Langsam zieht sie das Kästchen zu sich heran. Es ist nicht größer als ein Schuhkarton und er hat es mühsam mit Geschenkpapier bekleidet. Eigentlich, denkt sie, würde sie es lieber geschlossen lassen. Denn er hat ihr die Büchse der Pandora versprochen.
Info: Veröffentlicht am 24.12.2015 in der Rubrik BDSM.
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»Du bist dran.« Sein Lächeln ist ebenso neugierig wie angespannt. Er lehnt sich in seinem Sessel zurück, streckt die Füße nach vorn. »Pack es aus.«
Sie nickt. Neben dem Weihnachtsbaum kniet sie nieder, bemüht sich, keine der silbernen und leicht zerbrechlichen Kugeln mitzureißen. Das letzte Päckchen ist ihres. Sie zeigt mit dem Finger darauf, als gäbe es noch eine Auswahl.
»Genau das.« Er drückt die Finger seiner Hände gegeneinander und stützt sein Kinn. Beobachtet sie genau. »Du weißt ja, was es ist.«
Langsam zieht sie das Kästchen zu sich heran. Eigentlich, denkt sie, würde sie es lieber geschlossen lassen. Es ist nicht größer als ein Schuhkarton und er hat es mühsam mit Geschenkpapier bekleidet. Das sieht man an den nicht ganz übereinanderliegenden Ecken. Und an dem vielen Klebeband, das er verbraucht hat. Darauf kommt es aber nicht an. Sondern auf den Inhalt.
Die Büchse der Pandora hat er ihr versprochen. Jedes mal, wenn sie ihn ungeduldig gefragt hat, was er ihr zu Weihnachten schenken wird. Wenn sie ihn um Auskunft gebeten hat, ob er schon eine vernünftige Idee habe. Natürlich waren das alles nur rhetorische Fragen. Wer verrät schon Geschenke.
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Für eine gelungene Geschichte ist wie beim Fotografieren vielleicht die Wahl des richtigen Moments eine Voraussetzung. Ein ernst gemeinter Heiratsantrag (gibt es auch andere?) stellt den Moment her und erfordert dann bis zur Umsetzung Geduld. 25979, in dieser Geschichte ereignet sich nichts ungeplant.
Mir hat hanne lottes Kommentar für das Lesen geholfen. Denn der Titel war mir zunächst Warnung genug. Dass die Büchse der Pandora auch Gaben enthalten kann, wusste ich nämlich nicht.
Beim Lesen musste ich dann eher an Schrödingers Katze denken.
Eine Frage zu stellen birgt immer das Risiko, eine unerwünschte Antwort zu erhalten. Totes Kätzchen. Und das an Weihnachten. Herrje, was hätten das für üble Feiertage werden können.
Und dann las ich die Geschichte als Krimi:
Der Partner hat geschummelt. Er hat wirklich geschummelt. Er hat dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen, sich einen Vorsprung verschafft, in dem er in IHRE Black-Box unter dem Bett vorher tiefer hineingegriffen hatte, als ihm zustand, und damit nicht die »Katze im Sack kaufte«. Wissen ist Macht, und wer das Risiko scheut, verschafft es sich. Also: Diese Geschichte ist nicht nur romantisch und schön, sondern basiert auf amoralischem Verhalten.
Oder, andere Lesart: Gelegenheit macht Diebe. Weiß die Partnerin gar um seine Schwächen und deponierte ihre »tiefsten Geheimnisse« unter dem Bett, auf dass er sie fände? Ihm also auf die Sprünge half. Jetzt muss sie beim Auspacken freudig überrascht tun, und innerlich denkt sie: na endlich, hat ein ganzes Jahr gedauert.
Wer ist hier Pandora?
Diese Giftschränke unter dem Bett gibt es im wahren Leben natürlich nicht, so einfach ist das nicht. Genau hinhören tuts auch.
Pandora: Das ist der Kopf des Gegenübers, auf jeden Fall. Fall gelöst.
Und jetzt mein ernst gemeinter Kommentar: Eine wirklich gelungene, kondensierte Geschichte, mit passendem Titel.
Es braucht kein Weihnachten, damit sich ein Leben von einem Moment auf den anderen grundlegend ändert. Aber es sind die ungeplanten Ereignisse noch viel mehr als die geplanten. Im Augenblick nimmt alles seinen gewohnten Lauf, nur Sekunden später ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Geschichte rückt zur Unzeit in meinen Fokus. Dafür kann ich den Autor nicht verantwortlich machen. Haftbar schon gar nicht. Deswegen bleibt nur höchstes Lob. Schlafen werde ich heute Nacht wohl nicht mehr.
Ein so schöner Moment, so schön beschrieben, dass man denkt man sitzt daneben als es passierte. Die Stimmung ist fast spürbar und man fragt sich wie es weiter gegen könnte.
Ich denke sie hatte Glück, Glück das er ihre Bücher gefunden hat und Glück das er sie oder sie ihn gefunden hat.
Alle Übel dieser Welt. Und nur die Hoffnung - jedoch für immer eingeschlossen in Pandoras Büchse. Meint Hesiod, der aber war ein erklärter Frauenfeind.
Bei Aristophanes bringt Pandora eher gute Gaben, das ist ein bisschen in Vergessenheit geraten, leider.
In beiden Fällen hat sich durch das Öffnen des Gefäßes etwas unwiderruflich verändert.
Von den beiden unterm Weihnachtsbaum war sich wohl keiner sicher, ob zum Guten oder zum Schlechten. Die Spannung war fast greifbar. Aber diesmal war die Hoffnung mit dabei.
28.01.2024 um 21:55 Uhr
die spannend geschriebene Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen. Ich musste einfach immer weiter lesen...
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