zoe und die von Daniela, die aus Nora eine Donna Nora machte.
Ich sitze nackt vor ihrem Laptop und soll schreiben. Die Leine des Halsbandes hat sie am Bürostuhl festgebunden und einen Gürtel quer über meine Brüste und die Lehne des Stuhles festgezogen. Haltung sei alles, hat sie gesagt.
Marie vergisst, Gardinen aufzuhängen. Sehr zur Freude des Nachbarn gegenüber. Kein einziges Mal bewegt er sich, steht einfach nur da und schaut zu. Beobachtet uns wie Tierchen in einem Terrarium. Mich macht das fuchsteufelswild.
Deine Meinung
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eine wunderbare Geschichte, die du da geschrieben hast. Gasandra, mit der ich am Nachmittag etwas gechattet habe, hat sie mir empfohlen und mir versichert, ich hätte ganz sicher meine Freude daran. Wie recht sie hatte!
Deine Geschichte entwickelt einen Sog, der mich bis zum Schluss festgehalten hat. Dein Stil ist authentisch, auf den Punkt gebracht und hat auch noch Platz für Romantik.
Über die Schilderungen vergisst man die Zeit und taucht richtig darin ein. Bin mit euch durch die Straßen gelaufen - danke dafür. Freue mich schon auf den nächsten Teil.
letzte Nacht bin ich der "Nassen Katze" ein zweites Mal begegnet, und ich bin froh. Das Tempo, das du vorgibst macht mich schwindelig. Manchmal möchte ich gerne stehen bleiben um die Randfiguren zu betrachten. Gleichzeitig bin ich gefangen von der Entwicklung der beiden Protagonistinnen. Ich hechle ihnen hinterher, um bloß nichts zu verpassen. Und auch, wenn ich den zweiten Teil schon kenne. Ich will wissen, wie es weiter geht.
Danke dir, für diese wundervolle Geschichte! Ich bin regelrecht darin versunken und sehe Nora und Marie noch immer vor mir. Und es macht neugierig. Sehr. da könntest du einen Roman draus machen, ich würde mich freuen! Viele Grüße ☺️