Am Anfang sah es nach einer guten Idee aus.
Tiger und Mark hatten in einem Baumarkt nach aufregendem Spielzeug gesucht und dabei viel Spaß gehabt. Warum - so dachten sie sich - sollten wir nicht mal in einen richtigen SM-Shop gehen? Überhaupt kein Problem! Und wieso auch nicht?
Wie gesagt, am Anfang sah es nach einer guten Idee aus.
Jetzt standen sie vor dem düster wirkenden Geschäft und drängten sich so dicht aneinander wie zwei Schafe in einem Wolfsgehege.
"Ich habe ein schlechtes Gefühl," flüsterte Tiger und benutzte Mark als Schutzschild.
Dazu eignete er sich ganz gut, so steif wie er dastand. "Ich weiß, was du meinst," raunte er zurück.
Ihr Unbehagen ließ sich nur schwer beschreiben. Ein Sexshop hatte etwas Anrüchiges, Verbotenes, das man darüber hinaus vage mit organisiertem Verbrechen in Verbindung brachte. Auch wenn sich Tiger und Mark gerne sagten, über Scham und Schmutz zu stehen, jetzt saßen sie mitten drin.
Natürlich wussten beide, dass es sich im Grunde um ein ganz normales Fachgeschäft handelte. Und es gab auch nichts Verwerfliches daran, sich darin mit... mit romantischen Utensilien einzudecken. Aber der Instinkt ist ein hinterhältiger, kleiner Bursche, der erstaunlich viel Macht besitzt.
"Das war eine dumme Idee," wisperte Tiger von hinten in Marks Ohr. Ihre Augen huschten dabei hin und her. "Lass uns gehen, ehe uns noch jemand sieht."
Mark musste Schlucken, bevor er antwortete. "Das ist doch albern. Wir bringen das jetzt hinter uns. Hast du deinen Ausweis dabei?"
Natürlich hätte sie niemand mehr für zwei pickelige Teenager gehalten, zumindest wenn man vom Benehmen absah. Aber sie hatten ihren Kundenüberfall generalstabsmäßig geplant. Zu ihrer Ausrüstung zählten neben dem Ausweis auch noch eine Flasche Pfefferspray und ein Glücksamulett.
"Ja," sagte sie und flehte: "Aber bitte, lass uns das vergessen. Wir können doch auch alles übers Internet bestellen!?"
"Das wird ein erotisches Erlebnis und wir werden viel Spaß haben!" knurrte er. "Und jetzt gib mir deine Hand!"
"Nein!"
"Na schön, dann zieh wenigstens deine Fingernägel aus meinen Schultern."
Der schmerzhafte Druck verschwand von Schlüsselbein und Schulterblättern. "Na schön," flüsterte er aus dem Mundwinkel. "Dann bleib dicht hinter mir." Stille herrschte in seinem Rücken. "Bereit? Dann auf drei. Eins, zwei..."
Mark holte tief Luft und schlüpfte durch den schweren Vorhang, der Bürgersteig und Lasterhöhle voneinander trennte.
Es dauerte eine Weile, bis er sich an die dezente Beleuchtung gewöhnt hatte. Dann aber war er angenehm überrascht. Die Leder- und Gummiwaren wurden in modernem, geschmackvollem Design präsentiert. Keine Spur von schmuddeligen Auslagen oder zwielichtigen Gestalten.
Mark atmete erleichtert auf. "Siehst du, alles halb so wild. Ist doch ein hübscher Laden."
"Danke. Wir geben uns alle Mühe."
Mark hätte beinahe seine Zunge verschluckt, als ihn die nette, junge Verkäuferin neben der Tür ansprach, die er natürlich völlig übersehen hatte.
Er lächelte verlegen und wartete, bis sein Herz nicht mehr 140 Meilen in der Stunde lief. "Hm, ja, ein schöner Laden," sagte er schließlich.
"SM-Shop sagen wir," berichtigte sie gelassen. Sie war solche Reaktionen schon gewöhnt. "Was suchen Sie denn? Schlagwerkzeug, Fesselndes, etwas zum Anziehen?"
"Ja, hm, also", begann Mark noch etwas verunsichert. "Ich - das heißt wir würden uns gerne erst mal einfach nur so umsehen. Geht das?"
"Wir?" Die Verkäuferin beugte sich zur Seite, um hinter Mark sehen zu können.
"Ja. Ich und meine..." Er drehte sich um, aber es herrschte ein auffallender Mangel an Tiger. Sie brachte es sogar fertig, so verschwunden zu sein, als gäbe es sie überhaupt nicht. Mark wurde knallrot, murmelte ein Entschuldigung und war verschwunden.
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