() „Sie schauen die Post noch durch und dann machen Sie aber Feierabend! Denken Sie daran, dass ich dieses Wochenende nicht erreichbar sein werde“, waren die Worte, mit denen sich ihr Chef ins Wochenende verabschiedet hatte. Fast ein bisschen verträumt schaute Mathilda Dr. Frank Peter hinterher, als er durch die Tür ging. Wie so oft lag in ihren Blicken eine Mischung aus Sehnsucht und Bewunderung.
Dass ausgerechnet sie den Job bekommen würde, hatte sie niemals für möglich gehalten. Genau erinnerte sie sich an das ‚erste Mal‘, an den Moment, in dem sie Dr. Peter vor fast zwei Jahren gegenübergestanden hatte. Er, wie immer perfekt aussehend, dunkler Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte. Lächelnd hatte er ihr zugehört, nachgefragt, sie am Ende des Vorstellungsgespräches ohne eine Andeutung, ohne eine Entscheidung weggeschickt. Sie, die damals die Aufforderung vom Arbeitsamt hatte, sich in der Firma vorzustellen, in Jeans, Turnschuhen, Strickpullover, strubbeligem Haar und der festen Annahme, dass sie sowieso keine Chance haben würde. Dabei waren ihre Referenzen als Fremdsprachensekretärin bestens. Gern hatte sie in ihrem Job bei einem weltweit tätigen Automobilzulieferer gearbeitet, bis Lea kam. Lea, ihre mittlerweile dreijährige Tochter, deren Vater sie einfach allein gelassen hatte. Lea, die ihr Leben seitdem prägte, für die sie trotz großer Mühe keinen Krippenplatz bekommen hatte. Lea, die jetzt gerne die Kindertagesstätte besuchte, noch immer aber Mathildas Tagesablauf bestimmte.
Schon die Atmosphäre in Dr. Peters Firma hatte sie damals verwirrt. Jede Frau, die sie dort traf, erschien ihr stolz, keine von ihnen trug Hosen oder andere legere Kleidung. Keiner der männlichen Mitarbeiter kam im Freizeitlook in die Firma, Hemden und Sakkos schienen eher normal. Dabei war Dr. Peters Firma keine Anwaltskanzlei, ging es nicht um Immobilien oder Ähnliches, sondern um Software für Strickmaschinen.
Völlig überrascht war Mathilda daher, als sie wenige Tage nach dem Vorstellungsgespräch einen Anruf von Dr. Peters Sekretärin bekam, die ihr mitteilte, dass sie einen Termin bei Dr. Peter habe. ‚Wenn ich mir die Abfuhr schon persönlich abholen soll, dann wenigstens stilvoll‘, hatte sie sich damals gesagt und sich von dem Wenigen, was sie hatte, einen dunklen knielangen Rock, eine weiße Bluse und ein paar Pumps gekauft. Die Situation, die sie dann erlebte, machte ihr dennoch zu schaffen. Während Dr. Peter hinter seinem Schreibtisch saß, stand sie einen Meter davor, kam sich vor wie auf einem Präsentierteller und konnte ihn nicht wirklich anschauen. Wie von allein wanderte ihr Blick zu Boden. Glauben wollte sie auch nicht, was sie hörte, sie ja sie, solle die Stelle tatsächlich bekommen. Könne am nächsten Tag anfangen, habe acht Wochen, um sich von seiner Sekretärin einarbeiten zu lassen. Mehr stammelnd als klar hatte sie damals ein „Danke“ über die Lippen gebracht.
Schnell hatte sie Frau Müller, Dr. Peters Sekretärin, dann ins Herz geschlossen, die es bestens verstand, sie in ihre Aufgaben, aber auch in die Geheimnisse der Firma einzuweihen. So erfuhr sie noch am gleichen Tag, dass ihr Chef zwar großen Wert auf Äußerlichkeiten legte, dies auch strikt vorlebte, aber nur Leute einstellte, deren fachliche Kompetenz ihn absolut überzeugte. „Alles andere sei eine Frage der Erziehung“, sage er immer wieder. Dass es weitere Geheimnisse um Dr. Peter gab, wurde Mathilda nach und nach bewusst. Der Job machte ihr Spaß, schnell wurde sie Teil des Teams. Mehr und mehr erlangte sie Anerkennung, war aus Dr. Peters Büro nicht mehr wegzudenken. Als sie die Summe auf ihrem ersten Lohnzettel sah, durchfuhren sie Glücksgefühle. Arbeit, die Spaß macht und sich wirklich lohnt.
Juliane, eine der Softwareentwicklerinnen war es dann, die Mathilda irgendwann erzählte, dass viele in der Firma eine Art dunkle Seite verband, und ihr den Tipp gab, auf einer bestimmten Website nach weiteren Antworten zu suchen. So kam es dazu, dass Mathilda begann, Geschichten zu lesen, bemerkte, dass ihre eigenen Sehnsüchte von dem, was sie las, nicht weit entfernt waren.
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