Die gnadenlose Senpardona und ihre Gehilfinnen konnten ihm nicht bieten, was er brauchte, Jenny erst recht nicht - aber gab es denn wirklich sonst niemanden, der auf seiner Welle schwamm?
Warum schreibe ich diese Geschichte, die so schonungslos meine ist? Vielleicht, um mir mehr Klarheit über mich selbst zu verschaffen? Will ich, dass sie jemand liest? Schreibt man eine Geschichte, die niemand liest? Aber warum sollte sie jemand lesen wollen? Seit ich schließlich diese Seite ›Schattenzeilen‹ gefunden habe, weiß ich immerhin, dass es wohl Leute gibt, die solche Fantasien lesen wollen. Und wer weiß schon, wie autobiografisch diese Geschichte ist; sie kann genauso erfunden sein wie all die anderen! Ich schreibe sie einfach mal, kann mir ja dann immer noch überlegen, ob ich sie einreichen werde ...
***
Die eingestellte Küchenuhr schrillte. Schon 17 Uhr also, da würde Jenny bald heimkommen. Er stöckelte in sein Arbeitszimmer, schlüpfte aus dem kleidchenähnlichen langen Nachthemd, aus den Plateauschuhen. Schloss seine Arm und Fußschellen auf und legte alles zusammen mit den verbindenden Ketten auf den Schreibtisch. Am Schrank hing noch die Lederklatsche, deren Anblick ihm einen letzten Schauer über den Rücken bis zum geröteten Gesäß sandte. Schließlich schnallte er sich noch den Ballknebel ab. Er seufzte.
Zweieinhalb Stunden hatte er in seiner wilden Fantasiewelt verbracht, in der er als Sklave der gnadenlosen Herrin Senpardona und ihren zwei Gehilfinnen ausgeliefert war, die ihn demütigend feminisierten und züchtigten und verspotteten, war auf ihre Befehle hin auf die Knie gegangen, hatte sich einen mächtigen Plug in den After gequält, sich selbst im vom PC vorgegebenen Rhythmus gezüchtigt, die Küche piccobello geputzt, dann das Bad, schließlich die selbst gemachten Pizzen so vorbereitet, dass man sie nur noch in den Backofen mit den Steinplatten schieben musste. Das Programm mit den weiblichen Stimmen und weiteren Geräuschen hatte er selbst geschrieben, es lief als Endlosschleife - wozu war er IT-Spezialist! Und wenn die verhasste Timerschelle nicht gescheppert hätte, wäre er noch länger nicht aus dieser Welt aufgetaucht.
Sorgfältig verstaute er alle Utensilien mit Hemd und Schuhen - ja auch diese hatte er wie alles Sonstige selbst gebastelt, hatte abgelegte Schuhe von Jenny dazu geweitet - in der untersten Schublade seines Schreibtisches, die er immer verschlossen hielt. Stets ging er akribisch die Liste der benutzten Gegenstände durch, ob er auch nichts vergessen hatte, damit nichts Verräterisches herumliegen blieb. Seinen gestriemten Hintern würde Jenny nicht zu sehen bekommen, da er immer als erster am Abend ins Bett ging. Bis morgen früh würde man ohnehin nichts mehr sehen, aber da passte er schon auf.
»Du bist ein Schatz!«, sagte Jenny, als sie eine halbe Stunde später kam, die saubere Küche und das blitzende Bad bemerkte, ihm einen Kuss gab und sich erst einmal in den Sessel fallen ließ. Sie wusste es zu schätzen, dass er derzeit arbeitslos war und seine Zeit in den Haushalt investierte. »Was gibt es heute Leckeres?«
»Pizza!«
»Oh, deine gute Pizza! Du bist ein Schatz!«, wiederholte sich Jenny und schaltete den Fernseher an.
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Kommentare von Leserinnen und Lesern
Gelöscht.
07.01.2023 um 23:51 Uhr
Man sollte meinen, wir lebten in einer aufgeklärten Welt. Weit gefehlt, so mancher hat da seine eigenen Erfahrungen. Nach Jahren abrupt beendete Beziehungen reichen sich da mit "happy ends" die Hand. Die ganze Klaviatur an möglichen Zwischentönen mal außen vor gelassen. Eine nicht nur lesenswerte Nicht-Geschichte.
Gibt es einen Bedarf, entstehen sofort Angebote, und ich vermute, die meisten Männer mit masochistischen, devoten Neigungen zeigen die nicht in ihrer Partnerschaft und deshalb haben wir die Internetdominaschwemme, die versiegen würde, wenn sich Gerd offenbart hätte, aber das hat er nicht, das konnte er nicht und deshalb steht er in seinem Dilemma, dass Poet scheinbar lustig, aber hintergründig hart und klar zeigt.
Toll ge-/beschriebener Protagonist, den ich als authentisch erlebe. Soziale Ängste durch die Charaktere Kumpel, Schwiegermutter und Freundin geschickt dargestellt.
Sein "Computer-Programm" könnte in gewissen Kreisen reißenden Absatz finden
Pro- und Epilog auf Metaebene als besondere Würze. Danke!
Ungewöhnliche Geschichte mit einem offenen aber irgendwie lustigen. Ich finde die Geschichte herrlich. Mann muss nur noch als Dom eine Person zum Partner haben, die sich im Ansatz so verhält, wie die Sub in der Geschichte, bewusst, soweit das möglich ist, dieselbe Situation des ertappt werdens hervorrufen, um ihm im genau dem Moment diese Geschichte zum Lesen zu geben, um dann wiederum, das Ende, das fehlende, oder auch nur angeschnittene an der Sub zu praktizieren. Herzlichen Glückwunsch. Klasse Geschichte.
Die wachsende Salonfähigkeit von BDSM ist das eine - und ich danke der Göttin für's Internet und seine Segnungen - aber die Toleranz den eigenen Gefühlen gegenüber hat ja nicht NUR mit Herkunft und Erziehung etc. zu tun. Mir scheint, dass sich auch unter dem "Jungegemüse" Sesemie sehr viele finden, die sich lieber die Zunge (oder sonstige Körperteile, wenn sie gelenkig genug sind ) abbeissen würden, als ihrem ahnungslosen Partner reinen Wein über ihre "Perverse Konstitution" einzuschenken.
Mir fallen da spontan mindestens drei Jungs ein, die in den späten Neunzigern des letzten Jahrhunderts geboren wurden und deren Beziehungen am Verschweigen bzw. Ertappt-Werden ihrer speziellen Bedürfnisse scheiterten, scheitern oder demnächst wohl scheitern werden. heulend:
Leider habe ich bisher in der Wirklichkeit noch von keinem Friede-Freude-Eierkuchen-Happy-End wie bei Jenny und Gerd gehört - aber: warum soll es das nicht auch mal geben? Wäre doch wirklich schön...
Lieber poet, ich kann mich Gregor nur anschliessen, ein mutiger Text. Klar und offen zeigst Du auf, dass Dein Protagonist wahrlich Gefangener verschiedenster gesellschaftlicher Zwänge und Umstände ist. Letztlich sogar Gefangener seiner selbst, weil er diese Art von Vereinsamung, ja Isolation hinnimmt.
Ganz ehrlich, es tut gut so etwas mal so schonungslos zu lesen.
Es stimmt, mittlerweile hat sich das gesellschaftliche Bild von BDSM geändert, es ist sozusagen salonfähig geworden. Aber ist das wirklich so, ist das auch in den Köpfen derer in Stadt und Land angekommen? Derer, denen man von klein auf eingetrichtert hat, was richtig und falsch, was gut und was "pervers" ist?
Insofern gebe ich Gregor recht, in gewissem Maße schränkt sich wohl jeder hier ein Stück weit ein. Wobei die Frage, wie offen man mit der eigenen Sexualität umgeht immer eine sehr individuelle ist und bleibt.